zum Hauptinhalt

Wirtschaft: An Russland vorbei

Aserbaidschan wählt Nabucco-Konsortium zum Bau einer Gas-Pipeline. Die wird aber nur halb so lang.

Berlin - Gasversorger und ihre Kunden in Mitteleuropa dürften künftig etwas unabhängiger von Gaslieferungen aus Russland werden. Ein internationales Konsortium, das derzeit das größte Gasfeld im rohstoffreichen Aserbaidschan am Kaspischen Meer erschließt, hat am Donnerstag eine Vorentscheidung darüber getroffen, wer dieses Gas dort nach Mitteleuropa transportieren darf: Es ist das Nabucco-Konsortium, an dem der Essener RWE-Konzern beteiligt ist. Damit geht eine zehnjährige Hängepartie zu Ende.

Der Legende nach kamen im Jahr 2002 mehrere Gasmanager auf Einladung der österreichischen OMV in Wien zusammen, um zu diskutieren, wie man die Abhängigkeit von dem russischen Lieferanten Gazprom lockern könnte, der ein Viertel des EU-Gases liefert. Im Anschluss besuchten sie die Vorstellung von Verdis Nabucco in der Staatsoper. So kam es beim dann folgenden Abendessen zur Einigung auf den Projektnamen.

Über die Jahre wurde Nabucco immer konkreter – aber auch komplexer und teurer: Statt der knapp acht Milliarden Euro Baukosten, die nach der technischen Planung veranschlagt worden waren, standen zuletzt 14 Milliarden für den Bau der 3300 Kilometer langen Pipeline im Raum. Russland kündigte zudem den Bau der South-Stream-Pipeline als Konkurrenz an, was die Finanzierung von Nabucco weiter erschweren sollte. Doch das Konsortium stemmte sich gegen das Aus, gewann Berater wie etwa den ehemaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) als Lobbyisten. Sogar EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso sprach Anfang 2011 bei den Aserbaidschanern in Baku vor, und wertete damit das dortige Regime auf.

In den vergangenen Monaten wurde Nabucco trotzdem immer unwahrscheinlicher. Die Schuldenkrise erschwerte die Finanzierung, der ungarische Partner in dem Konsortium sprang wegen der Kostenexplosion ab. Und die Türkei, deren Territorium man braucht, um das Gas an Russland vorbeizuführen, forderte immer mehr Gas aus der Pipeline und entschied sich letztlich, das türkische Teilstück unter Regie ihres Staatskonzerns Botas zu betreiben. Am Dienstag unterzeichneten Türken und Aserbaidschaner ein Abkommen zum Bau eben dieser Transanatolischen Gas-Pipeline (Tanap), die nichts anders ist als ein von Nabucco geplantes Teilstück.

EU-Energiekommissar Günther Oettinger, der zuletzt öfter Spitzen an die Russen verschossen hatte, beklagte nicht etwa den Ideenklau, sondern begrüßte das Tanap-Projekt, da damit klar sei, dass überhaupt Gas aus dem Riesenfeldern am Kaspischen Meer nach Europa kommen könne. Unklar war nun nur noch, wer das Gas auf der Reststrecke von der türkischen Grenze bis ins österreichische Baumgarten befördern darf. Das Nabucco-Konsortium, das dazu einen Antrag für eine auf nur noch 1300 Kilometer verkürzte Pipeline „Nabucco-West“ eingereicht hatte – oder Konkurrenzprojekt SEEP, hinter dem unter anderem die britische BP steckt.

Am Donnerstag nun traf das Shah-Deniz-II-Konsortium, das das gleichnamige Mega-Feld in Aserbaidschan erschließt, eine Vorentscheidung für Nabucco West. 2018 könnte Baubeginn sein, dann sollen jährlich zwischen zehn und 23 Milliarden Kubikmeter Gas durch Nabucco- West strömen. Zum Vergleich: Gazproms Nord-Stream-Pipeline kann nach dem Bau des zweiten Stranges 55 Milliarden Kubikmeter befördern. Oettinger begrüßte die Vorentscheidung für Nabucco-West gleichwohl als „Erfolg für Europa und unsere Versorgungssicherheit“.

In der Tat dürfte jetzt der Kreis der Gaslieferanten der EU wachsen. Ob sie aber „besser“ als Gazprom sind, bezweifeln Beobachter. An dem Konsortium, das die neue Pipeline füllen soll, sind die britische BP und die norwegische Statoil zu je 25,5 Prozent beteiligt. Je zehn Prozent halten die russische Lukoil und die staatliche Ölfirma NIOC – aus dem Iran.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false