zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Aufregende Aktien 2000: Infomatec: Kriminalfall am Neuen Markt

Der Staatsanwalt ermittelt, die Firmengründer sitzen hinter Gittern, die Aktie liegt 97 Prozent unter ihrem Hoch: Mit der Augsburger Infomatec AG hat der Neue Markt in diesem Jahr sein spektakulärstes Waterloo erlebt. 1998 noch, beim Börsengang, galt das Software-Unternehmen von Gerhard Harlos und Alexander Häfele als Superstar, schwamm auf der Internetwelle ganz oben, machte binnen kürzester Zeit Kurssprünge um mehrere 100 Prozent.

Der Staatsanwalt ermittelt, die Firmengründer sitzen hinter Gittern, die Aktie liegt 97 Prozent unter ihrem Hoch: Mit der Augsburger Infomatec AG hat der Neue Markt in diesem Jahr sein spektakulärstes Waterloo erlebt. 1998 noch, beim Börsengang, galt das Software-Unternehmen von Gerhard Harlos und Alexander Häfele als Superstar, schwamm auf der Internetwelle ganz oben, machte binnen kürzester Zeit Kurssprünge um mehrere 100 Prozent. Die Emissionsbanken WestLB und Sal. Oppenheim, renommierte Fondsmanager wie Analysten übertrafen sich in Lobeshymnen. Die Gründer und Vorstandschefs tönten vollmundig, man stelle täglich einen neuen Mitarbeiter ein, wolle das Unternehmen durch Zukäufe zum "Global Player" machen und habe die Konkurrenz weit hinter sich gelassen.

Internet Appliance Systems, Java Network Technology, Core Applications: Das Duo Harlos/Hägele schmiss gerne und viel mit - für den Normalbürger - undurchschaubarem Fachchinesisch um sich, zog sich aber ins Nebulöse zurück, wenn nachgehakt wurde. Infomatec stellt E-commerce-Software her und hatte nach eigenem Bekunden Unmengen von Interessenten für ein Gerät zum Internetsurfen über den TV-Bildschirm ("Surfstation"). Das genügte dem Aktionärsvolk damals noch - es glaubte und kaufte, trotz tiefroter Zahlen. Zahlreiche Ad-hoc-Mitteilungen verkündeten schließlich die frohe Botschaft von Millionenaufträgen. Mobilcom wolle 100 000 Surfstations kaufen, hieß es im Mai 1999. Im September sprach man vom einem "Megadeal" mit dem US-Unternehmen Global Well.com, im November von einem 50-Millionen-Mark-Auftrag aus Frankreich.

Im August dieses Jahres brach das Kartenhaus zusammen. Infomatec musste eine Umsatz- und Gewinnwarnung herausgeben, die sich gewaschen hatte. Die Staatsanwaltschaft ermittelte aufgrund einer anonymen Anzeige schon seit Ende 1999 wegen gefälschter Ad-hocs und wegen Kursbetrugs: Harlos/Häfele sollen den Kurs getrieben haben, um für jeweils rund 28 Millionen Mark eigene Aktien loszuwerden. Die auf der Hauptversammlung 1999 präsentierten Surfstations, so ist der Staatsanwalt sicher, waren kein Infomatec-Produkt, vielmehr sei das Logo des tatsächlichen Herstellers überklebt gewesen. Im September schließlich kündigten Harlos/Häfele ihren Rücktritt zum Jahresende an. Die Firmenzentrale wird durchsucht. Wegen "massiver Fluchtgefahr" - beide Vorstände besitzen Immobilien im Ausland und gelten nicht gerade als mittellos - greift die Justiz am 16. November zu: Harlos und Häfele werden verhaftet. Tags zuvor hat die Deutsche Börse Infomatec bereits aus dem Nemax 50 geworfen.

Die Schutzgemeinschaft der Kleinaktionäre und die Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz haben Strafanzeige erstattet. Inzwischen hat auch ein Einzelaktionär, der sich um 90 000 Mark geprellt sieht, auf Schadenersatz geklagt. Viel dürfte nicht zu holen sein. Zwar sollen ein neuer Aufsichtsrat und ein neuer Vorstand das Ruder herumreißen. Doch das Vertrauen von Investoren und Kunden ist wohl erst einmal dahin. Und die Pleitegeier kreisen schon: Dank hoher Verluste, meinen Insider, könnte Infomatec nach Gigabell der nächste Bankrott am Neuen Markt sein. Die Aktie ist jetzt weniger wert als ein Kilo Brot: 1,66 Euro - da steigen nur noch Zocker ein.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false