zum Hauptinhalt

Panorama: Spielplätze statt Luftschlösser

Jetzt herrscht hier der Baseball – wie Atlanta zehn Jahre nach der Olympiade zurück in die Wirklichkeit gefunden hat

Es ist heiß und schwül in diesen Hochsommertagen in Atlanta, genau wie vor zehn Jahren, als hier die Olympischen Sommerspiele stattfanden. Wer sich die sportlichen Höhepunkte von damals in Erinnerung rufen möchte, kann dies im „Aquatic Center“ tun. Die Schwimmhalle befindet sich auf einem Campus mitten in der Stadt. Wer hier auf der Tribüne steht, sollte den Blick allerdings nicht allzu weit schweifen lassen – sonst ist es schnell vorbei mit der Nostalgie. Rechter Hand ist ein riesiger Kraftraum für die Studenten des „Georgia Institute of Technology“ entstanden. Mit den Olympischen Spielen von 1996 hat das so wenig zu tun wie das neue Zwischengeschoss der einstigen Schwimmarena: Hier wird auf sechs Feldern der amerikanische Nationalsport Basketball gespielt.

Genau so hatten sich das die Macher der Olympischen Spiele von 1996 auch vorgestellt. Ihre Devise hieß von Anfang an: „No white elephants“. Das Bild von den weißen Elefanten stand für überdimensionierte Stadien und Hallen, die kein Mensch mehr besucht, wenn die Olympischen Spiele erst einmal vorbei sind. „So erfolgreich die Olympischen Spiele in Athen von 2004 und von Sydney im Jahr 2000 auch gewesen sein mögen, kann man doch eines nicht übersehen: Beide Städte hatten anschließend Schwierigkeiten, ihre Sportstätten zu nutzen", sagt Charlie Battle, der im Atlanta-Organisationskomitee von 1996 für die internationalen Beziehungen zuständig war.

Dem Prinzip der Wirtschaftlichkeit hatte sich 1996 so ziemlich alles unterzuordnen, was den Spielen in der Stadt des Coca-Cola-Konzerns auch den Ruf der überbordenden Kommerzialisierung einbrachte. Abgesehen von einem tödlichen Bombenattentat während der Spiele kam damals noch einiges zusammen, was zu einer Welle von Negativmeldungen führte: Nicht zuletzt die aus aller Welt angereisten Journalisten mussten unter Transportproblemen leiden. Hatten sie es erst ins Stadion geschafft, funktionierte dort der elektronische Ergebnisdienst nicht. Bei der Schlussfeier am 4. August 1996 verzichtete der damalige Präsident des IOC, Juan Antonio Samaranch, auf die übliche Formulierung, dass dies die besten Spiele aller Zeiten gewesen seien. „Es waren gute Spiele“, sagte er bloß.

Charlie Battle räumt ein, dass es mit Blick auf die Außenwirkung seinerzeit ein Fehler war, sich weniger um die Journalisten zu kümmern und stattdessen die Sponsoren zu umgarnen: „Da hätten wir bessere Arbeit leisten können.“ An seiner insgesamt erfolgreichen Olympiabilanz ändert das aber nichts: „Nie hat es bei Olympischen Spielen mehr Besucher gegeben!“

Vom Olympiastadion, wo die Boxlegende Muhammad Ali seinerzeit das olympische Feuer entzündete, haben längst die „Atlanta Braves“ Besitz ergriffen: Der Baseballclub aus der Major League spielt hier rund 80 Mal im Jahr. Dass hier vor zehn Jahren die Sommerspiele stattfanden, darauf weisen höchstens noch die übergroßen olympischen Ringe auf der Zufahrtsallee hin. Unverändert erinnert an Olympia hingegen der „Centennial Park“, der zu den Spielen mitten in Downtown angelegt wurde: Kinder freuen sich an den Wasserspielen, Paare schlendern umher – anders als vor 1996, als der Bezirk besser zu meiden war.

Nach US-Tradition wurden die Olympischen Spiele in Atlanta weitgehend privat finanziert. Deshalb glaubt Charlie Battle auch, dass die Südstaaten-Metropole für andere Olympiastädte nur begrenzt als Modell taugt. In Peking, das die nächsten Sommerspiele in zwei Jahren ausrichten wird, gilt der Ausbau der Stadt als nationale Priorität. Auch die 2012 in London stattfindenden Sommerspiele werden nach einem Bericht der „Financial Times“ mit einem etwa viermal größeren – auch Steuergelder beinhaltenden – Budget geplant, als seinerzeit in Atlanta.

Noch ist offen, wer den Zuschlag für die Sommerspiele 2016 erhält. Gegenwärtig sind in den USA die Städte Chicago, San Francisco und Los Angeles an einer Bewerbung interessiert. Wenn dann 20 Jahre nach Atlanta die Spiele erneut in den USA stattfinden würden, hieße das auch wieder: Ein möglichst geringer Einsatz von Steuergeldern – und keine „weißen Elefanten“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false