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VW-Konzernchef Müller hat beim Besuch in Brüssel Kooperation versprochen. EU-Institutionen hinken bei der Aufklärung des Skandals hinterher.

© dpa

Abgasskandal: EU setzt Volkswagen unter Druck

Die EU-Kommission fordert eine „faire“ Entschädigung für VW-Kunden. Das Parlament setzt einen Untersuchungsausschuss ein.

Die EU-Kommission erhöht im Skandal um gefälschte Abgaswerte den Druck auf den Volkswagen-Konzern: Nach einem Treffen mit dem Vorstandsvorsitzenden Matthias Müller in Brüssel ließ die EU-Industriekommissarin Elzbieta Bienkowska am Donnerstag erklären, das Unternehmen müsse ihrer Behörde alle benötigten Informationen zur Verfügung stellen, um die gesundheits- und umweltpolitischen Auswirkungen des Betrugs vollständig bewerten zu können. Außerdem forderte die Polin ihrer Sprecherin zufolge den VW-Chef auf, für alle verkauften Fahrzeuge mit der Manipulationssoftware eine faire Entschädigung zu bezahlen: „Kunden in der Europäischen Union sollten auf dieselbe Weise behandelt werden wie jene in den USA.“

In den USA gibt es als Kompensation einen Einkaufsgutschein

In den Vereinigten Staaten, deren Umweltbehörden den Skandal ins Rollen brachten, bieten die Wolfsburger jedem Geprellten einen Einkaufsgutschein im Wert von 1000 Dollar (gut 900 Euro) an. Er kann bei allen VW-Händlern eingelöst werden und gilt auch drei Jahre lang für Pannen- und Abschleppdienste. Für Europa – allein in Deutschland sollen 2,4 Millionen Fahrzeuge betroffen sein – soll nach bisherigen Angaben keine finanzielle Entschädigung gezahlt werden, wie sie auch Verbraucherschutzminister Heiko Maas (SPD) gefordert hat. Stattdessen ist nur daran gedacht, während der Ende Januar beginnenden Umrüstungen in den VW-Werkstätten den Kunden Leihwagen oder Abholdienste zur Verfügung zu stellen. VW-Chef Müller machte nach seinem Treffen mit Bienkowska keine näheren Angaben dazu.

Es ist unklar, ob die EU Volkswagen zu Entschädigungen zwingen kann

Ob die Brüsseler Kommission den Hersteller zu einer solchen Entschädigungslösung zwingen kann, ist noch unklar. Eine Kommissionssprecherin verwies zwar auf das geltende EU-Verbraucherschutzrecht, wonach Rückzahlungen verlangt werden können, wenn ein Austausch oder eine Reparatur nicht innerhalb eines angemessenen Zeitraums durchgeführt werden oder sie Opfer einer irreführenden Werbung geworden sind. „Wir sind aber noch nicht in der Lage festzustellen, ob diese Bestimmungen in diesem bestimmten Fall zur Anwendung kommen können, da die Fakten immer noch nicht alle auf dem Tisch liegen“, sagte die Sprecherin der Kommissarin.

Ein Ausschuss soll Versäumnisse bei der Aufdeckung des Skandals untersuchen

Der SPD-Europaabgeordnete Ismail Ertug äußerte dagegen die Erwartung, „dass die EU-Kommission im europäischen Binnenmarkt härter durchgreifen können muss als die US-Behörden“. Ertug ist einer von fünf deutschen Abgeordneten im neuen VW-Untersuchungsausschuss, dessen Zusammensetzung am Donnerstag im Europaparlament beschlossen wurde. Das insgesamt 45 Mitglieder starke Gremium soll die Versäumnisse europäischer Institutionen bei der Aufdeckung des Skandals untersuchen. Die vier anderen deutschen Mitglieder sind Rebecca Harms (Grüne), die CDU-Mitglieder Jens Gieseke und Sven Schulze sowie der ehemalige BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel von der AfD-Abspaltung Alfa.

Daimler-Chef Zetsche fordert ein neues Testverfahren für Abgaswerte von der EU

Verantworten müsse sich nicht nur Ex- Industriekommissar Antonio Tajani, sondern auch seine Nachfolgerin. „Frau Bienkowska muss sich unangenehme Fragen stellen lassen“, kündigte SPD-Mann Ertug an: „Kurz vor Bekanntwerden der Affäre hat sie gegenüber Europaabgeordneten behauptet, nichts über Unregelmäßigkeiten zu wissen.“ Der Ausschuss will am 1. Februar mit Befragungen beginnen. Daimler-Vorstandschef Dieter Zetsche hat in Brüssel derweil zugegeben, dass die VW-Affäre zu Misstrauen der Kunden gegenüber der gesamten Branche geführt habe. Er führte dies bei einer Pressekonferenz des europäischen Hersteller-Dachverbands Acea darauf zurück, dass es „eine Überlappung“ zweier Themen gebe: Einerseits die absichtliche Manipulation, andererseits die große Diskrepanz zwischen den Abgaswerten im Labor und den real gemessenen Werten auf der Straße. Die EU müsse daher dringend ein neues Testverfahren beschließen – ein vorliegender Kompromissvorschlag gilt dem Europaparlament bisher jedoch als zu schwach.

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