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Berufserfahrung. Ein Flüchtling arbeitet in einer Lernwerkstatt in München an einem Werkstück.

© Sven Hoppe/ dpa

Arbeitsmarkt für Flüchtlinge: Bund qualifiziert Flüchtlinge für Ausbildung im Handwerk

Deutsche Handwerksbetriebe suchen händeringend Nachwuchs. Jetzt soll ein Qualifizierungsprogramm für Flüchtlinge Abhilfe schaffen.

Der Bund will 10 000 Flüchtlinge mit einem groß angelegten Qualifizierungsprogramm für eine Ausbildung im Handwerk begeistern und auf eine spätere Lehre vorbereiten. Die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), der Bundesagentur für Arbeit (BA) und des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH) richtet sich an Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge, aber auch an Geduldete. Sie sollten unter 25 Jahre alt sein und einen Integrationskurs des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie das BA-Programm „Perspektiven für junge Flüchtlinge“ durchlaufen haben. Zum Programm gehören ein intensiver Sprachunterricht, eine fachliche Berufsorientierung sowie eine Vorbereitung auf das duale Ausbildungssystem.

Die Flüchtlinge sollen praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern sammeln

„Die Vorbereitung der Flüchtlinge solle „ganz praktisch und im direkten Kontakt mit Betrieben" geschehen, sagte Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) bei der Vorstellung der Initiative. „Sie sollen ihre Neigungen und Stärken kennenlernen, indem sie praktische Erfahrungen in verschiedenen Berufsfeldern sammeln.“ Dabei würden die Programmteilnehmer kontinuierlich und „sehr individuell“ betreut. Das Bildungsministerium stellt dafür in diesem Jahr 20 Millionen Euro zur Verfügung. Neben jungen Männern will die Ministerin mit der Initiative besonders auch Frauen ansprechen und fördern. Eine Ausbildung im Handwerk könne Frauen nicht nur zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit von ihren Männern verhelfen, sondern biete überdies auch die Perspektive späterer Selbständigkeit.

Im Handwerk gibt es mindestens 17000 offene Stellen

„Es geht nicht darum, alle irgendwie zu bilden, sondern sie zielgerichtet auf eine Ausbildung vorzubereiten“, sagte Wanka. Eine Berufsausbildung im Handwerk setze vermutlich besonders gut an den praktischen Erfahrungen der Geflüchteten an. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer sagte, trotz 17 000 offener Stellen in den Handwerksbetrieben im Vorjahr würden qualifizierte Bewerber dringend benötigt: „Wir brauchen keine Schubkarrenschieber, wir brauchen Fachkräfte.“ In den 550 Bildungsstätten des Handwerks könnten viele Flüchtlinge entsprechend vorbereitet werden. Auch seien die zumeist kleinen und mittelständischen Handwerksbetriebe aufgrund ihrer sozialen Struktur und Nähe zu den Beschäftigten von allen Unternehmen wohl am besten für die Integration von Flüchtlingen geeignet. Allerdings könnten Firmeninhaber dabei weder zusätzliche bürokratische noch emotionale Hürden brauchen. Dazu zähle beispielsweise die Unsicherheit für die Unternehmen durch einen ungeklärten Asylstatus.

Die Bundesagentur für Arbeit trifft eine Vorauswahl über die Bewerber

Auch BA-Chef Frank-Jürgen Weise sagte, wichtig sei eine rasche Feststellung dieses Status, denn: „Wer nicht anerkannt ist, wird nicht eingestellt.“ Neben anerkannten Asylbewerbern sollen laut Weise bei dem Qualifizierungsprogramm auch Flüchtlinge aus sogenannten sicheren Drittstaaten zum Zuge kommen, sofern sie überzeugende Argumente für eine Teilnahme vorbringen. Die Qualifizierungsinitiative sieht vor, dass die Bundesagentur zunächst Qualifikationen und Sprachkenntnisse mit Interviews und Probearbeiten sichtet, um eine Vorauswahl für das Programm treffen zu können. Das Bildungsministerium bereitet Bewerber in überbetrieblichen Ausbildungsstätten vor, später übernimmt dann das Handwerk. Auf dem Programm stehen dann Betriebsbesichtigungen und Praktika in den Unternehmen, bei denen Kontakte für eine spätere Ausbildung geknüpft werden können. Weise erklärte, es könne schwierig werden, gerade auch im Schriftlichen die notwendigen Sprachkenntnisse zu vermitteln. Zudem müsse den Schutzsuchenden erklärt werden, wie wertvoll eine Ausbildung im Handwerk sei, auch wenn sich dort zunächst nicht so viel Geld verdienen lasse wie in anderen Jobs.

Das Handwerk sucht Lehrlinge in allen Bereichen

Laut ZDH verteilen sich die offenen Stellen im Handwerk über alle Ausbildungsberufe vom Bäcker über den Hörakustiker bis zum Karosseriebauer. „Die meisten Leute wissen gar nicht, wie viele interessante Ausbildungsberufe es im Handwerk gibt“, sagte ZDH-Sprecher Alexander Legowski dem Tagesspiegel. „Viele Betriebe suchen wirklich händeringend nach Azubis.“ Zudem wüssten viele Menschen aus dem Ausland mit der hierzulande gängigen dualen Berufsausbildung in Betrieben und Berufsschulen nichts anzufangen.

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