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Wirtschaft: Behörden dürfen auf Kontodaten zugreifen

Abfragen laut Bundesverfassungsgericht zulässig

Berlin - Finanzämter und Sozialbehörden dürfen auch weiterhin heimlich Kontodaten abfragen, um mutmaßliche Steuersünder oder Sozialbetrüger zu entlarven. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verstößt der Zugriff auf Kontonummern, Namen, Adressen und Geburtsdaten der Verfügungsberechtigten nicht gegen das Grundgesetz (Aktenzeichen: 1 BvR 1550/03, 1 BvR 2357/04, 1 BvR 603/05).

Gegen die automatisierte Kontoabfrage hatten die Volksbank Raesfeld, ein Notar, ein Anwalt, eine Bezieherin von Wohngeld und ein Sozialhilfeempfänger Verfassungsbeschwerde eingelegt. Nur die beiden Empfänger von Sozialleistungen konnten einen kleinen Erfolg verbuchen. Der Erste Senat kritisierte, das Gesetz würde in sozialrechtlichen Angelegenheiten „nicht präzise genug“ regeln, welche Behörden zu welchem Zweck Kontodaten abfragen dürfen. Der Gesetzgeber müsse das bis zum 31. Mai nächsten Jahres präzisieren. Allerdings hat der Gesetzgeber das bereits selbst erkannt. Eine entsprechende Gesetzesänderung ist im Bundesrat anhängig.

Das seit dem 1. April 2005 gültige „Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit“ gewährt nur den Zugriff auf die sogenannten Stammdaten, nicht aber auf Kontostände und Geldbewegungen. Um diese zu erfahren, sind weitere Ermittlungsmaßnahmen der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung nötig. Nach einer Richtlinie des Bundesfinanzministeriums soll der Kontoinhaber zudem die Gelegenheit bekommen, vor einer Kontoabfrage selbst die gewünschten Auskünfte zu teilen – allerdings nur, wenn die Ermittlungen damit nicht gefährdet werden. Nach dem Gesetz dürfen die Daten nur abgerufen werden, wenn „konkrete Verdachtsmomente“ vorliegen. „Routinemäßige Abrufe ins Blaue sind unzulässig“, betonten die Richter. Für eine Abfrage braucht ein Finanzbeamter zudem die Einwilligung seines Vorgesetzten, um Schnüffeleien zu verhindern.

Der Chef der Volksbank Raesfeld, Hermann Burbaum, kritisierte, dass der Staat seine Bürger beschnüffeln wolle. Auch der Sprecher der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Jürgen Kurz, fürchtet, dass die Kontoabfragen ein weiterer Schritt auf dem Weg zum gläsernen Bankkunden sind. Dagegen begrüßte der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, das Urteil. Das Verfassungsgericht habe selbst bessere Kontrollen verlangt, sagte Ondracek dem Tagesspiegel. Nach seinen Angaben könnten die Behörden heute technisch bis zu 7500 Kontoabfragen am Tag machen, tatsächlich seien es aber rund 6000. „Die Möglichkeiten werden nicht ausgeschöpft“, sagte Ondracek. Heike Jahberg

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