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Sieger? Jedenfalls führte Knut Giesler, Bezirksleiter der IG Metall in Nordrhein-Westfalen, die Tarifverhandlungen für die Gewerkschaft.

© Oliver Berg/dpa

Tarifabschluss in der Metallindustrie: 4,8 Prozent

Die lange Laufzeit des neuen Tarifs und die Möglichkeit der Verschiebung von Tariferhöhungen in schlecht laufenden Betrieben stellt auch die Arbeitgeber zufrieden.

Berlin - Kein bisschen übernächtigt, sondern quietschfidel und aufgeräumt kommentierte Jörg Hofmann am Freitagmittag das Tarifergebnis aus der Nacht zuvor. „Ich kann und will nicht meckern“, sagte der IG Metall-Vorsitzende und hatte dabei die Lohnprozente im Auge, auf die sich die Tarifbeschäftigten unter den 3,7 Millionen Metallern hierzulande freuen können: Zum 1. Juli gibt es 2,8 Prozent mehr Geld und zum 1. April 2017 weitere 2,0 Prozent. Da der alte Tarif bereits im März auslief, bekommt jeder Metaller für die Monate April bis Juni eine Einmalzahlung von 150 Euro. Der neue Tarif ist gültig bis Ende 2017, sodass die nächsten Tarifauseinandersetzungen in dem größten deutschen Industriebereich erst zu Beginn 2018 anstehen.

Nicht ganz so zufrieden wie Hofmann zeigte sich Gesamtmetall-Präsident Rainer Dulger. Er sprach von einem „vernünftigen Kompromiss“, stellte die relativ lange Laufzeit des neuen Vertrages heraus und betonte vor allem die Möglichkeit der Differenzierung: Wenn es einem Unternehmen schlecht geht, dann kann die im Juni anstehende Auszahlung von 150 Euro verschoben, gekürzt oder sogar ganz gestrichen werden. Und die Erhöhung um zwei Prozent im nächsten April könnte um drei Monate verschoben werden. Die Arbeitgeber wollen mit dieser „Wettbewerbskomponente“ Betrieben in Schwierigkeiten helfen. Die Komponenten greifen indes nur, wenn die IG Metall zustimmt. Für Hofmann ist das ein wichtiger Unterschied zu früheren Differenzierungsinstrumenten, auf die sich schon Geschäftsführer mit dem Betriebsrat einigen konnten; nun entscheiden die Tarifparteien, also Arbeitgeberverband und Gewerkschaft.

Differenzierung, Laufzeit und Lohnprozente – mit diesen drei Zutaten schnürten IG Metall und der nordrhein-westfälische Arbeitgeberverband in der Nacht zu Freitag in Köln das Tarifpaket. Die Arbeitgeber wollten einen Pilotabschluss in NRW, weil sie sich hier einen „billigeren“ Tarif als in Baden-Württemberg und vor allem mehr Bereitschaft zur Differenzierung versprachen. Vor einem Jahr hatte es im Südwesten 3,4 Prozent gegeben sowie Regelungen über Alters- und Bildungsteilzeit. Die Arbeitgeber stöhnten damals über den Abschluss.

Die Tonlage Dulgers war am Freitag ebenfalls gedämpft. „Wir bewegen uns in eine Richtung, die für den Standort Deutschland schädlich ist“, sagte der Gesamtmetall-Präsident. Seit der Finanzkrise 2008/2009 seien die Tariflöhne in der Metallindustrie, die vor allem aus Maschinen- und Autobauern sowie deren Lieferanten besteht, um 20 Prozent gestiegen. Da die Produktivität im gleichen Zeitraum aber nur um zwei Prozent zugelegt habe, hätte sich die Wettbewerbsfähigkeit der Firmen wegen der steigenden Lohnstückkosten verringert. Wie sich der jüngste Tarifabschluss auswirke, hänge nun vor allem von der Anwendung der Differenzierungsoptionen ab.

Doch selbst wenn viele Unternehmen die Erhöhung verschieben sollten: Spätestens von Juli 2017 an verdienen alle Metaller 4,8 Prozent mehr als heute. Da die Metallfirmen nach Angaben Dulgers rund 230 Milliarden Euro im Jahr für Löhne und Gehälter ausgeben, steigt diese Summe also um gut zehn Milliarden Euro.

„Weder durch die vergangene noch durch die aktuelle Lage unserer Industrie lassen sich die Lohnerhöhungen begründen“, ärgerte sich Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes. Zugleich würdigte er, „dass der hohe Abschluss der Preis für die lange Laufzeit dieses Tarifabschlusses ist“. Die Unternehmen hätten Planungssicherheit bis Anfang 2018. Dann beginnt das Spiel neu, und wieder wird die Frage nach Differenzierung zu beantworten sein.

Knut Giesler, Verhandlungsführer der IG Metall in NRW, freute sich darüber, „die Forderung der Arbeitgeber nach einer dauerhaften betrieblichen Differenzierung des Entgelts“ abgewehrt zu haben. Sein Gegenüber Arndt Kirchhoff dagegen strebt durchaus eine dauerhafte Regelung an, mit der die Ertragslage der Firmen berücksichtigt wird. Bis zur nächsten Auseinandersetzung wollen die Tarifparteien darüber in einer Projektgruppe beraten. Und bis zur nächsten Runde werden sie evaluieren, wie oft die jetzt vereinbarten Instrumente genutzt wurden. Allein in NRW geht es nach Einschätzung Kirchhoffs rund einem Viertel der Firmen nicht gut, sie kämen also in Betracht für eine Verschiebung der Erhöhungen.

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