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Wirtschaft: Chaostage in Wolfsburg

Rätselraten um Pischetsrieders Abgang Streit um MAN soll ihn den Posten gekostet haben

Berlin - Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff machte am Mittwoch gute Miene zum verlorenen Spiel: In seiner Eigenschaft als VW-Aufsichtsrat lobte er den designierten VW-Chef Martin Winterkorn als „hervorragenden Vorstandsvorsitzenden“. Er sei „froh, dass jetzt nach vorne geguckt wird“, sagte Wulff in Hannover. Er selbst hatte den Noch-Vorstandsvorsitzenden Bernd Pischetsrieder stets gestützt und darüber hinaus versucht, mit Pischetsrieder zusammen gegen Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch zu taktieren. Das ging nach hinten los. Am Dienstag verständigte sich die Aufsichtsratsspitze „einvernehmlich“ mit Pischetsrieder über dessen Ausscheiden. Danach, so Wulff, werde Pischetsrieder dem Konzern „für weitere Aufgaben zur Verfügung stehen“.

Wie die aussehen, war am Mittwoch nicht zu ermitteln. Weder Volkswagen noch die VW-Tochter Audi und der VW-Großaktionär Porsche wollten sich äußern. Erst soll die Aufsichtsratssitzung am 17. November abgewartet werden, auf der voraussichtlich Winterkorn zum neuen Konzernchef bestellt wird. Damit bleiben auch die Konditionen des Ausscheidens von Pischetsrieder offen. Im vergangenen Jahr hatte der VW-Chef 2,8 Millionen Euro verdient, vermutlich wäre das in den kommenden Jahren nicht weniger gewesen. Falls ihm also der bis 2012 laufende Vertrag ausgezahlt wird, fällt für VW ein zweistelliger Millionenbetrag an.

Ausschlaggebend für den vorzeitigen Abgang war die Unzufriedenheit im Präsidium des Aufsichtsrats über Pischetsrieders Sanierungstempo. So sei er nicht entschieden genug gegen die Verluste in den USA und das Schwinden des Marktanteils in China vorgegangen, heißt es im VW-Umfeld. Auch seien in der Amtszeit Pischetsrieders zu wenig neue Modelle auf den Markt gekommen. Schließlich habe bei der geplanten Übernahme von Scania durch MAN, in der VW als Großaktionär von beiden Lkw-Bauern eine Schlüsselrolle zukommt, Pischetsrieder einen taktischen Fehler begangen, der ihm das Genick brach.

Gemeinsam mit Wulff soll Pischetsrieder versucht haben, MAN zu einer Beteiligung an VW zu überreden, um dadurch den Einfluss des derzeit größten VW-Aktionärs, Porsche, zu begrenzen. Verständlicherweise waren Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und Porsche-Miteigentümer Ferdinand Piëch darüber nicht begeistert. Da es bei den Vertretern der Arbeitnehmer seit langem Vorbehalte gegen Pischetsrieder gibt, hatte der in Wulff nur noch einen Fürsprecher und gab auf. Der Entscheidung für Winterkorn schloss sich dann auch Wulff an.

Über die Nachfolge Winterkorns bei Audi gab es am Mittwoch nur Mutmaßungen. Audi-Produktionsvorstand Jochem Heizmann ist ein Kandidat. Als eher theoretische Möglichkeit wird in der Branche ein Wechsel von VW-Markenvorstand Wolfgang Bernhard an die Audi-Spitze diskutiert. Aber es kann sich auch niemand vorstellen, dass Bernhard unter Winterkorn bei VW bleibt. Winterkorn gilt als Choleriker und Bernhard als Rabauke mit gelegentlich rüdem Umgangston. Gemeinsam mit dem heutigen Daimler-Chrysler-Chef Dieter Zetsche hatte sich Bernhard einen Namen gemacht bei der Restrukturierung von Chrysler. Womöglich holt Zetsche seinen alten Gefährten nun zurück zu Daimler.

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