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Zeitverschiebung: Einige Vattenfall-Projekte, wie der Bau eines Biomasseheizkraftwerks im Märkischen Viertel in Berlin Reinickendorf (Foto), werden sich verzögern.

© Kai-Uwe Heinrich

Exklusiv

Berliner Klimapakt: Vattenfall verschiebt Kraftwerksbauten

Vor drei Jahren hatte Berlins größter Energieerzeuger Vattenfall einen Klimapakt mit dem Land Berlin beschlossen und dort neue Biomasse-Heizkraftwerke angekündigt. Dabei soll es nun Verzögerungen geben, erfuhr der Tagesspiegel. Am Klimaschutzziel für 2020 halte man aber fest, beteuert der Konzern.

Der Energiekonzern Vattenfall Europe will die vor knapp drei Jahren mit dem Land Berlin geschlossene Klimaschutzvereinbarung den heutigen Marktbedingungen anpassen. Einige in dem Vertrag konkret angekündigten Projekte kommen später oder anders als angekündigt. Das machte Rainer Knauber, Vattenfalls Generalbevollmächtigter für Berlin und die neuen Bundesländer, am Montag im Gespräch mit dem Tagesspiegel deutlich. „An dem Ziel, unseren Kohlendioxidausstoß in Berlin bis 2020 um die Hälfte gegenüber 1990 zu senken, halten wir aber uneingeschränkt fest“, sagte er.

Vattenfall-Chef Tuomo Hatakka und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) hatten im Oktober 2009 feierlich eine Energiepartnerschaft unterzeichnet, in der der Berliner Weg des Energieerzeugers bis zum Jahr 2020 skizziert wird. Der Vertrag sieht unter anderem einen Ausbau des Fernwärmenetzes und den Bau von Biomassekraftwerken vor. Mit derartigen Instrumenten soll Vattenfall den Ausstoß klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) in Berlin von 13,3 Millionen Tonnen (1990) auf 6,4 Millionen Tonnen im Jahre 2020 mehr als halbieren. Im Mittel der Jahre 2006 bis 2008, also kurz vor Abschluss der Vereinbarung, lag er bei 7,5 Millionen Tonnen. Nun also ringt Vattenfall darum, wie man diesen Wert noch einmal um 15 Prozent senken kann.

Wie es ursprünglich im Detail geplant war, geht es offenbar nicht. „Seit der Unterzeichnung 2009 hatten wir zwei Finanzkrisen, zwei Novellen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und einen Atomausstieg. Die Energiewelt ist heute eine völlig andere“, sagte Knauber.

Im Wesentlichen sind es vier Kraftwerksprojekte, mit deren Um- oder Neubau der Konzern die Senkung des CO2-Ausstoßes erreichen will. Eines davon ist der Bau eines hocheffizienten Biomasse-Heizkraftwerks im Märkischen Viertel, das in diesem Jahr ans Netz gehen sollte. Dies werde nun erst Mitte kommenden Jahres geschehen, kündigte Knauber an. Zweitens will Vattenfall das aus dem Jahr 1970 stammende Gaskraftwerk Lichterfelde am Ostpreußendamm erneuern. Dort stehe dem Termin 2016 nichts entgegen. Problematischer sieht es mit dem Ersatz für die Anlagen im Berliner Osten aus. Das Heizkraftwerk Marzahn sollte ebenfalls durch eine moderne Gas- und Dampfturbine aufgerüstet werden. Hier begannen im März erste Abrissarbeiten an der alten Anlage, allerdings wurde sich Vattenfall mit dem Lieferanten zentraler Komponenten nicht über den Preis einig. Hier rechnet Knauber nun mit einer Inbetriebnahme nicht vor 2018.

Größter Knackpunkt aber ist die Umgestaltung des Braunkohlekraftwerks Klingenberg an der Rummelsburger Bucht in Lichtenberg. Auch dort gab es schon vorbereitende Bauarbeiten für ein klimafreundliches Gaskraftwerk und zwei Biomasse-Heizkraftwerke an dem denkmalgeschützten Standort. Spätestens 2016, also in vier Jahren, sollte die Anlage Strom und Wärme liefern. Hier mag Knauber nur noch versprechen, dass es bis zum Jahr 2020 eine umweltfreundliche Anlage geben wird. Ob Klingenberg bis dahin nur mit Gas oder weiter mit Kohle betrieben wird, sei noch offen.

Formal mag Knauber nicht von einer Verzögerung sprechen. Die Planungen würden ja fortgesetzt. Allerdings betrachte er „die augenblickliche Wirtschaftlichkeit der beiden Biomasse-Kraftwerke mit Sorge“ und verwies auf eine Verschlechterung der Förderbedingungen im Erneuerbare-Energien-Gesetz. Die Vergütungssätze seien um mehr als die Hälfte gekürzt worden. Derzeit lohne sich eher der Bau sehr kleiner Anlagen.

Vattenfall hatte in dem Pakt auch zugesagt „innovative Technologien“ voranzutreiben: Etwa die Verbreitung intelligenter Stromzähler. Ein Pilotprojekt im Märkischen Viertel mit mehreren Tausend Haushalten laufe noch, allerdings beobachte man dort nicht so große Stromspareffekte wie erhofft. Auch den zugesagten Bau einer großen Fotovoltaikanlage sagte das Unternehmen in Abstimmung mit dem Land Berlin ab und beteiligte sich stattdessen an der angeschlagenen Solarfirma Soltecture – die jetzt insolvent ist.

Man werde an einigen Stellen andere Wege zu dem vereinbarten Klimaziel gehen müssen, sagte Knauber. In einigen Punkten habe man positive Erfahrungen gemacht – etwa beim zugesagte Ausbau des Fernwärmenetzes nach Spandau und Prenzlauer Berg. Auch das Projekt „virtuelles Kraftwerk“ gehe schneller als erwartet voran. „Wenn man sich anschaut, wie andere Konzerne seither reihenweise Kraftwerksprojekte absagen, ist es schon bemerkenswert, dass unser Vorstand die Planungen in Berlin bis 2020 fast unverändert weiterführt“, sagte Knauber.

Bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt sieht man das ähnlich. „Uns ist vor allem wichtig, dass das Klimaziel für 2020 eingehalten wird“, sagte Daniela Augenstein, Sprecherin von Senator Michael Müller, gestern. Im Jahr 2014 werde ein ausführlicher Zwischenbericht vorgelegt. Dann wisse man besser, ob das Ziel zu erreichen sei.

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