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Großprojekt Eisenbahnbrücke.

© Michael Reichel/dpa

Abfluss von Investitionsmitteln: Die ruhenden Milliarden auf den Konten der Finanzverwaltungen

Bund, Länder und Kommunen wollen immer mehr Milliarden investieren, aber die Mittel fließen häufig nicht ab. Experten weisen auf Defizite im Bausektor hin.

Als André Schröder, Finanzminister in Sachsen-Anhalt, kürzlich den Haushaltsabschluss seines Landes für 2017 verkündete, ließ eine Zahl aufhorchen. 30 Prozent der investiven Mittel seien nicht abgeflossen, teilte der CDU-Politiker mit. Im Bundesfinanzministerium beklagt man schon länger, dass Ausgaben- und Förderprogramme nicht angenommen werden wie beabsichtigt, dass etwa die Mittel aus dem Hilfsfonds für finanzschwache Kommunen nicht so zügig abgerufen werden wie gedacht. Dass fast alle Landesregierungen für 2017 hohe Überschüsse meldeten, lag auch daran, dass Investitionsmittel nicht ausgegeben werden konnten.

Der Staat hat in den vergangenen Jahren auf allen Ebenen die Investitionen erhöht. Vier Großbereiche hat schon die alte große Koalition ausgemacht, dort will auch die neue Groko, so sie kommt, massiv Geld ausgeben: in die Verkehrs- und Gebäudeinfrastruktur (etwa zur Sanierung von Schulen), für die Stromtrassen, um die Energiewende voranzubringen, in den Breitbandausbau zur flächendeckenden Digitalisierung, und jetzt auch verstärkt in den Wohnungsbau, um Knappheit und Mietenexplosion vor allem in Groß- und Universitätsstädten zu dämpfen. Aber Milliarden liegen auf den Konten der Finanzverwaltungen. Die Gründe? Genannt werden allenthalben Planungsrückstand, zu wenig Personal (vor allem die Kommunen haben in der vergangenen Dekade ihre Bauverwaltungen abgebaut, nach Schätzungen um zehn Prozent), ein zu kompliziertes Planungs- und Vergaberecht. Auch wird viel vor Gerichten geklagt, was die Verfahren verzögert. Wenn sie bei größeren Projekten drei Jahren dauern, ist man in den Verwaltungen schon froh. Daran ist der Staat auch selbst schuld, weil Vorschriften in kurzen Abständen verändert werden.

Ausbauziele in Gefahr?

„Deutsche Ausbauziele in Gefahr?“, fragt daher die Beratungsfirma McKinsey & Company in einer aktuellen Analyse, die dem Tagesspiegel vorab vorlag. Dort wird als weiterer Grund ein Engpass genannt, der auch den verantwortlichen Politikern Sorgen bereitet: „Ambitionierte politische Ziele treffen auf eine ausgelastete Bauindustrie.“ Bleibt es so, dann treibt die staatliche Investitionsoffensive nur die Preise nach oben oder führt zu Auftragsverlagerungen aus dem privaten Wohnungsbau. Laut McKinsey fehlt nicht nur Personal beim Staat, sondern auch in den Baufirmen – es müsste um 15 Prozent auf mehr als eine Million Beschäftigte wachsen. Doch diese Fachkräfte gibt es im Inland nicht. Mehrarbeit aber hat Grenzen, und andere Staaten haben auch Investitionsrückstände.

Hier setzt nun die Kritik der Expertise an: Die deutsche Baubranche steckt demnach seit Jahren in einer „Produktivitätskrise“ und kann so den Arbeitskräftemangel nicht kompensieren. Als einen wesentlichen Grund dafür nennt McKinsey einen „schleppenden Fortschritt der Digitalisierung bei Planung und Bau“. Das Baugewerbe sei ein „digitaler Nachzügler“ und stehe ungefähr auf einer Stufe mit dem Sektor Landwirtschaft und Jagd. Würde vermehrt moderne Planungssoftware eingesetzt, ließen sich laut Gutachten bis zu 30 Prozent Planungskapazitäten einsparen. Würde zudem die übliche Trennung der Auftragsvergabe für Entwurfsplanung (Architekten) und Ausführungsplanung (Ingenieure) aufgegeben, könnte eine „durchgängige Digitalisierung“ die Prozesse erleichtern, so die McKinsey-Experten.

Der Staat könne dies fördern, indem er bei der Vergabe von Projekten darauf dringe. Auch sollte häufiger die schon bestehende Möglichkeit des vereinfachten Baugenehmigungsverfahrens genutzt werden. Zudem könne der Staat Anreize schaffen, dass Baufirmen zügig arbeiten. Als Beispiel nennt das McKinsey-Papier einen Berliner Fall: Der Ausbau der Avus kam nach 2013 schneller als geplant voran, weil eine „Geschwindigkeitsprämie“ gezahlt wurde. Zusammengenommen beziffert das Gutachten die mögliche Produktivitätssteigerung auf bis zu 40 Prozent.

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