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Wirtschaft: Börsen unter Schock: "Es geht nicht um Geld, es geht um Menschenleben"

Es schien endlich wieder ein Börsentag zu werden, an dem die Kurse nach oben zeigten. Auch die Vorzeichen für die Wall Street waren am Dienstagmittag nicht schlecht.

Es schien endlich wieder ein Börsentag zu werden, an dem die Kurse nach oben zeigten. Auch die Vorzeichen für die Wall Street waren am Dienstagmittag nicht schlecht. Bis 14 Uhr 45 deutscher Zeit. Dann schlug die Nachricht von den Flugzeugattacken auf das World Trade Center in Manhattan an der Frankfurter Börse wie eine Bombe ein. Zuerst wollten die Börsianer die Meldung nicht glauben, die über ihre Bildschirme flimmerte. Dann stürzten die Kurse ab: Der Dax brach um rund 500 Punkte oder über zehn Prozent ein, nachdem der Aktienindex Dax zuvor noch mit 70 Punkten im Plus gelegen hatte.

"Raus aus Aktien", brüllt ein Börsianer, während immer mehr Fernsehteams auf das Parkett stürzen. "Wir stehen alle unter Schock", sagt Kursmakler Lothar Jaeger, der seine Erschütterung nicht verbergen kann. Lähmung, Fassungslosigkeit erfasst das gesamte Frankfurter Börsenparkett. Joachim Goldberg, Aktienanalyst und selten um ein Wort verlegener Börsenpsychologe, ringt sichtlich um Fassung: "Ich kann mich nicht an Vergleichbares erinnern."

Zum Thema Online Spezial: Terror gegen Amerika Fotos: Der Anschlag auf das WTC und das Pentagon Chronologie: Die Anschlagserie gegen die USA Reaktionen: Weltweites Entsetzen Hintergrund: Die schlimmsten Terrorangriffe auf Ziele der USA Überall hinter den Makler-Schranken sieht man aschfahle und bleiche Gesichter. Die Händler können nicht fassen, dass auch noch das Pentagon in Flammen steht, dass beide Türme des World Trade Centers einstürzen. "Wir machen so etwas immer am Einbruch der Kurse fest. Das ist etwas, was ich ums Verrecken hasse", sagt eine Maklerin. "Hier geht es nicht um Geld, hier geht es um Menschenleben. Ich bin erschüttert", sagt Kursmakler Rainer Roubal. Und Manfred Belger, seit 50 Jahren auf dem Parkett und einer der ältesten Börsianer in Frankfurt, kann sich nicht erinnern, schon einmal ähnliches erlebt zu haben. Ereignisse wie die Kuba-Krise oder der Irak-Krieg hätten sich angekündigt. "Aber solch eine Katastrophe!" Die Börsianer sagen es und zeigen unmissverständlich, dass es ihnen in diesem Moment um die Menschen geht. Und nicht um einen einzigen Euro.

Bei anderen mischt sich Erschütterung mit Wut. Wut darüber, dass es sich offenbar nicht um einen Unglücksfall handelt, sondern um einen Terroranschlag. "Jetzt müssen die Verantwortlichen im Nahen Osten endlich mit drastischen Konsequenzen bestraft werden", gibt sich einer erzürnt. Völlig schockiert ist Markus Stöppler, einer der jüngeren Aktienhändler. Er arbeitet für das britische Broker-Haus Cantor Fitzgerald. Und das hat ein großes Büro im World Trade Center mit mehreren hundert Mitarbeitern. Stöppler hatte kurz nach der Flugzeug-Attacke noch mit Kollegen in New York gesprochen, die das Gebäude zum Glück schon verlassen hatten. Aber jetzt? Ratlosigkeit, blankes Entsetzen spiegelt sich im Gesicht des Brokers.

Wütend sind die Makler und Händler am Nachmittag aber auch auf die Börsenleitung in Frankfurt, weil die Börse nicht geschlossen wird. Allein schon aus Pietät und Mitgefühl mit den Opfern. Dann jedoch versetzt eine Bombendrohung den Frankfurter Börsianern einen neuen Schock. Beide Gebäude der Börse werden vorübergehend geräumt. Der laut Polizei von einem Anrufer bei der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" genannte Zeitpunkt um 19 Uhr 20 verstreicht jedoch, ohne dass es zu einer Detonation kommt. Nach Angaben von Börsensprecher Frank Hartmann wird der Handel um 19 Uhr 15 geschlossen, 45 Minuten vor dem üblichen Börsenschluss. Vor dem Neubau der Deutschen Börse AG in Frankfurt-Hausen versammelten sich Angestellte, Händler und Putzkräfte, während die Polizei das Gebäude absucht.

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