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Arbeitsmarkt: Die Politik und das Hartz-Rätsel

Immer mehr Ältere finden Jobs, zugleich steigt der Hartz-IV-Anteil in dieser Altersgruppe. Erklärungsversuche aus dem Bundestag.

Berlin - Diese spezielle Erscheinung auf dem Arbeitsmarkt wirkt zunächst paradox: Die Bundesagentur für Arbeit meldet seit einem Jahr besonders große Erfolge bei den 50- bis 65-Jährigen. 2007 sank die Arbeitslosenzahl dieser Altersgruppe gegenüber dem Vorjahr um 16,4 Prozent – und damit deutlich stärker als bei den Jüngeren. Zugleich stieg der Zahl der „erwerbsfähigen Hilfebedürftigen“ unter den Älteren um 8,3 Prozent, während insgesamt immer weniger Menschen auf Arbeitslosengeld II (Hartz IV) angewiesen sind. Die Experten der Bundestagsfraktionen haben dem Tagesspiegel jetzt Erklärungen und Lösungsvorschläge dazu abgegeben.

„Das Potenzial an älteren Arbeitnehmern ist unverzichtbar für die wirtschaftliche Entwicklung“, sagt Ralf Brauksiepe, Vorsitzender der Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales der Unions-Fraktion. „Die Koalition hat dies erkannt und leistet mit neuen Fördermöglichkeiten und geänderten gesetzlichen Rahmenbedingungen einen Beitrag zur Erhöhung der Beschäftigungsquote Älterer.“ Brauksiepe verweist unter anderem auf die „Initiative 50 plus“ . Zudem habe die Regierung den Bezug des Arbeitslosengeldes I für Ältere zuletzt verlängert.

Von solchen arbeitsmarktpolitischen Instrumenten hält die FDP wenig. „Die sind teuer und sorgen leider nur für die optische Entlastung der Statistik“, sagt Dirk Niebel, arbeitsmarktpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion. „Die schwarz-rote Koalition flickt wie die rot-grüne Vorgängerin im System, statt sich zu grundlegenden Strukturänderungen durchzuringen“, sagt er. Zwar habe die Einführung des Arbeitslosengeldes II vielen, die als unvermittelbar eingestuft wurden, eine Chance auf Erwerbstätigkeit eröffnet. „Leider haben weder die betreuenden Behörden bei der Vermittlung von Geringqualifizierten noch die schwarz-roten Umverteilungspolitiker bei der Schaffung von Arbeitsplätzen Schritt gehalten“, sagt Niebel. „Wir wollen, dass alle Arbeitslosen und Arbeitssuchenden in kommunalen Jobcentern aus einer Hand betreut werden.“ Außerdem dürften Ältere nicht länger durch Frühverrentung vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt werden.

Brigitte Pothmer, Sprecherin für Arbeitsmarktpolitik der Grünen, sagt: „Es klaffen erhebliche Lücken zwischen der verbalen und der tatsächlichen Wertschätzung älterer Arbeitnehmer.“ Die Wirtschaft könne nicht über Fachkräftemangel klagen und die Älteren weiter links liegen lassen. Die Arbeitsagenturen müssten mehr und früher in die Qualifizierung Älterer einsteigen. „Fakt bleibt aber auch: In manchen Regionen gibt es so wenige Arbeitsplätze, dass insbesondere Ältere auf Dauer kaum eine Chance haben. Für sie brauchen wir einen sozialen Arbeitsmarkt“, sagt Pothmer.

Volker Schneider, rentenpolitischer Sprecher der Linken, hält dieses Phänomen für das Ergebnis statistischer Schönfärberei. „Die Regierungsparteien reden sich an der Erwerbstätigkeitsquote der 50- bis 65-Jährigen besoffen, wenn man aber nur die über 60-Jährigen betrachtet, sieht die Sache ganz anders aus.“ Die Maßnahmen der Regierung seien Trostpflästerchen, die an den strukturellen Problemen vorbeigehen. Zur speziellen Entwicklung im Osten, wo die Zahl der älteren Hartz-Empfänger doppelt so stark steigt, sagt Schneider: „Man muss das Strukturpotenzial im Osten sehen und den Leuten nicht mit Ignoranz eine Politik überstülpen.“ Kevin Hoffmann

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