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Vatikan: Ein eindeutiges Angebot

Der Vatikan entlässt einen Kurienprälaten, weil er bei einem homosexuellen Flirt gefilmt wurde. Der Bürochef der Kleruskongregation will aber nur für ein Buch über homosexuelle Priester recherchiert haben.

Was sich der junge Mann bei dieser Sache dachte, scheint klar: Er ließ sich in einem Internet-Chatroom von einem Priester angeln, der auf Sadomaso-Praktiken aus war. Und als die beiden sich, wie verabredet, auf dem Petersplatz in Rom trafen, hatte der Junge eine versteckte Videokamera dabei. Er war im Auftrag eines privaten Fernsehsenders als Lockvogel unterwegs.

Der Prälat fuhr den jungen Mann in den Vatikan, nahm ihn mit ins Büro – „sprich leise, ich weiß nicht, wer sonst noch da ist!“ –, aber der Kontakt verlief anders als womöglich erwartet. Während der Priester ihn hofierte und mit der Hand an seinen Hinterbacken vorbeistreifte – „du bist hübsch, du bist viel zu hübsch“ –, verwickelte ihn der auf dem Sofa ausgestreckte Lockvogel drehbuchgemäß in ein Gespräch über die moralischen Verbote der Kirche gegen Homosexuelle. „Du als Priester, du begehst eine Sünde, wenn du bei mir bist“. Antwort: „Ich sehe es nicht als Sünde.“ Der Junge steckte anscheinend voller moralischer Bedenken – und genau mit dieser Begründung schickte ihn der Priester kurz darauf hinaus. „Hier endet unsere Geschichte. Du hast zu viele Skrupel.“

Normale Fernsehzuschauer konnten den Prälaten nicht erkennen; er tauchte im Bild nie auf, seine Stimme war verzerrt. Doch im Vatikan erkannte man auf Anhieb den fraglichen Arbeitsraum: er gehörte Tommaso Stenico, dem Bürochef der Kleruskongregation, also dem „Ministerium“, das für die Priester in der Welt zuständig ist. Stenico leugnet auch überhaupt nichts. Er stellt die Sache nur anders dar. Er sei nicht homosexuell. „Das schwöre ich vor dem Kreuz.“ Die Beteuerungen nutzten dem 60-Jährigen allerdings nichts: Der Vatikan entließ den Kurienprälaten.

Der gut aussehende Priester und Psychoanalytiker sagt, er habe ein Buch über „die Mitleid erregende und verzweifelte“ Lage homosexueller Priester recherchieren und schreiben wollen. Der Teufel sei ja in die Kirche eingedrungen; „es gibt einen diabolischen Plan satanistischer Gruppen, Priester aufzuspießen.“ Und da habe er, Stenico, sich „wie ein Räuber unter die Räuber“ begeben wollen; es habe sich „um ein Experiment“ gehandelt: „Ich wollte die Dinge kennenlernen, ich wollte sie sicherlich nicht praktizieren.“

Auch, sagt Stenico, habe er ja in seinem vatikanischen Büro „nichts Böses getan; schließlich habe ich selbst ja den Jungen weggeschickt“. Als „Sünde“ kreidet sich der Prälat nur „Oberflächlichkeit und vielleicht eine große Naivität“ an. Aber dass er seinen Plan „ausschließlich und allein zur Verteidigung der Kirche“ ersonnen habe – bei dieser Version bleibt er hartnäckig. Das werde er seinen Oberen erklären.

Dies alles beteuert Stenico gegenüber dem Internet-Portal „Petrus“, zu dessen geschätzten Autoren er lange Zeit gehörte. Außerdem betrieb er ein – soeben abgeschaltetes – eigenes Blog im Internet und war besonders den ganz frommen Vatikan-Anhängern durch seine Messen und Kommentare beim offiziösen Papstfernsehen „Telepace“ bekannt.

Aus dem Vatikan ließ sich bisher nur die offizielle Stimme des Pressesprechers vernehmen. Pater Federico Lombardi sagt, „diese Person“ habe einen Fehler begangen. „Die vatikanischen Behörden müssen mit Entschiedenheit und Strenge gegen ein Benehmen vorgehen, das nicht vereinbar ist mit dem priesterlichen Dienst und der Sendung des Heiligen Stuhls.“ Monsignor Stenico indes ist vorerst nicht mehr zu erreichen.

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