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Banken: Finanzkrise ohne Ende

Bei den Kreditinstituten tun sich immer neue Löcher auf. Ein Ende der Krise ist nicht in Sicht – der Staat soll helfen.

Es brodelt und blubbert in rostigen Fässern, grüngelbe Nebelschwaden wabern umher. Von Zeit zu Zeit zischt es bedrohlich. Und es stinkt enorm, so sehr, dass einem der Atem stockt. Nicht umsonst mahnen Totenkopf-Zeichen, besser Abstand zu halten. Willkommen bei Deutschlands Banken – so ähnlich sieht es aus in den Giftkellern der einst ruhmreichen Finanzindustrie. Nur dass sie statt gefährlichem Sonderabfall brisante Wertpapiere in ihren Tresoren hortet – Schuldverschreibungen, die zum Himmel stinken, Kreditpakete von undefinierbarem Inhalt, die niemand will. Ein gefährlicher Cocktail, der die Branche noch auf unbestimmte Zeit verseuchen wird, und mit ihr womöglich die gesamte Wirtschaft.

Und ständig entdecken die Finanzleute neuen Müll in ihren Beständen. Mit jedem Tag, den die Krise andauert, wächst die Unsicherheit über das Ausmaß der Probleme. Dabei sind die Schrottpapiere der Schlüssel für das Ende der Wirtschafts- und Finanzkrise. Allein die großen Banken der Bundesrepublik horten nach eigenen Angaben problematische Papiere, die mit gut 300 Milliarden Euro in den Bilanzen stehen. Die meisten davon dürften nur noch ein Bruchteil dessen wert sein. Hinzu kommen noch die Probleme der vielen kleinen Institute, sodass sich der gesamte Bestand auf den unvorstellbaren Wert von bis zu einer Billion Euro summieren könnte. Dem steht nur ein Besitz der Banken von 400 Milliarden Euro gegenüber.

Das bedeutet: Die bisherigen Rettungsversuche des Staates reichen vermutlich nicht, das Paket von 480 Milliarden Euro – 80 Milliarden Euro für Kapitalspritzen und den Ankauf problematischer Papiere, 400 Milliarden für Bankenanleihen, die der Staat garantiert – muss aufgestockt werden. In der Regierung, bei den Notenbanken und bei der Finanzaufsicht Bafin hat deshalb ein Brainstorming darüber begonnen, was zu tun ist. Denn erst wenn die Banken ihren Müll losgeworden sind, werden sie wieder dazu beitragen können, dass Industrie, Handel und Handwerk den Weg aus der Rezession finden.

Die Institute selbst werben für eine Giftmüllhalde, eine sogenannte Bad Bank, bei der der Staat alle faulen Kredite mit Steuergeld übernimmt. Angesichts der gigantischen Summen, die dies kosten würde, erbleichen aber selbst abgebrühte Politiker. Deshalb prüft die Koalition Spielarten davon. Etwa die Gründung mehrerer Bad Banks, gesondert für jedes Institut. Oder das Vehikel einer sogenannten Ausgleichsforderung, bei der die Banken ihre Schrottpapiere dem Staat abtreten und dafür über Jahre einen Teil ihrer Gewinne abführen. Klar ist: Die Finanzindustrie wird sich am Schaden beteiligen müssen.

Der Widerstand ist indes groß. „Die Banken versuchen offenbar, sich mittels einer Bad Bank auf Kosten des Staates reinzuwaschen“, kritisiert Reiner Holznagel, Hauptgeschäftsführer des Bundes der Steuerzahler. Man müsse genau aufpassen, was die Finanzbranche dem Staat unter dem Deckmantel der Krise unterjubeln wolle. Zudem sei der Rahmen des ersten Rettungspaketes längst nicht ausgeschöpft. „Offensichtlich sind die Probleme gar nicht so groß, wie die Banken immer beklagen“, findet er. Und nach der Übernahme des Sondermülls durch den Staat „geht die Party im Finanzsektor womöglich von vorne los“, argwöhnt er. Erst einmal müssten die Banken Transparenz herstellen über den drohenden Schaden, „sonst haben sie keine Recht, das Geld der Steuerzahler in Anspruch zu nehmen“.

Einen Vorteil hätte die Bad Bank aber. „Würde die Regierung den Banken morgen sagen, wir kaufen euch alle toxischen Papiere zu dem Preis ab, zu dem sie in den Bilanzen stehen, wäre die Krise Ende der Woche vorüber“, sagt Konrad Becker, Analyst der Privatbank Merck Finck.

Doch es ist gut möglich, dass sich die staatlichen Retter bald an noch größere Löcher bei den Banken gewöhnen müssen. So muss die Branche in der nächsten Zeit enorme Summen aufbringen, um Anleihen zu begleichen, die sie aufgelegt hat. Einfach neue Papiere zu verkaufen ist schwierig, da niemand den Banken traut. Nur wenn der Staat im Spiel ist, fassen die Anleger Vertrauen. Daher muss womöglich die staatliche Garantiesumme von 400 Milliarden Euro erhöht werden.

Hinzu kommt die Konjunkturkrise. Je schlechter die Wirtschaft läuft, desto größer wird der Berg an Giftmüll in den Kredithäusern. Die Auskunftei Creditreform erwartet in diesem Jahr einen sprunghaften Anstieg der Firmenpleiten um fast ein Fünftel. Für die Banken bedeutete das noch mehr Kredite, die nicht bedient werden. Besonders gefährdet sind etwa die Logistikbranche oder Werften wegen der geringeren Nachfrage nach Schiffen.

Probleme werden die Banken auch wegen der sinkenden Preise für Gewerbeimmobilien bekommen. Die Deutschen sind hier stark engagiert – zum einen mit Krediten, zum anderen mit Immobilienfonds, an denen sie in guten Zeiten viel Geld verdient haben. „Die Banken stecken durch die Finanzkrise ohnehin in schwerer See“, urteilt der Banker Harald Christ. „Jetzt kommt ein Orkan hinzu – das wird selbst solide Häuser in die Enge treiben.“ Neue Schreckensnachrichten sind ab übernächster Woche zu erwarten, wenn die großen Banken ihre Bilanzen vorstellen.

Angesichts dessen bezweifeln Experten, dass eine wie auch immer geartete Bad Bank die Probleme lösen kann – ohne dass die Bürger auf die Barrikaden gehen. Deshalb sind auch radikalere Lösungen im Gespräch – zum Beispiel die Verstaatlichung aller angeschlagenen Institute. „Das kostet auch nicht mehr als eine Bad Bank“, findet Banken-Experte Becker. Der Vorteil wäre, dass der Staat seine Aktienpakete nach der Sanierung wieder verkaufen könnte – womöglich mit Gewinn. Und er könnte dafür sorgen, dass der Geldmarkt wieder in Gang kommt, fügt Becker hinzu – „ganz simpel per staatlicher Verordnung“.

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