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In Bautzen und Leipzig können Schülerinnen und Schüler seit 2013 zum Beispiel das Abitur und gleichzeitig eine Ausbildung zum Industriemechaniker machen.

© ddp

Abi und Ausbildung: Eine doppelte Chance

Das duale Abitur könnte die Berufsausbildungen aufwerten. Doch vor allem kleine Betriebe haben Vorbehalte.

Warum sich entscheiden, wenn man beides haben kann: Eine abgeschlossene Ausbildung und das Abitur. Dafür hat sich vor kurzem Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) ausgesprochen. „Es ist wichtig, viel früher als bisher deutlich zu machen, welche Chancen man im Betrieb hat“, sagte er auf der Klausurtagung der SPD. Die Lehre soll dadurch aufgewertet werden.

Innerhalb kurzer Zeit habe die Wirtschaft in der Hauptstadt rund 1000 Ausbildungsplätze geschaffen, aber finde nicht genügend Bewerber dafür. Immer mehr junge Leute wollen lieber studieren, weil sie sich dadurch bessere Karrieremöglichkeiten versprechen. Eine Lehre erscheint ihnen als zu wenig. Bei einem dualen Abitur würden Jugendliche eine Ausbildung in einem Unternehmen beginnen und gleichzeitig, mit einer etwas längeren Schulzeit, ihr Abitur machen. „Sie haben dann später die Chance, zu entscheiden, wie sie weitergehen“, erklärte Müller.

Senat in "Überlegungsphase"

Noch ist der Vorschlag nicht mehr als ein Gedankenspiel. Die Senatsverwaltung für Bildung diskutiert zunächst einmal intern, was bei den existierenden Modellen gut funktioniert – und was nicht. Das Oberstufenzentrum Lotis in Tempelhof bietet zur Zeit die Doppelqualifizierung „Steuerfachangestellte/r mit Abitur“ an. Dabei verlängert sich die duale Ausbildungszeit um ein Jahr und dauert vier Jahre. An der Anna-Freud-Schule in Charlottenburg können die Schülerinnen und Schüler in der gleichen Zeit das Abitur und Examen zum staatlich anerkannten Erzieher ablegen.

Nach der „Überlegungsphase“, wie es Sprecherin Beate Stoffers nennt, wird die Senatsverwaltung mit Schulen und Betrieben sprechen. Sollte der Vorschlag von Michael Müller ausprobiert werden, müssten immerhin etliche Fragen geklärt werden: Welcher Schultyp wäre sinnvoll? Wie müssten die Schul- und Ausbildungspläne aufeinander abgestimmt werden?

Sorgen bei kleineren Unternehmen

Das Modell gab es schon einmal in der ehemaligen DDR. Momentan gibt es ein Pilotprojekt in Sachsen: In Bautzen und Leipzig besteht seit 2013 die Kombination aus Hochschulreife und Ausbildung zum Industrie-, Werkzeug-, oder Zerspanungsmechaniker. Das Berufliche Schulzentrum für Elektrotechnik in Dresden bietet das Abitur mit einer Lehre im IT-Bereich an. „Im letzten Jahr haben wir die Klasse in Bautzen aber nicht voll bekommen“, sagte Ingo Barig am Montag. Er ist Ausbildungsleiter bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden.

Die Grundidee sei gut, meint er, aber nicht unproblematisch. Vor allem kleinere Unternehmen hätten Angst, dass ihr Lehrling wegen dem größeren Theorieanteil häufiger fehlen würde, und dann, nach der Lehre, studieren wolle. Ohne jemals wieder zu kommen. Mutiger seien größere Unternehmen. In Leipzig würden die Azubis von Porsche und BMW die Hälfte der Klasse füllen. Zur Zufriedenheit der Schülerinnen und Schüler sagt er: Die meisten würden die komprimierte Kombination gut, aber ziemlich stressig finden. Ähnlich wie beim dualen Studium.

IHK Berlin für Pilotprojekt

Und was meint die IHK Berlin dazu? „Das duale Abitur ist eine charmante Idee, Leistungsstarke für eine Ausbildung zu gewinnen“, sagt der Bildungsgeschäftsführer Thilo Pahl. Die Berliner Wirtschaft werde in den kommenden Jahren immerhin einen Bedarf an Facharbeitern haben, den sie wahrscheinlich nicht decken könnte.

Wer immer mal wieder für das Berufsabitur wirbt, ist Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. Zuletzt im Herbst, woraufhin Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) meinte, sie unterstütze die Idee. Um zu testen, wie die Jugendlichen, die Betriebe und Schulen das duale Abitur aber überhaupt annehmen würden, hält die IHK Berlin ein Pilotprojekt zunächst für sinnvoll. Währenddessen könnten die Schüler sehen, wie es so ist, sein erstes eigenes Geld zu verdienen.

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