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Wirtschaft: Das Geld wird teurer – zu teuer?

Die Europäische Zentralbank erhöht die Zinsen zum siebten Mal in Folge. SPD und Gewerkschaften halten das für falsch

Frankfurt am Main/Berlin - Trotz scharfer Kritik hat die Europäische Zentralbank (EZB) am Donnerstag die Zinsen erhöht. Der sogenannte Leitzins stieg um 0,25 Punkte auf 3,75 Prozent – das ist das höchste Zinsniveau seit fünfeinhalb Jahren. Der Leitzins bestimmt den Satz, zu dem sich Geschäftsbanken in der Euro-Zone Geld bei der EZB leihen können und reguliert so indirekt auch die Kreditvergabe an Unternehmen und Verbraucher (siehe Kasten). Mit der Erhöhung will die EZB Inflationsgefahren vorbeugen. Kritiker fürchten dagegen, dass der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland durch höhere Zinsen gebremst wird, weil die Unternehmen weniger auf Pump investieren.

EZB-Präsident Jean-Claude Trichet begründete die siebte Zinserhöhung seit Dezember 2005 mit dem starken Wachstum der Geldmenge und der Kreditvergabe an Privathaushalte. Er verwies auch auf den möglicherweise wieder steigenden Ölpreis, höhere Steuern und Abgaben sowie die Gefahr überzogener Lohnabschlüsse. „Die EZB wird die anstehenden Lohnverhandlungen sehr genau beobachten“, sagte Trichet. Am Donnerstag eröffnete die Chemie die Lohnrunde mit einem Abschluss von 4,3 Prozent.

Trichet deutete an, dass in den nächsten Monaten ein weiterer Zinsschritt folgen könnte. Entschlossenes und rechtzeitiges Handeln bleibe weiter geboten. Das Zinsniveau sei noch immer moderat. Experten rechnen deshalb mit einem weiteren Zinsschritt auf vier Prozent im Juni.

Der Direktor des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, warnte vor einer übertriebenen Erhöhung: „Vier Prozent, dann ist es aber auch gut“, sagte Hüther in Berlin. Die Argumentation der EZB komme ihm vor „wie aus einer vergangenen Zeit“, kritisierte Hüther. Die Inflationsgefahr sei gering, „und wir haben auch keinen Druck durch steigende Lohnstückkosten.“

Noch deutlicher wurden die Gewerkschaften. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte die Zinserhöhung unvernünftig. In diesem Jahr werde eine geringere Inflation erwartet, es bestehe daher keine Notwendigkeit, an der Zinsschraube zu drehen. In der Tat geht die EZB in ihrer neuesten Prognose dank der sinkenden Ölpreise nur noch von einem Preisauftrieb von 1,8 Prozent in diesem Jahr aus. Das liegt exakt im Zielkorridor der Währungshüter, die eine Inflation von knapp unter zwei Prozent anstreben.

Ungewöhnlich scharfe Kritik kam aus der Politik: „Das ist Mist“, sagte der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Ludwig Stiegler, dem Tagesspiegel. Die Zinserhöhung sei ein „fahrlässiger Umgang mit den Perspektiven der europäischen Wirtschaft, mit dem Mittelstand und mit den Arbeitsplätzen“. Er halte die Entscheidung für falsch, sagte Stiegler, gerade in einer Phase, in der man nicht wisse, wie sich die Turbulenzen an den Börsen auswirkten.

SPD–Fraktionsvize Joachim Poß warf der EZB vor, sie gehe bewusst Konjunkturrisiken ein. „Das ist nicht in Ordnung“, sagte Poß. Die Zinserhöhung könne nicht nur zu teureren Krediten für Konsum und Investitionen führen. Sie verstärke auch den Druck auf den US-Dollar. „Negative Auswirkungen auf die für die Konjunktur so wichtige Exportwirtschaft hat dann die EZB zu vertreten“, sagte Poß.

Auch der wirtschaftspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Wend, kritisierte die Entscheidung: „Mir wäre es lieber gewesen, die EZB hätte auf die Erhöhung verzichtet“, sagte Wend dem Tagesspiegel. „Wir sind in einer Aufschwungphase; da wäre Rückenwind durch niedrige Zinsen besser als das, was die EZB gemacht hat.“ Trotzdem sehe er den Aufschwung nicht gefährdet. Die EZB ist für das Wachstum in der Eurozone dagegen optimistischer geworden: Statt 2,4 Prozent für 2007 und 2,3 Prozent für 2008 erwarten die Notenbanker jetzt 2,5 Prozent in diesem und 2,4 Prozent im kommenden Jahr.

Unterstützung bekam die EZB von den deutschen Banken. Bei einem Wirtschaftswachstum von zwei Prozent sei ein Zins von 3,5 bis vier Prozent gerechtfertigt, sagte Manfred Weber, Geschäftsführer des Bankenverbands. Auch der Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Axel Nitschke, nannte die Entscheidung der EZB „nachvollziehbar“. Die Mehrwertsteuererhöhung habe zu einem Auftrieb der Verbraucherpreise geführt. Dem müsse die EZB entgegensteuern.

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