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Anoas gehören zur Gattung der asiatischen Büffel, aber der große Familienname täuscht.

© imago/Hohlfeld

Berliner Schnauzen: Was Flachland-Anoas mit Wahlberlinern gemeinsam haben

Sie kommen vom Land, ernähren sich vegan und werden immer unterschätzt. Merken die Anoas, dass andere Rinder zu ihnen herabschauen?

Wollte man dem Berliner Bären ein Wappentier für Zugezogene zur Seite stellen, das Flachland-Anoa wäre ein vielversprechender Kandidat.

Das Zwergrind ist Einzelgänger, um nicht zu sagen: ein Individualist. Es kommt vom Land, seine Heimat liegt auf der indonesischen Insel Sulawesi. Die drei Berliner Anoas sind zwar unfreiwillig hier, darüber hinaus jedoch haben sie viel mit Wahlberlinern gemeinsam.

Das Anoa ernährt sich zum Beispiel vegan. In freier Wildbahn streift es frühmorgens durch sein Revier in dichten Wald- und Sumpfregionen und sucht nach Essbarem, allerdings ohne Alkohol im Blut. Typischerweise steht danach Entspannung auf dem Programm. Am späten Vormittag zieht sich das Anoa am liebsten zurück in den Schatten und relaxt für den Rest des Tages.

Das wird aber immer schwieriger. Was für Berliner das hundertelfzigste Einkaufszentrum oder der nächste Paleo-Smoothie-Shop, ist für das Anoa der Palmölproduzent: Lebensraumvernichter. Da die Rinderchen außerdem oft gejagt werden, ist ihre Population auf Sulawesi drastisch zurückgegangen.

Drei sind eigentlich zu viele

Forscher vermuten, dass noch zwischen 3000 und 5000 der Tiere in Indonesien leben. Die Internationale Union zur Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (IUCN) hat das Flachland-Anoa als stark gefährdete Art auf die rote Liste gesetzt.

Auch deshalb leben im Berliner Zoo drei Anoas. Neben der 14-jährigen Cora gibt es den Bullen Tycoon, geboren 2012, und Tina, das Nesthäkchen, gerade vier geworden. Drei sind eigentlich zu viele, dafür sind Anoas zu sehr Einzelgänger. Bevor die WG-Stimmung kippt, muss mindestens ein Tier gehen.

Wer umzieht, das entscheiden nicht die Teilnehmer einer tierischen WG-Konferenz, sondern die Sorgeberechtigten im Europäischen Erhaltungszuchtprogramm EEP. Von Leipzig aus organisieren die Fachleute Blind Dates für alle Anoas in europäischen Tierparks. Sie kontrollieren hier die Verwandtschaftsverhältnisse. Und kümmern sich so um die Arterhaltung.

In Berlin werden sie oft übersehen

Anoas gehören zwar zur Gattung der asiatischen Büffel, aber der große Familienname täuscht. Sie sind mit 70 bis 110 Zentimetern Schulterhöhe die kleinsten und zierlichsten Wildrinder der Welt. Selten bringen Männchen einmal bis zu 300 Kilo auf die Waage, Weibchen sind deutlich kleiner und leichter. Auch ihre Hörner lassen sie eher als zaghafte Tiere erscheinen.

Merkt das Anoa, dass andere Rinder zu ihm herabschauen? Zumindest deutet der lateinische Name nicht unbedingt auf ein fröhliches Gemüt hin: Bubalus depressicornis. Aber dafür kann das Anoa ja nichts. In Berlin jedenfalls, hinter buckligen Bisons und langhörnigen Steppenrindern, werden die Anoas oft übersehen und immer unterschätzt.

Trotz ihrer niedlichen Erscheinung und unabhängig von ihrem wohl nie gänzlich zu klärenden Gemütszustand sind und bleiben Flachland-Anoas wilde Tiere. Und das ist wörtlich zu nehmen. Anoas sind aggressiv, und sie können rennen. Wer bei ihrem Anblick in Streichelzoostimmung kommt, sollte die eigenen Impulse im Zaum halten.

Auf einem Anoa zu reiten, könnte zum einmaligen Vergnügen werden.

Flachland-Anoa im Zoo

Lebenserwartung:  etwa 20 Jahre

Interessanter Nachbar: Watussirind

Jakob Pontius

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