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Der Mond wird zum Testgelände der Wirtschaft.

© NASA/dpa

50 Jahre nach der ersten Apollo-Mission: Wie sich die Wirtschaft auf dem Mond behaupten will

Was früher Sache des Staates war, machen heute Privatfirmen. Während andere längst losgeflogen sind, haben deutsche Unternehmen aber Startprobleme.

Von Laurin Meyer

Auch wenn es so aussehen mag: Auf dem Mond findet noch nicht statt, was das Start-up PTScientists aus Berlin-Marzahn gerade testet. In einem Sandkasten in der Halle der Jungunternehmer steht auf vier Rädern ein kleiner Rover – hüfthoch, weiß-lackiert und mit Solarpanelen ausgestattet. Mit dem Gefährt hat sich das Start-up kein geringeres Ziel gesetzt, als die erste deutsche Mondmission zu starten. Mithilfe ihrer Landefähre „Alina“ wollen sie den Rover in zwei Jahren auf den Erdtrabanten bringen.

„Das Interesse am Mond wächst wieder“, sagt Technikchef Karsten Becker. Für ihr Projekt konnten sie prominente Sponsoren und Technikpartner gewinnen. Der Rover heißt „Audi Lunar Quattro“, er trägt die vier Ringe des Ingolstädter Autobauers auf der Front. Der Mobilfunkkonzern Vodafone will das Gefährt per LTE-Netz mit der Landefähre verbinden. Zwei Konzerne an Bord – das ist ein Erfolg für die kleine Garagenfirma.

Start-ups fehlt das Geld

Doch es gibt ein Problem: Das Start-up aus Marzahn musste in der vergangenen Woche Insolvenz anmelden. Bei weiteren Investoren- und Fördergeldern sei es zu ungeplanten Verzögerungen gekommen, erklärt das Unternehmen. „Der Insolvenzantrag wirft uns zeitlich etwas zurück“, heißt es in einer Stellungnahme. Zwischen 100 und 120 Millionen Euro wird die gesamte Mission voraussichtlich kosten. Wie viel das Start-up für die bisherige Entwicklung schon verschlungen hat, wollte es nicht verraten. Die 60 Mitarbeiter sind aber zuversichtlich, die Reise zum Mond später doch noch umzusetzen. Der Insolvenzverwalter habe bereits mit ersten potenziellen Investoren gesprochen. Man werde gestärkt aus der Insolvenz hervorgehen, heißt es.

Die Mondlandefähre "Alina" des Berliner Start-ups PTScientists.
Die Mondlandefähre "Alina" des Berliner Start-ups PTScientists.

© Promo

Mit der vorläufigen Pleite hat jetzt auch PTScientists zu spüren bekommen, was andere deutsche Start-ups der Branche schon lange beklagen: einen Mangel an Fördermitteln und Investoren. „Deutschland hinkt im Vergleich zu den USA, Frankreich und Luxemburg deutlich hinterher“, bestätigt Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung beim Bundesverband der deutschen Industrie (BDI). Es brauche besser zugeschnittene Programme und einen eigenen Weltrauminnovationsfonds.

Beim Budget klaffen große Lücken

Wenn Gelder an Start-ups fließen, dann häufig aus Wettbewerben. Eine dreiviertel Million Euro bekam PTScientists etwa aus den Töpfen des Lunar X-Prize von Google. Die ursprüngliche Idee: Wem bis März 2018 eine unbemannte Mondlandung gelungen wäre, dem hätte der Internetkonzern 20 Millionen Dollar gezahlt. Am Ende schaffte dies zwar keiner der fünf Bewerber, doch Google belohnte auch erfolgreiche Zwischenschritte mit Geld. Es sind Anschubhilfen, die sich die Branche hierzulande von der Regierung wünschen würde. „Es geht nicht darum, dauerhaft von öffentlichen Geldern zu leben“, sagt Mari Eldholm, die bei PTScientists die politischen Fragen betreut.

Um einen kommerziellen Markt entstehen zu lassen, seien diese Mittel aber notwendig. Doch schon beim Budget klaffen große Lücken. Gaben die Deutschen im vergangenen Jahr gerade einmal 285 Millionen Euro für die nationale Raumfahrt aus, standen den US-Amerikanern rund 21 Milliarden Dollar zur Verfügung. Da kam auch der Etat der europäischen Weltraumagentur ESA mit fast sechs Milliarden Euro nicht heran.

Es könnte eine Mondwirtschaft entstehen

Diese Nachteile musste kürzlich auch die EU-Kommission einräumen. In einer aktuellen Studie untersuchte sie gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank, wie schnell europäische Space-Firmen zu Geld kommen können. Das Ergebnis: Investoren sind hier deutlich weniger spendabel als andernorts, Banken vergeben kaum Kredite. Grund zum Auswandern ist das für PTScientists aber nicht. „Wir wollen in Deutschland bleiben“, sagt Eldholm. Denn es geht auch um Ansehen: „Unsere Mission könnte ein Prestigeprojekt der deutschen Raumfahrtbranche werden“, sagt sie.

Die Besatzung der Apollo 11
Die Besatzung der Apollo 11

© Nasa/dpa

50 Jahre nach der ersten Apollo-Mission drängt die Welt zurück auf den Mond. Ging es damals vor allem um Prestige und Machtdemonstration im Kalten Krieg, stehen heute wirtschaftliche Interessen im Vordergrund. Chiphersteller wollen testen, ob ihre Prozessoren auch unter den harten Bedingungen des Orbits standhalten, Roboterfirmen können ihre Prototypen auf dem Mond ausprobieren. Und manche spekulieren wohl einfach auf verkaufsfördernde Werbeeffekte – etwa durch einen Produktaufkleber mit der Aufschrift „weltraumgeprüft“. „Wir sehen gerade, wie eine Mondökonomie entsteht“, sagt Eldholm.

Europa hat starke Konkurrenz

Das haben auch andere Länder längst erkannt, die Konkurrenz auf dem Weg ins All ist groß. Im April schoss Israel eine Sonde in Richtung Mond, finanziert aus privaten Mitteln und Spenden von Raumfahrtenthusiasten. Es sollte ein erster Test für spätere kommerzielle Transporte zum Erdtrabanten werden. Doch das Gerät stürzte ab. Nun könnte Indien das vierte Land in der Raumfahrtgeschichte werden, das es auf den Mond schafft – neben den USA, Russland und China. Einen Start in dieser Woche musste die nationale Raumfahrtagentur allerdings verschieben.

Und schon in fünf Jahren will die USA wieder Astronauten auf den Mond schicken. Dafür hat die NASA kürzlich die ersten drei Space-Unternehmen mit dem Bau von Mondlandefähren eingespannt. Für insgesamt 2,6 Milliarden Dollar will die NASA solche Transportleistungen von privaten Mondfirmen kaufen.

Space-Firmen wollen nach Berlin

Die Space-Branche ist lukrativ: Schon heute beträgt der weltweite Raumfahrtumsatz etwa 260 Milliarden Dollar. Marktbeobachter gehen davon aus, dass sich der globale Raumfahrtmarkt bis zum Jahr 2040 verzehnfachen wird. Hierzulande ist der Wettlauf zum Mond aber noch kein großer Wirtschaftsfaktor. Immerhin: Städte wie Berlin erleben seit einigen Jahren einen Zulauf von Start-ups aus der Space-Branche.

In der Hauptstadt hängen mittlerweile rund 3000 Arbeitsplätze am Weltraumgeschäft, verteilt auf 90 Institutionen, heißt es aus der Senatsverwaltung. Darunter fallen Konzerne, Forschungseinrichtungen und Jungunternehmen. Das dürfte auch daran liegen, dass Berlin als wichtiger Wissenschaftsstandort für die Erforschung des Weltalls gilt. Die TU Berlin hält den ältesten Lehrstuhl für Raumfahrt in Deutschland. Auf dem Lehrplan der Studenten stehen Fächer wie Satellitenbau und Weltraumrobotik.

Mattel verkauft Astronauten-Barbie

Doch so richtig präsent sind die Firmen und Forschungseinrichtungen hierzulande noch nicht. „Wir müssen die Sichtbarkeit der Raumfahrt erhöhen“, sagt auch der Luft- und Raumfahrtkoordinator der Bundesregierung, Thomas Jarzombek (CDU). Bislang kommt die Aufmerksamkeit in Wellen – etwa dann, wenn der deutsche Astronaut Alexander Gerst zur Internationalen Raumstation fliegt.

Der deutsche Astronaut Alexander Gerst.
Der deutsche Astronaut Alexander Gerst.

© Oliver Berg/dpa

Die ESA will jetzt noch früher ansetzen und es in die Regale der Spielwarenläden schaffen. Auf ihre Initiative hin bringt Spielzeughersteller Mattel eine Barbie mit Astronautenkostüm auf den Markt. Denn der Branche fehlt es nicht nur an Investoren, sondern auch an weiblichen Vorbildern. Nur 15 Prozent aller aktiven Astronauten sind weiblich, und auf dem Mond war bis heute noch keine einzige Frau.

Wasser auf dem Mond abgraben

Die deutsche Space-Branche setzt ihre Hoffnungen jetzt in die ESA-Ministerkonferenz, die im Herbst im spanischen Sevilla stattfindet. Dort beraten die zuständigen Politiker der 22 Mitgliedsstaaten über die künftige Strategie der Europäer im Weltraum – und über die Finanzierung. Das Budget setzt sich aus den Beiträgen der einzelnen Staaten zusammen.

Zu den Gewinnern der Ministerkonferenz könnte dann auch wieder PTScientists gehören. Denn in Sevilla wird auch über die sogenannte ISRU-Mission entschieden, die das Berliner Start-up gemeinsam mit der ArianeGroup, dem französischen Raketenbauer, plant. Mit ihr wollen die Unternehmen erkunden, wie sich aus Mondstaub Wasserstoff und Sauerstoff herstellen lässt. Denn wer auf dem Mond langfristig wirtschaften will, braucht Wasser.

Und noch etwas reizt die Jungunternehmer an der Reise zum Mond: Sie könnten endlich mit einer Verschwörungstheorie aufräumen. „Wir sind das erste Unternehmen, das die Mondlandung der Apollo 11 beweisen könnte“, sagt Technikchef Karsten Becker. Denn mit ihrem Rover möchten die Jungunternehmer zu jenem Platz zurückkehren, an dem die Amerikaner damals landeten. Aber das nur nebenbei.

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