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Wirtschaft: Bei der Deutschen Börse beginnt eine neue Ära

Aufsichtsrat beruft am Montag Reto Francioni zum Vorstandschef – er muss die Branche in Europa ordnen

Frankfurt am Main - Der Aufsichtsrat der Deutschen Börse wird Reto Francioni am Montag zum neuen Vorstandschef des Unternehmens ernennen. Der 50-Jährige folgt wohl noch in diesem Jahr seinem Landsmann Werner Seifert, der im März auf Druck angelsächsischer Hedge-Fonds gehen musste. Francioni übernimmt eine schwierige Aufgabe – besonders im Hinblick auf die Konsolidierung der europäischen Börsen. Trotz der unter Seiferts Regie zwei Mal gescheiterten Übernahme gilt die Londoner Börse (LSE) weiter als Kaufkandidat. Als möglichen Partner sieht man auch die Dreiländerbörse Euronext in Paris und die Schweizer Börse, an deren Sptize noch bis vor kurzem Francioni gestanden hatte.

Vor allem mit britischen und amerikanischen Hedge-Fonds und Großanlegern, die mittlerweile zusammen 75 Prozent an der Deutschen Börse halten, wird sich Francioni abstimmen müssen. Mehr als fünf Prozent der Anteile liegen derzeit bei Fidelity, beim britischen The Childrens Investment Fund (TCI) und beim US-Fonds Atticus. Allerdings gibt es mittlerweile Streit zwischen den Fonds. Ende September warfen Vertreter des kanadischen Burgundy Investment Management – nach eigenen Angaben einer der 20 größten Aktionäre der Deutschen Börsen – anderen Hedge- Fonds vor, dem Unternehmen zu schaden, weil sie gleichzeitig Anteile an Euronext und an der LSE hielten. Sie wollten die Deutsche Börse für einen „Ramschpreis“ verkaufen und so den übrigen Aktionären der Deutschen Börse massiv schaden.

In Frankfurter Bankenkreisen nimmt man diesen Konflikt ernst und hofft, dass Francioni Klarheit schaffen kann. Er war von 1993 bis 2000 schon einmal unter Seifert zuletzt als Vizechef bei der Deutschen Börse und gilt als kompetent, weil er das Unternehmen und die Branche gut kennt. Er hat den Ruf eines konzilianten und integrativen Managers – anders als Seifert, der durch seinen wenig diplomatischen Stil Francioni verscheuchte, bei Mitarbeitern wenig Anklang fand und mögliche Partner wie die LSE vergrätzte. Unbestritten ist aber auch, dass Seifert zusammen mit Aufsichtsratschef Rolf Breuer, der am Montag das Amt an Kurt Viermetz übergibt, aus der Provinzbörse Frankfurt einen weltweit führenden und profitablen Börsen-Dienstleister geformt hat. „Francioni muss es noch besser machen, dies wird von diesem Niveau aus schwierig“, sagt ein Insider. „Die Börse ist ja kein Notstandskandidat, bei dem das Steuer herumgerissen werden muss.“

Der neue Chef muss neue Felder für Wachstum auftun und über Übernahmen oder Fusionen die Börse nach vorne bringen. Francioni ist dies bewusst. Äußern möchte er sich vor seiner Ernennung aber nicht. Frankfurt allerdings hat er bei der Konsolidierung nur als Mitspieler, nicht als Standort im Auge. „Eine wirkliche europäische Börse, an der die Schweizer Börse mitmacht, wird es nur in London und nicht in Frankfurt oder Paris geben“, sagte er vor einem Jahr.

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