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Wirtschaft: Brüssel prüft deutschen Gasprom-Deal

Die Milliardenbürgschaft für den russischen Energiekonzern hat für die Bundesregierung ein Nachspiel

Brüssel - Der Bundesregierung droht wegen der Milliardenbürgschaft für den russischen Energiekonzern Gasprom Ärger mit den Brüsseler Wettbewerbshütern. Wie das Handelsblatt aus Kreisen der EU-Kommission erfuhr, hat die Behörde in einem Schreiben an das Bundeswirtschaftsministerium Auskunft über die Umstände der Transaktion verlangt. „Wir wollen wissen, unter welchen Bedingungen eine solche Bürgschaft vergeben würde“, bestätigte ein Sprecher von EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes auf Anfrage. Es handele sich bei dem Schreiben um ein „formelles Auskunftsersuchen“, auf das die Kommission noch in dieser Woche eine Antwort aus Berlin erwarte, erklärte der Sprecher.

Regierungskreise rechnen damit, dass Kroes die Bundesregierung auffordern wird, die Bürgschaft in Brüssel anzumelden, falls der russische Energieriese das Angebot in Anspruch nehmen sollte. Insgesamt geht es um einen Kredit in Höhe von einer Milliarde Euro, den die bundeseigene KfW-Bankengruppe und die Deutsche Bank zugesichert haben. Die alte rot-grüne Regierung hatte für das Geschäft kurz vor dem Regierungswechsel im Herbst eine Bürgschaft versprochen. Mit dem Geld soll die umstrittene Ostsee-Gaspipeline finanziert werden, in deren Betreibergesellschaft mittlerweile Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) den Aufsichtsratsvorsitz übernommen hat.

Gasprom hatte kürzlich zwar erklärt, auf das Geschäft verzichten zu wollen. Die Deutsche Bank und die KfW versicherten jedoch, mit dem russischen Unternehmen weiterhin in Verhandlungen zu stehen. Am vergangenen Freitag lehnte ein KfW-Sprecher jede Stellungnahme zum Stand der Gespräche ab. Ein Sprecher von Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) bestätigte hingegen, dass das Bürgschaftsversprechen bis zum Ablauf dieses Jahres gelte.

Sollte Kroes sich in den Fall einschalten, wäre es das erste Mal, dass die EU Finanzinstrumente der Bundesregierung zur Absicherung von Auslandsgeschäften unter die Lupe nimmt. Bei dem Gasprom-Deal handelt es sich um einen so genannten ungebundenen Finanzkredit, für den keine Gegenleistung oder Sicherheit verlangt wird. Dieses Instrument wendet die Bundesregierung nur in seltenen Fällen an, wenn „nationale Interessen“ wie die Energieversorgung im Spiel sind. Zuletzt hatte Berlin im Jahr 1999 einer peruanischen Kupfermine eine Ausfallgarantie von 180 Millionen Euro gewährt. Das Geschäft war nicht in Brüssel angemeldet worden. Auch die beiden anderen Kreditlinien der Außenwirtschaftsfinanzierung – Hermes-Bürgschaft und Investitionsabsicherung – werden in der Regel nicht von der EU-Kommission genehmigt.

Jetzt könnte Wettbewerbskommissarin Kroes jedoch prüfen, ob der Deal mit Gasprom wettbewerbsverzerrende Beihilfeelemente enthält. „Staatliche Garantieerklärungen verbilligen in der Regel die Kreditfinanzierung um 0,5 bis 0,75 Prozentpunkte, weil das geldgebende Institut weniger Eigenmittel unterlegen muss“, erläutert der Brüsseler Wettbewerbsexperte Michael Schütte von der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer. Beihilfeempfänger sei somit die Deutsche Bank. Diese könne jedoch die Zinsvorteile vollständig oder teilweise an Gasprom weiterleiten.

Mittelbar könnte die Bürgschaft nach Ansicht Schüttes auch zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führen. Nämlich dann, wenn Gasprom beim Bau der neuen Ostseepipeline dank des günstig finanzierten Kredits EU-Konkurrenten aussticht.

Nach Angaben des Sprechers von Wirtschaftsminister Glos muss Gasprom bei Inanspruchnahme der Bürgschaft eine Gebühr von 100 Millionen Euro über zehn Jahre zahlen. Dies sei eine „marktgerechte Vergütung“. HB

Michael Scheerer

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