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Arbeitskampf: Streik bei der Lufthansa: Kurz und schmerzvoll

Der Streik ist vorbei, die Welt der Luftfahrtbranche aber noch lange nicht in Ordnung.

Berlin/Frankfurt am Main - Nach nur einem Streiktag haben sich Lufthansa und die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) am späten Montagabend vor dem Arbeitsgericht in Frankfurt am Main darauf geeinigt, wieder direkt miteinander zu verhandeln. Die Gewerkschaft rief 4000 bei ihr organisierte Lufthansa-Piloten auf, ab Mitternacht wieder ihren Dienst anzutreten. Dennoch werden sich Fluggäste mit Pech bis Donnerstag auf Behinderungen und Flugausfälle einstellen müssen. „Klar ist, dass es bei weitem keinen normalen Flugbetrieb geben wird“, sagte ein Sprecher der Lufthansa nach dem Termin vor Gericht.

Die Piloten hatten am Montag zwar kein Verkehrschaos angerichtet, aber ihren Arbeitgeber aus dem Trott gebracht. Ab Montagmorgen traten die Piloten wie Tage zuvor angekündigt in den Ausstand. Das hatte zur Folge, dass nur rund die Hälfte aller Lufthansa-Flüge abheben konnte, wie die Deutsche Flugsicherung errechnete. Bei Lufthansas Billigfluggesellschaft Germanwings fielen nur 40 der 160 geplanten Flüge aus. Bei der Lufthansa Cargo schließlich wirkten sich die Streiks kaum aus, dort blieben nur 15 Prozent der fahrplanmäßigen Flüge am Boden. Vier Tage lang sollte der Streik ursprünglich dauern. Dafür hatten Lufthansa und Germanwings eigens Sonderflugpläne ausgearbeitet. Der von Lufthansa sah vor, dass 3200 Flüge ausfallen. Wie viele davon wieder angesetzt werden, blieb vorerst unklar.

Die deutschen Flughäfen hatten sich zwar auf eine größere Zahl gestrandeter Passagiere eingerichtet, doch in Frankfurt am Main, Düsseldorf, München, Hamburg und Berlin-Tegel blieb es weitgehend ruhig, weil viele der mehreren Zehntausend betroffenen Passagiere direkt von den Gesellschaften per SMS informiert worden waren oder sich selbst telefonisch oder im Internet um alternative Reisewege bemüht hatten.

In der Sache bewegten sich die Tarifparteien erst am Abend aufeinander zu, nachdem VC eine zentrale Forderung aus ihrem Katalog ausklammerte: Diese betraf vor allem die Tochtergesellschaft Lufthansa Italia. Die Gewerkschaft hatte bisher zur Bedingung gemacht, dass Lufthansa Millionen Euro Strafe zahlen muss, sobald ein Pilot, der nicht nach Konzerntarif bezahlt wird, eine Maschine von Lufthansa Italia steuert. Damit will VC verhindern, dass Lufthansa europaweit weitere Landesgesellschaften gründet, deren Piloten unter Tarif bezahlt werden, aber mit dem Kranich am Leitwerk fliegen. Das würde den Vertrag aushöhlen, lautet die Ansicht der Gewerkschaft.

„Das ist unser Versuch, wieder ins Gespräch zu kommen“, begründete der Vorsitzende der Tarifkommission Thomas von Sturm den Schritt. Damit erfüllte er eine wichtige Forderung der Gegenseite, die unter allen Umständen verhindern will, dass Gewerkschaften direkten Einfluss auf die Unternehmensstrategie nehmen. Lufthansa sagte dagegen zu, dass man jetzt über Entgelte und Arbeitsbedingungen der Piloten sprechen könne.

Lufthansa hatte die Kosten für einen viertägigen Streik auf rund 100 Millionen Euro beziffert. Die Summe dürfte sich auch durch die Verkürzung des Streiks nicht wesentlich verringern, da Lufthansa bereits Ersatzflugzeuge gechartert hat. Analysten raten dem Konzern derweil, weiter hart zu bleiben: „Wenn die Lufthansa-Spitze zu schnell nachgibt, könnte die dauerhafte Kostenbelastung noch höher sein“, sagte etwa Stefan Schöppner, Luftfahrt-Analyst der Commerzbank. Mehr Einfluss könne die Führung nicht zulassen. Am Ende würden nicht nur die Jobs der 4500 Piloten, sondern die aller 108 000 Mitarbeiter, auf dem Spiel stehen, sagte er.

Für die deutsche Wirtschaft insgesamt dürfte der Schaden dagegen überschaubar bleiben, da die Luftfahrt für den Verkehrssektor nur eine verschwindend geringe Rolle spielt: Nicht einmal 0,2 Prozent des Gütertransports in Deutschland findet laut Bundesverkehrsministerium per Flugzeug statt – Straße und Schiene sind weitaus wichtiger. Beim Personenverkehr kommt der Flugverkehr derzeit immerhin auf einen Marktanteil von gut fünf Prozent. Insofern dürfte die Bahn auch nur bedingt von dem Streik profitieren: Im Vergleich zu den üblichen 330 000 Fernverkehrs-Kunden am Tag sei die Zahl der Reisenden bei der Bahn „nur geringfügig höher“ gewesen, teilte die Bahnzentrale in Berlin mit.

Mit dem Aussetzen des Pilotenstreiks kommen neue Probleme auf die Branche zu: So drohte die Gewerkschaft „Unabhängige Flugbegleiter Organisation“ (UFO) am Montag Lufthansa mit Warnstreiks, wenn die Verhandlungen über den gekündigten Tarifvertrag für 16 000 Flugbegleiter nicht wieder aufgenommen werden. In Frankreich dürfte es sogar schon heute zu Behinderungen im Flugverkehr kommen. Die Gewerkschaften riefen die französischen Fluglotsen landesweit zu mehrtägigen Streiks auf. Die Proteste sollten bis einschließlich Samstag dauern, hieß es. Und auch eine britische Gewerkschaft teilte am Montag mit, dass ihre Flugbegleiter sich in einer Urabstimmung in großer Mehrheit für einen Arbeitskampf ausgesprochen haben, der bald beginnen soll. mit brö, ro, rtr

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