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Wirtschaft: Albtraum statt Traumrendite

Viele Türken haben jetzt Ärger mit dem Finanzamt

Berlin - Acun Gülterey (Name von der Redaktion geändert) freute sich über das gute Angebot. Zinsen von 13, 14 Prozent bot ihm die türkische Nationalbank für seine deutsche Mark. Traumrenditen, bei denen Gülterey nur allzu gern zugriff. Umgerechnet rund zwei Millionen Euro überwies der in Berlin lebende und praktizierende Arzt an die Notenbank – jetzt steht er vor Gericht. Ende Januar beginnt die Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten, parallel dazu ist ein Verfahren vor dem Finanzgericht anhängig. Der Vorwurf: vorsätzliche Steuerhinterziehung.

In den achtziger und neunziger Jahren hatte die türkische Nationalbank in großem Stil um die Devisen von Türken geworben, die im Westen lebten. D-Mark, Franc und Pfund sollten der Bank helfen, die schwächelnde türkische Lira zu stützen. Von den zweistelligen Zinsen angelockt folgten viele dem Ruf – auch in Berlin. Von 8300 Fällen spricht die Berliner Senatsverwaltung für Finanzen, von bis zu 30 000 geht der Berliner Anwalt Steffen Lask aus. Der Clou: Neben den hohen Zinsen versprach die Nationalbank den Anlegern auch noch, dass ihre Erträge steuerfrei seien – in der Türkei und in Deutschland.

Das stimmte leider nicht. Und so wurden die Anleger zu Steuerhinterziehern. Als die Staatsanwaltschaft im Jahr 2000 nach deutschen Sparern fahndete, die ihr Geld vor dem Finanzamt in Luxemburg versteckten, fielen ihr auch die türkischen Überweisungen auf. Das gesamte Geld lief über die Dresdner Bank, die eine Kooperation mit der Nationalbank geschlossen hatte. Die Staatsanwälte informierten die Finanzämter. Und die begannen nachzufragen. Auch in Berlin.

Viele Verfahren sind bereits erledigt. Bagatellfälle wurden nicht weiter verfolgt. 1400 Fälle wurden durch Selbstanzeige abgeschlossen, in rund 160 Fällen ist es zu Gerichtsverfahren gekommen. Die meisten sind inzwischen beendet, teilt die Senatsverwaltung für Finanzen mit. Rund fünf Millionen Euro hat der Fiskus eingenommen, weil die türkischen Anleger Steuern nachzahlen mussten.

Auch Acun Gülterey hat gezahlt. 500000 Euro sind bereits an den Fiskus geflossen, doch den Behörden reicht das nicht. Die Staatsanwälte werfen seinem Mandanten vor, nicht nur leichtfertig, sondern vorsätzlich gehandelt zu haben, berichtet Steffen Lask, der bei der Berliner Steuerberatungs- und Rechtsanwaltskanzlei Ecovis arbeitet. Konsequenz: Der Anleger müsste nicht nur für fünf, sondern für zehn Jahre Steuern zurückzahlen. Zudem droht eine Freiheitsstrafe wegen Steuerhinterziehung.

„Ich habe mich auf meine Nationalbank verlassen“, sagt Gülterey. „Ich habe mir nie gedacht, dass das eine Steuerhinterziehung ist“, beteuert der Arzt, der seine Praxis inzwischen aufgegeben hat. Rechtsanwalt Lask findet, dass sein Mandant unfair behandelt wird. „Man hat ihm niemals eine Brücke gebaut“, sagt der Strafrechtsexperte.

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