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Wirtschaft: 156 Milliarden Euro Spielraum

Trotz der Finanznot verteilt der Staat noch immer großzügig Geld – Experten verlangen eine Kürzung per Rasenmäher-Methode

Noch nie war die Geldnot des Staats so groß wie heute – und trotzdem laufen die Politiker mit Spendierhosen durch das Land. Nicht weniger als 156 Milliarden Euro verteilen Bund, Länder, Kommunen und EU Jahr für Jahr an Firmen und Bürger – so hoch ist die Summe von Subventionen und Steuervergünstigungen. Und das bei einer Neuverschuldung, die in diesem Jahr allein beim Bund jenseits der 30 Milliarden Euro liegen dürfte. Jede dritte Steuermark wird damit für Finanzhilfen und Steuernachlässe ausgegeben. „Freigiebiger verteilen nur Portugal und Italien das Geld“, kritisiert Alfred Boss, Finanzfachmann beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel (IfW).

Der Schaden für den Wohlstand der Bürger ist immens: Veraltete Branchen werden alimentiert und künstlich am Leben gehalten, neue Unternehmen entstehen erst gar nicht, weil die Steuerbelastung zu hoch ist. Das schmälert das Wirtschaftswachstum. Würde der Staat sämtliche Subventionszahlungen einstellen, ließe sich der Spitzensteuersatz von heute 48,5 auf 18,8 Prozent senken, der Eingangssteuersatz müsste statt 19,9 nur 7,7 Prozent betragen. Doch Finanzminister Hans Eichel sieht die Lage nicht ganz so dramatisch – in seinem Subventionsbericht kommt er nur auf eine Summe von 57 Milliarden Euro, nur ein Drittel der IfW-Summe. Der Grund: Eichel zählt Ausgaben wie etwa das Wohngeld nicht zu den marktschädlichen Subventionen, sondern zu sozialpolitisch begründeten Transfers. Und Zuschüsse an den Auslandssender Deutsche Welle oder an die Bundestagskantine verbucht das Finanzministerium nebulös unter „allgemeine Staatsaufgaben“. Ebenso unberücksichtigt lässt er Bürgschaften und öffentliche Kredite, etwa an das angeschlagene Telefonunternehmen Mobilcom.

Dabei findet sich schon in den Steuervergünstigungen, die der Staat gewährt, eine Menge Kurioses. So sind Traktoren in der Landwirtschaft von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, Seeleute zahlen nur einen ermäßigten Lohnsteuersatz, und Hobbybrauer zahlen keine Biersteuer. Die großen Posten finden sich indes bei den direkten Finanzhilfen, die der Staat der Wirtschaft überweist – zusammen sind es laut IfW-Berechnung 116 Milliarden Euro. Darunter fallen etwa 5,5 Milliarden Euro für halbstaatliche Einrichtungen wie Krankenhäuser, drei Milliarden Euro für den Steinkohlebergbau oder 157 Millionen Euro für den Schiffbau.

Doch wie lassen sich die einmal begonnenen Zahlungen zurückfahren? Lobbyisten schlagen Alarm, wenn ruchbar wird, dass ihre Vorteile kassiert werden sollen. Ökonomen schlagen deshalb die Rasenmähermethode vor. „Am wirksamsten wäre eine lineare Kürzung aller Subventionen binnen fünf Jahren auf null“, findet IfW-Experte Boss. Die Wirtschaft selbst vorschlagen zu lassen, welche Zahlungen überflüssig sind, hält Boss für falsch. „Das ist eine originäre Aufgabe der Politiker – davor sollten sie sich nicht drücken, auch wenn es Ärger gibt“, sagt er.

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