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Wirtschaft: Comeback auf dem Laufsteg

Die italienische Modemarke Missoni hat sich verjüngt und ihren alten Kultstatus wiederbelebt

Von Cecile Rohwedder, Mailand

Gucci und Burberry haben es getan. Yves Saint Laurent ist kurz davor. Und auch weitere führende Modemarken der Welt tun es: Sie verpassen sich ein neues Aussehen. Aus verwelkten Schönheiten sollen wieder Trendsetter werden.

Eine der Marken ist Missoni. Der italienische Strickwarenhersteller genoss in den 60er und 70er Jahren Kultstatus. Das regenbogenfarbene Gewebe mit zickzackförmigen Muster trugen berühmte Menschen wie Jackie Kennedy. Dann aber kam eine Zeit, wo Missoni bei kleinen alten Damen beliebt war, die den klassischen Schnitten und der Qualität der Strickwaren treu blieben. Und in den 90ern sei die Mode schließlich so altbacken gewesen wie die Kunden alt, sagt Vittorio Missoni, der das Unternehmen gemeinsam mit seinen beiden Geschwistern leitet.

Das Unternehmen unterzog sich deshalb einer mutigen Verjüngungskur. Und ist heute wieder Kult. Missoni ist nicht nur bei modebewussten Frauen zwischen Mailand und Manhattan wieder in, sondern selbst bei Pop-Berühmtheiten wie Madonna.

Was ist das Geheimrezept für die Wiederbelebung einer Marke? Marken, die ein Comeback schaffen, halten sich meist an die gleichen Prinzipien: Übernimm die Produktion und den Vertrieb. Verringere gleichzeitig Lizenzen und Franchising. Und mache mehr Werbung. Betreibe eigene Läden und stelle eigene Produkte her. Mache sie besser als andere, aber nicht anders. Wenn Du ein gutes Produkt hast, ein bisschen Glück und das richtige Timing, hast Du gute Chancen auf ein erfolgreiches Comeback.

Das Schlüsselwort ist Kontrolle

Ein führender Modemacher fasst es so zusammen: „Die wichtigsten Accessoires in der heutigen Modewelt sind nicht eine Handtasche oder ein Paar Schuhe, sondern eine Produktionsfabrik", sagt Gildo Zegna, der Eigentümer des gleichnamigen italienischen Herrenmode-Herstellers. „Das Schlüsselwort ist nicht länger Design, sondern Kontrolle.“ Um eine Marke wiederzubeleben, müsse ein Modehaus die vertikale Integration vorantreiben oder zumindest die Produktions- und Vertriebskette genau überwachen, sagen Branchenführer.

So kommt es, dass sich nun Modehaus-Chefs genauso um jedes Detail kümmern, wie es einst die Unternehmensgründer taten. Das fiel dem heute 48-jährigen Vittorio Missoni und seinen Geschwistern nicht schwer: Sie haben in ihrer Kindheit in der Fabrik gespielt, die sie jetzt leiten. Ihre Eltern waren damals die Unternehmenschefs. Eine Herausforderung für die Missoni-Geschwister war es hingegen, die Marke moderner zu machen, ohne dem Modehaus die Seele zu nehmen. Dabei gingen sie offenbar streng nach Lehrbuch vor. Wichtig für das Gelingen ihres Projektes war außerdem, dass das Unternehmen in Familienhand ist und die Missonis das Familienerbe bewahren wollten. „Wir sind Produzenten, nicht Designer", sagt Vittorio Missoni, dessen Schwester Angela 1996 der kreative Kopf von Missoni wurde. „Letztlich entscheidet der Markt, ob man Designer ist. Wir selbst haben unserem Image nie den Rücken zugekehrt. Wir haben uns weiter auf das konzentriert, wofür wir bekannt waren und haben uns an die Einstellung unserer Eltern gehalten.“

Die Geschichte des Modehauses Missoni liest sich wie eine Geschichte der Familie Missoni. Neben wichtigen Meilensteinen der Unternehmenshistorie enthält die offizielle Missoni-Biografie die Geburtstage und Liebesgeschichte von Rosita und Ottavio Missoni. Die beiden begegneten sich 1948 bei den Olympischen Spielen in London. Rosita Missoni – damals in Großbritannien, um ihr Englisch aufzubessern – erlebte mit, wie Ottavio Missoni beim 400-Meter-Hindernislauf siegte und ins Finale einzog. Fünf Jahre später gründeten die beiden – inzwischen verheiratet – in einem Kellergeschoss mit zwei Nähmaschinen ein Unternehmen. Schon bald trug ihre Verbindung Früchte: Im Jahr 1960 erschienen die Kreationen des Paares in den ersten Modemagazinen. 1967 hatten sie ihre erste Modeshow im ehrwürdigen Palazzo Pitti in Florenz. Dabei erregten die Missonis weltweites Aufsehen. In der letzten Minute vor der Show war Rosita Missoni aufgefallen, dass die Unterwäsche der Models nicht zu den Kreationen passte. Sie schickte die Mädchen kurzerhand ohne Unterwäsche auf den Laufsteg. Was sie nicht wusste: Im Scheinwerferlicht wurden die Stoffe durchsichtig. Trotz des öffentlichen Aufschreis zogen die Missonis mit ihrer Kollektion nach Paris.

Kurz darauf erschien eine Missoni-Kreation auf dem Cover der französischen Ausgabe der Zeitschrift „Elle“. Und wenig später beschloss das amerikanische Kaufhaus Bloomingdale’s, eine Missoni-Boutique einzurichten. Der Missoni-Misch-Masch-Look war zum Symbol für die Mode der Hippie-Ära geworden.

Jahrzehnte später sah die Situation jedoch ganz anders aus. Modefans ließen Missoni links liegen. Sie verbanden die Strickwaren mit ihren Großmüttern. 1996 erkannte die Familie die Zeichen der Zeit und beschloss, Missoni zu modernisieren. Der erste Schritt der Verjüngung: Die Kinder von Rosita und Ottavio Missoni übernahmen das Unternehmen. Sie stellten Leute ein, renovierten die Geschäfte und eröffneten neue Läden in New York und Paris. Sie heuerten berühmte Werbefotografen an und erhöhten das Werbebudget um 30 Prozent. Und sie kauften die Missoni-Lizenzen zurück. Vor allem aber polierten die jungen Missonis die Kollektion auf, um jüngere, szenebewusstere Kunden anzusprechen.

Die Kreationen tragen noch immer die Missoni-Handschrift, aber die Schnitte sind sexy und die Farben aggressiver. Außerdem werden nicht mehr nur Strickwaren verkauft, sondern auch Bekleidung in Stoff und Leder.

Für manchen Missoni-Käufer war der Generations- und Stilwechsel ein regelrechter Schock. Langjährige Kunden vermissten die gemütlichen, konservativen Strickwaren. Vor allem in Asien blieben Stammkunden aus. Die Familie gab sich große Mühe mit Erklärungen und Werbung. Doch die ersten vier Jahre waren ein Kampf. „Wir wussten, dass es am Ende funktionieren würde", sagt Vittorio Missoni.

Was Missoni half, war die Zeit. Das Modehaus arbeitete an seinem Comeback zu einem Zeitpunkt, als der 70er-Jahre-Look mit seinen Stickwaren, bunten Farben und dem erdigen, kunsthandwerklichen Touch wieder angesagt war.

Dass die Wiederbelebung der Marke Missoni funktioniert hat, kann man auch an den Zahlen ablesen: Das Unternehmen will den Umsatz in diesem Jahr um zehn Prozent auf 70 Millionen Euro steigern. Das ist nicht wenig, wenn man bedenkt, dass der Umsatz noch bei 50 Millionen Euro lag, als die älteren Missonis das Unternehmen an ihre Bambini abgaben. Und der Aufwärtstrend hält an: Der Umsatz für die Frühjahrs- und Sommersaison 2003, die bereits geordert und verbucht ist, liegt um 15 Prozent höher als in diesem Jahr. Und das trotz der schwierigen Marktlage in vielen Teilen Europas und Asiens. Im New Yorker Missoni-Geschäft reißen Kunden Strickschals und -mützen nur so aus den Regalen, sagt Diane Levbarg, Executive Vice President von Missoni USA.

Aus der Strickwaren-Nische

Damit Missonis Stern oben bleibt, müsse das Unternehmen für immer seine Strickwarennische verlassen, sagen Beobachter, und die hohe Qualität von früher beibehalten, als Missoni-Klamotten noch Klassiker und nicht Kult waren. Aber fürs Erste hat die italienische Modemarke es geschafft.

Das Beispiel Missoni zeigt, wie Standardmethoden der Markenwiederbelebung auch aus der altmodischsten Familienmarke einen Modehit machen können – solange das Produkt ausgezeichnet ist und das Image sorgfältig gepflegt wird. Missoni sei streng nach Lehrbuch vorgegangen – sowohl bei der Markenverjüngung, als auch bei der Wahl der richtigen Strategie in der Luxusgüterbranche, sagt Aaron Fischer, ein Branchenanalyst von Goldman Sachs in London. „Die Leute denken, es geht um Mode, aber es geht nur um die Kontrolle von Produktion und Vertrieb."

Cecile Rohwedder[Mailand]

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