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Panorama: Wenn der Lebensraum schmilzt

Die US-Regierung will Eisbären zur bedrohten Art erklären – und gesteht damit die Realität des Klimawandels ein

Berlin - Wenn in wenigen Wochen in dunklen Schneehöhlen der Arktis kleine Eisbären zur Welt kommen, ahnen die Tiere wohl kaum, dass sie in ihrem Leben oft hungern werden. Denn erst einmal päppelt ihre Mutter die kaum rattengroßen Winzlinge mit ihrer kräftigen Milch zu zehn Kilogramm wiegenden Wonneproppen, die Ende März zum ersten Mal in das grelle Licht des hohen Nordens tappen. Dort aber schmilzt der Klimawandel den weißen Bären das Eis unter den Tatzen weg, das für sie genauso wichtig ist wie der Lebensmittelladen für die meisten Menschen der Großstadt. Die US-amerikanische Naturschutzbehörde „Fish and Wildlife Service“ (FWS) stuft Eisbären daher inzwischen als bedroht ein.

Das ist eigentlich nichts Neues, schließlich führt die Weltnaturschutzorganisation IUCN den Eisbären seit dem Jahr 2006 auf ihrer Roten Liste als „gefährdet“. Als am 16. Dezember 2006 aber die Naturschützer des World Wide Fund for Nature WWF bekannt gaben, dass in den vergangenen fünf Jahren gleich fünf der 19 Eisbärengruppen auf dem Globus kräftig abgenommen haben, setzte diese Mitteilung den FWS erheblich unter Druck: Alle fünf dieser schwindenden Populationen leben am Rande Nordamerikas.

US-Innenminister Dirk Kempthorne trat als oberster Dienstherr des FWS daraufhin die Flucht nach vorne an: „Wir machen uns Sorgen, dass der Lebensraum der Eisbären buchstäblich wegschmilzt.“ Ein US-amerikanischer Minister hatte damit erklärt, dass genau der Klimawandel, den die Regierung von George W. Bush bisher weitgehend ignoriert hat, direkt die Tierarten Nordamerikas bedroht.

Naturwissenschaftler wissen, dass der Klimawandel vor allem die Arktis betrifft. Stiegen die Durchschnittstemperaturen auf dem Globus in den vergangenen 100 Jahren um 0,8 Grad Celsius, waren es in der Arktis satte fünf Grad mehr. Das Frühjahr kommt in Kanada und Alaska früher, der Herbst später. Das Eis auf dem Nordpolarmeer bedeckt laut Statistik immer weniger Fläche. Genau dieser Schwund des Eises trifft den Lebensnerv der Eisbären. Stundenlang liegen die Tiere vor Löchern im Packeis und halten sich oft die Tatze vor ihre schwarze Nase, die sonst aus dem Weiß der Arktis kräftig herausstechen würde. Taucht eine Robbe in ihrem Luftloch auf, könnte sie den Bären ohne diesen Trick leichter entdecken. Aber auch mit verdeckter Nase tut der Bär sich schwer: Lauert er zehn Mal am Eisloch auf Robben, zieht er neun Mal mit leerem Magen wieder ab. Zweieinhalb Jahre lernen die kleinen Eisbären von ihrer Mutter die schwierige Jagd auf Robben, bis sie zum ersten Mal allein auf Beutefang gehen.

Allein in den vergangenen 20 Jahren aber ist die Fläche des Packeises in der Arktis um sechs Prozent geschrumpft. Dadurch drängen sich die Eisbären auf immer kleinerer Fläche, und die Chancen sinken, ihre wichtigste Nahrung zu erwischen. Obendrein lässt der Klimawandel im Frühjahr inzwischen statt Schnee immer öfter Regen fallen, der die Schneehöhlen schmilzt, in die Ringelrobben sich mit ihren Jungen zurückziehen. Dadurch sinkt die Zahl dieser Meeressäuger, und die vielleicht noch 20 000 Eisbären auf dem Globus müssen noch häufiger mit knurrenden Mägen ausharren.

Schon in 30 oder 40 Jahren könnte das Nordpolarmeer im Sommer immer wieder einmal fast eisfrei sein. Eisbären sind dank ihrer großen Tatzen zwar gute Schwimmer. Sie haben aber im Wasser keine Chance, eine Robbe zu erbeuten. Im soeben in den Kinos angelaufenen Familienfilm „Der weiße Planet“ spielen die Eisbären zwar noch die Hauptrolle. Der Film aber endet mit der Mahnung: „Seid achtsam, dass ihr den Norden nicht verliert!“

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