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Allianz-Finanzvorstand Maximilian Zimmerer.

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Allianz-Finanzvorstand: "Man muss Banken auch mal abwickeln"

Allianz-Finanzvorstand Maximilian Zimmerer über die Folgen der Euro-Krise, die Bankenrettung und die Rückkehr Berlusconis.

Herr Zimmerer, die Allianz ist mit Kapitalanlagen von rund 500 Milliarden Euro einer der größten Anleger weltweit. Als Versicherer ist es zudem Ihr Geschäft, Risiken einzuschätzen. Wer, wenn nicht Sie, kann uns sagen, ob die Euro-Krise vorbei ist.

Es hat sich einiges zum Positiven gedreht, aber die Krise ist erst dann vorbei, wenn die hohe Staatsverschuldung abgebaut ist, und das ist noch nicht passiert. Allerdings kann man das in so kurzer Zeit auch nicht erwarten.

So lange die Staatsschulden hoch sind, versuchen die Notenbanken und die Regierungen, zumindest die Zinsen zu drücken.

Ja. Die niedrigen Zinsen sind eine Folge der hohen Staatsverschuldung. Die Zentralbanken, nicht nur in Europa, versuchen, die Schulden tragbar zu halten, indem man die Zinsen nach unten schraubt. Das erleichtert den Staaten, die Schulden zu bedienen beziehungsweise Anleihen zurückzuzahlen. Darunter leiden alle, die Vorsorge betreiben – also alle Sparer und auch die Kunden von Lebensversicherungen. Die Lösung der Euro-Krise geht auf ihre Kosten.

Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Euro-Raum jetzt noch auseinander bricht?

So etwas kann man nie für alle Zeiten vorhersagen. Aber generell ist es so, dass der Euro-Raum im letzten halben Jahr stabiler geworden ist.

Woran liegt das?

Die Ankündigung von Mario Draghi, dem Chef der Europäischen Zentralbank, er werde alles tun, dass der Euro-Raum zusammen bleibt, hat zu einer sehr starken Entspannung der Märkte geführt. Das zweite, wichtige Ereignis war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das die Einrichtung des Rettungsschirms ESM gebilligt hat. Der ESM kann Staaten finanziell helfen, die sich am Kapitalmarkt nicht refinanzieren können. Auch das hat die Märkte stabilisiert. Hinzu kommen noch die jüngsten Beschlüsse, Griechenland weitere Hilfen zu gewähren. Das zeigt, dass die Politik alles tun möchte, damit der Euro-Raum zusammen bleibt.

Haben wir wirklich stabilere Verhältnisse? Oder haben EZB und Politik einfach nur Zeit gewonnen – mit dem Preis, dass das finanzielle Rad, das sie drehen, immer größer wird?

Das ist kein Widerspruch. Man muss Zeit kaufen, um Schulden abbauen zu können. Aber man muss den Schuldenabbau dann auch wirklich in Angriff nehmen. Die Regierungen dürfen sich jetzt nicht entspannt zurücklehnen, sie dürfen in ihrem Bestreben, die Haushalte zu konsolidieren, nicht nachlassen. Denn sonst gehen die Schulden immer weiter nach oben, und wir können die Krise dann irgendwann tatsächlich nicht mehr bewältigen.

Wie soll der deutsche Versicherte verstehen, dass er weniger für seine Lebensversicherung bekommt, weil Griechenland, Spanien, Italien oder Portugal zu hohe Schulden gemacht haben?

Es wäre falsch, die Schuld nur diesen Ländern zu geben: auch andere Staaten sind hochverschuldet. Im Grundsatz gilt aber, dass die hohen Schulden zu geringeren Erträgen in der Lebensversicherung führen. Die Zinsen für Bundesanleihen liegen unter der Inflationsrate oder decken die Inflationsrate gerade einmal ab. Bei zweijährigen Bundesanleihen müssen Sie heute noch Geld mitbringen! Für die Menschen, die heute für ihr Alter vorsorgen, ist das bitter. Weil die Zinsen niedrig sind, müssen sie noch mehr sparen. Aber noch mal: Dieses Problem gibt es nicht nur im Euro-Raum. In den USA und in Japan ist die Situation nicht besser. Die Notenbanken überbieten sich mit ihren Niedrigzinsen.

Mario Draghi hat angekündigt, unbegrenzt Staatsanleihen von notleidenden Euro-Ländern aufzukaufen. Die Allianz hat 33 Milliarden Euro in italienischen Staatsanleihen investiert. Wie stark profitieren Sie von der Hilfszusage Draghis?

Wir haben nicht vor, Draghi unsere Anleihen anzudienen. Die Ankündigung Draghis hat für Anleger auch Nachteile. Es ist nicht gut, wenn die Zinsen im Euro-Raum auf das Niveau von Bundesanleihen absinken. Wie sollen wir dann noch eine angemessene Rendite erwirtschaften?

Haben Sie Angst vor einer Rückkehr Berlusconis?

Nein. Selbst als Berlusconi angekündigt hat, er wolle wieder Regierungschef werden, haben die Märkte nur kurz reagiert und sich dann wieder beruhigt. Und inzwischen ist ja wieder völlig unklar, ob Berlusconi das überhaupt noch will.

Wie viele Ihrer Kapitalanlagen stecken noch im Euro-Raum?

Etwas über 60 Prozent. Dies entspricht unserer starken Präsenz im Versicherungsgeschäft in diesen Märkten.

Griechenland hat kürzlich einen Teil seiner Anleihen zurückgekauft. Investoren haben ein Drittel des Nennwertes der Papiere bekommen. War auch die Allianz betroffen?

Wieso betroffen? Das war ein freiwilliges Angebot, man musste also nicht teilnehmen. Griechenland hat mit dem Rückkauf seine Schulden um 20 Milliarden Euro reduziert und die Voraussetzungen für weitere Zahlungen der EU erfüllt. Insofern war das ein Erfolg für das Land.

Hatten Sie auch noch griechische Anleihen?

Ja, aber nicht viele. Der Betrag liegt im zweistelligen Millionenbereich.

Und haben Sie verkauft?

Bitte haben Sie Verständnis, dass wir hierzu nichts sagen können.

Wird Griechenland Dauer-Schuldner bleiben?

Vorübergehend wird Griechenland sicherlich weitere Hilfen brauchen. Allerdings muss man sehen, dass das Land schon einiges getan hat. Es ist schwer, von einer so hohen Verschuldung herunterzukommen. Wir sind da in Deutschland vielleicht manchmal zu kritisch.

Die Aussichten für Deutschland sind auch nicht mehr so rosig wie früher. Das Wachstum schwächt sich ab, die Menschen müssen sich darauf einstellen, dass der Wohlstand sinkt. Das fördert nicht gerade die Lust am Teilen.

Vor einigen Jahren galt Deutschland noch als der kranke Mann Europas mit geringem Wachstum und einer schlechten demographischen Entwicklung. Kurzfristig stehen wir jetzt richtig gut da, weil wir Reformprogramme früher gestartet haben, Schulden gesenkt und unsere Hausaufgaben gemacht haben. Aber dauerhaft können wir von Europa nur profitieren.

Auch im Bankenbereich? Es gibt in der EU Bestrebungen, einen Rettungsfonds für europäische Banken einzurichten. Notleidende spanische, griechische oder italienische Banken sollen mit europäischem und damit auch deutschem Geld gerettet werden. Ist das richtig?

Banken sollten über soviel Kapital verfügen, dass sie sich selber tragen. Aber man muss auch überlegen, was nötig ist, um eventuell eine Bank auch mal abzuwickeln. Man sollte generell damit aufhören, Banken mit Staatsgeldern zu retten. Das ist nicht besonders gesund, und es ist dem Bürger auch schwer zu vermitteln.

Immer wieder wird für eine Trennung von Investment- und Privatbanken plädiert. Halten Sie das für richtig?

Nein, ich halte das für nicht zwingend. Es gibt Synergien zwischen Investmentbanking und Privatkundengeschäft. Die Mischung aus großen international tätigen und mittelständisch geprägten Regionalbanken macht die Vielfalt des Bankenwesens aus und sorgt dafür, dass der unterschiedliche Bedarf der Kunden abgedeckt wird.

Wirklich? Ist die Deutsche Bank, die derzeit einen Skandal nach dem anderen liefert, nicht das beste Gegenbeispiel?

Zu anderen Unternehmen, auch zur Deutschen Bank, äußern wir uns grundsätzlich nicht. Generell braucht eine weltweit verflochtene und auf Export ausgelegte Wirtschaft Banken, die weltweit und breit aufgestellt sind. Es ist wichtig für die deutsche Volkswirtschaft, dass es starke internationale deutsche Banken gibt.

Elf EU-Länder wollen Börsengeschäfte mit einer Finanztransaktionssteuer belegen. Was würde das einen Anleger wie die Allianz kosten?

Dazu kann man jetzt noch nichts sagen. Man weiß ja noch gar nicht, welche Transaktionen überhaupt erfasst werden sollen und welche Märkte. Und ganz wichtig: Man muss klären, ob es auf den Handelsstandort ankommt oder auf den Unternehmensstandort. Ich bin auch noch nicht sicher, ob diese Steuer wirklich kommt. Das Projekt ist umstritten.

Würden Sie Ihre Geschäfte notfalls über die Londoner Börse machen, falls Großbritannien die Steuer nicht erhebt?

Nein.

Wie attraktiv sind Japan und die USA für Kapitalanleger?

Wir investieren weltweit. Japan ist nicht in unserem Fokus. Dort sind die Zinsen extrem niedrig, und die Währung ist schwer planbar. Die USA sind aber einer der größten Anlagemärkte. Zwar sind die Zinsen dort nicht höher als bei uns, aber wir haben in den USA bei Unternehmensanleihen ein viel größeres Spektrum. Es gibt dort Firmenanleihen mit extrem langen Laufzeiten, was uns entgegen kommt. Allerdings muss man natürlich immer das Währungsrisiko im Auge behalten. Neben Unternehmensanleihen interessieren uns in den USA auch ausgesuchte Immobilien.

Was hat Sie der Hurrikan „Sandy“ gekostet?

Das kann man noch nicht sagen. Ein Großteil der Schäden entfällt auf Versicherungen gegen Betriebsunterbrechnungen, und da warten wir noch auf Zahlen.

Die Allianz will in diesem Jahr mehr als neun Milliarden Euro verdienen. Könnte „Sandy“ das verhindern?

Ich glaube nicht.

Wie hoch wird der Gewinn zum Jahresende sein?

Warten Sie's ab. Das Jahr ist doch noch gar nicht um. Der Dezember ist immer ein unwägbarer Monat. Man weiß nicht, was noch an den Kapitalmärkten passiert, in den USA laufen die Verhandlungen über den neuen Haushalt, außerdem weiß man nicht, welche Naturschäden noch kommen.

Sie investieren ja nicht nur in den USA in Immobilien, sondern auch in Deutschland. Die Preise für Grundbesitz steigen. Steuern wir hierzulande auf eine Immobilienblase zu? Ist der Markt überhitzt?

In kleinen Teilmärkten ist er sicherlich überhitzt. In den Großstädten hat es Marktübertreibungen gegeben. Das betrifft jedoch vor allem Wohnungen und Häuser und nicht Gewerbeimmobilien, in die wir investieren. Die niedrigen Zinsen stellen mittelfristig eine Gefährdung für den Immobilienmarkt dar: Weil die Kredite sehr billig sind, kann man für eine Immobilie mehr Geld ausgeben, und das kann dann sehr schnell zu einer Blase führen. Die Gefahr droht übrigens auch an den Aktienmärkten. Wenn die Zinsen so tief bleiben, werden die Aktienkurse steigen, möglicherweise in unnatürliche Höhen.

Wie hoch ist die Aktienquote bei der Allianz?

Sechs Prozent der Anlagen stecken in Aktien.

Warum nicht mehr?

Nach dem neuen europäischen Aufsichtsmodell Solvency II werden Versicherer viel Eigenkapital aufbringen müssen, wenn sie in Aktien investieren. Das macht die Anlage in Aktien teuer.

Für europäische Staatsanleihen brauchen Sie dagegen nach den bisherigen Plänen gar kein Eigenkapital. Ist das eine Fehlsteuerung?

Das ist eindeutig ein Fehlanreiz. Man hat das gemacht, um die Märkte zu stabilisieren und den Versicherern Anreize zu geben, in Staatsanleihen und nicht in Unternehmensanleihen zu gehen. So treibt man große Investoren in Staatsanleihen. Vernünftig ist das nicht.

Das Interview führte Heike Jahberg

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