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Kolumnist Hartmut Wewetzer

© Kai-Uwe Heinrich

Dr. WEWETZER: Schritt machen ohne Kabel

Eine neue Generation von Miniatur-Herzschrittmachern kommt ohne Kabel und Implantat unter der Haut aus. Die Geräte werden direkt im Herzen verankert.

Am Montag war es soweit: In Stockholm wurden die Gewinner des Medizin-Nobelpreises bekanntgegeben. Die Pioniere einer wichtigen Erfindung haben ihn leider nie bekommen – des vor rund 60 Jahren entwickelten Herzschrittmachers. Die ersten Schrittmacher gaben dem Herzen einen starren Rhythmus vor und hatten klobige und kurzlebige Batterien. Seitdem hat sich einiges getan. Moderne Geräte sind klein, langlebig und korrigieren flexibel verschiedene Arten von Rhythmusstörungen. Sie können zudem einen geschwächten Herzmuskel stärken und Herzstillstand verhindern.

Die nächste Entwicklungsstufe markieren „kabellose“ Schrittmacher. Bislang wird das Aggregat in einer Hauttasche über dem Herz eingepflanzt. Von ihm führen „Stromkabel“ (Elektroden) in Richtung Herz, mit denen der Rhythmus registriert und reguliert wird. Der kabel- oder sondenlose Schrittmacher hingegen verstaut die komplette Technik – Batterie, Steuereinheit, Elektrode – in einer schlanken Kapsel. Die wird nur in der rechten Herzkammer verankert. Keine Schrittmachertasche unter der Haut, keine Kabel.

Zwei Geräte werden erprobt. Das eine namens „Micra“ (Hersteller Medtronic) ist gut zwei Zentimeter lang, kaum größer als eine Multivitamintablette; es krallt sich mit vier zierlichen Fortsätzen im Herzen fest. Mit vier Zentimetern ist der „Nanostim“ des Herstellers St. Jude Medical deutlich größer; der patronenartige „Nanostim“ besitzt an der Spitze ein Gewinde, das ins Herzgewebe hineingeschraubt wird. Dabei kann es in seltenen Fällen dazu kommen, dass der Herzmuskel durchbohrt wird. Nach zwei Todesfällen schränkte der Hersteller den Kreis der Patienten ein, für die der elektronische Taktgeber in Frage kommt.

Dennoch, die Geräte lassen sich in der Regel gut einsetzen und verrichten ersten Studien zufolge zuverlässig ihren Dienst. „Die Technik ist begeisternd“, schwärmt der Herzschrittmacher-Spezialist Christian Butter vom Herzzentrum Brandenburg. Allerdings sind die Systeme bislang nur für zehn bis 20 Prozent der Schrittmacher-Patienten geeignet, gibt Butter zu bedenken. Es sind überwiegend Personen, bei denen die Herzvorhöfe sich nicht in einem regulären Rhythmus zusammenziehen, sondern „flimmern“ und die Herzkammern zu langsam schlagen oder bei denen der Schrittmacher nur selten benötigt wird.

Für die Zukunft sind weiter einsetzbare Zwei-Kammer-Schrittmachersysteme denkbar, bei denen zum Beispiel ein Bestandteil im Vorhof sitzt, der andere in der rechten Kammer. „Beide könnten sich drahtlos über Bluetooth verständigen“, sagt Butter. 80 bis 90 Prozent der Patienten sind Kandidaten für solche Zwei-Kammer-Schrittmacher.

Bleiben die Kosten. Ein Schrittmacher schlägt mit rund 500 Euro zu Buche, die neuen Kapsel-Geräte kosten mehr als das Zehnfache. Zwar sind sie komfortabler und weniger anfällig für Keimbefall. Doch werden die Krankenkassen ihrem Herz einen mächtigen Stoß geben müssen, wenn es ans Bezahlen geht.

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