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Proteste: Seit zwei Wochen demonstrieren Bauern in Berlin, auch am Mittwoch wieder.

© imago images/Future Image

Ansonsten droht die Radikalisierung der Bauern: Agrarwende und Insektenschutz funktionieren nur gemeinsam

Umweltministerin Svenja Schulze wollte weitreichende Verbote für Pestizide. Jetzt muss sie zurückrudern. Zu Recht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Heike Jahberg

Die Lage ist dramatisch. 550 verschiedene Arten von Wildbienen gibt es in Deutschland, die Hälfte davon steht auf der Roten Liste der gefährdeten Tierarten. Auch Käfer und Schmetterlinge haben es schwer: Täglich verschwinden Insekten. Das hat ganz unterschiedliche Gründe. Natur weicht neuen Wohn- und Gewerbegebieten, viele Tiere lassen ihr Leben auf den Windschutzscheiben der Autos, andere kommen durcheinander, weil es in Großstädten auch nachts niemals wirklich dunkel ist.

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Auch die Landwirtschaft ist Teil des Problems. Pestizide, Monokulturen und Überdüngung nehmen den Insekten Pflanzen, die sie fürs Überleben brauchen. Insofern war es gut gemeint, dass Bundesumweltministerin Svenja Schulze die Bauern in die Pflicht nehmen wollte. Doch gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

Ein Pestizidverbot, wie es die Ministerin für viele Regionen vorschreiben wollte, hätte die Bauernfamilien in den betroffenen Gegenden in den Ruin getrieben. Sie hätten Flächen nicht mehr bewirtschaften können, ihre Ernteausfälle wären ihnen nicht ersetzt worden.

Statt der Verbote soll es nun Anreize geben. Wer etwas für die Umwelt und die Insekten tut, soll dafür belohnt werden. In vielen Bundesländern gibt es solche Programme schon, andere dürften folgen. Und mit der neuen europäischen Agrarförderung lassen sich weitere Mittel zugunsten ökologisch denkender Bauern umschichten.

Umweltministerin Svenja Schulze (SPD, vorn) hatte sich einen monatelangen Streit mit Bundesagrarministerin Julia Klöckner geliefert.

© dpa

Bauern werden radikalisiert

Doch statt auf smarte Lösungen hat Schulze lange auf plakative Restriktionen gesetzt und damit die Bauern auf die Straße getrieben. Die Ministerin sieht sich als Lobbyistin für die Umwelt, das sagt sie selbst über sich. Was für eine NGO passt, ist aber für ein Regierungsmitglied zu kurz gedacht – politisch wie ökologisch.

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Es ist politisch falsch, weil es Landwirte radikalisiert. Auch besonnene Jungbauern gehen jetzt auf die Straße aus Angst um den elterlichen Hof und finden sich dort plötzlich in Gesellschaft von Rechtspopulisten. Gut ist das nicht.

Und auch ökologisch bringt die Holzhammermethode nichts. Statt sie zu gängeln, sollte man den Bauern helfen, Ökonomie und Ökologie unter einen Hut zu bekommen. Viele Bauern wollen umweltfreundlicher und nachhaltiger arbeiten. Das hilft auch den Insekten. Bauern, Politik, Verbraucher: Die Agrarwende ist nötig, aber sie geht nur gemeinsam.

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