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Die Stimmung kippt. Nicht nur an der Wall Street sind die Geldhäuser ins Visier der neuen Protestbewegung geraten. Foto: Reuters

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Wirtschaft: Das höchste Risiko

Nach dem Absturz der Bankaktien sollten Schnäppchenjäger vorsichtig sein

Elf Milliarden Euro an frischem Kapital hat die Commerzbank in diesem Frühjahr eingesammelt. In der Bilanz steht das Eigenkapital mit rund 25 Milliarden Euro zu Buche. Das Kreditinstitut beschäftigt gut 52 000 Menschen in mehr als 1500 Filialen. Das operative Geschäft brummt. Doch die Anleger interessiert das nicht. Bei einem Aktienkurs von etwa 1,60 Euro ist die zweitgrößte deutsche Bank nur gut acht Milliarden Euro wert.

Der Grund: Die Commerzbank hält über ihre Tochter Eurohypo, einen Staats- und Unternehmensfinanzierer, unter anderem griechische Anleihen im Nominalwert von knapp drei Milliarden Euro. Doch die Aktie ist in bester Gesellschaft. Nahezu alle europäischen Banken notieren derzeit bei einem Bruchteil ihres Buchwerts. Die Börse glaubt also, dass keine Bank in Europa derzeit mindestens so viel wert ist wie das in der Bilanz aufgelistete Vermögen. Das operative Geschäft, das Geschäftsmodell, Kundenbeziehungen, Zukunftschancen bewerten die Anleger mit null. Dahinter steht die Angst, die Schuldenkrise in Südeuropa könnte von Griechenland aus weitere Länder anstecken und italienische, spanische oder französische Geldhäuser in Mitleidenschaft ziehen. Was früher als sicher galt, ist zum hohen Risiko mutiert.

Europas Bankenindex ESTX Banks belegt das Ausmaß des Problems: 2007 noch bei 540 Punkten kippte der Index kürzlich bis auf 120 Punkte ab, also fast auf das Niveau nach der Pleite der US-Bank Lehman Brothers. Derzeit notiert er bei 138 Punkten, einem Jahresminus von 37 Prozent. Die Commerzbank hat seit Oktober 2010 gar knapp 70 Prozent verloren und damit deutlich mehr als Europas Großbanken: Die BNP Paribas büßte 43 Prozent ein, die Société Générale und Lloyds 55, die Banco Santander 36, die Schweizer UBS und die britische Barclays knapp 40, die Deutsche Bank 36 Prozent. Deutlich besser stehen skandinavische Banken da oder Finanzinstitute mit starkem Standbein in Asien, etwa die britische HSBC, die nur 21 Prozent binnen Jahresfrist verlor.

Seitdem der Gesamtmarkt sich wieder erholt und Schnäppchenjäger angelockt hat, stellt sich die Frage: Sind Kursverluste von 40, 60 oder gar 70 Prozent und mehr in den vergangenen fünf Jahren genug? Sind Bankaktien auf diesem Niveau möglicherweise wieder einen Blick wert? „Der Sektor birgt wohl die höchsten Risiken aller Branchen“, befürchtet Tom Friess, Vermögensverwalter beim Schweizer VZ Vermögenszentrum. Weil sich die Entwicklung der Staatsschuldenkrise und ihrer Auswirkungen auf die Kreditgeber, also vor allem Banken und Versicherungen, derzeit kaum vernünftig beurteilen ließen, regierten Angst, Fantasie und Panik. Dennoch glaubt Friess, dass es „den weitaus meisten Banken gelingen wird, zu überleben und sich anzupassen“. Langfristig ist der Vermögensberater, der in seinen Portfolios derzeit nur wenige Bankwerte hält, sogar optimistisch: „Ich bin überzeugt davon, dass Bankaktien bei einem Anlagehorizont von über fünf Jahren derzeit eine gute Kaufgelegenheit bieten.“ Wer als Privatanleger an Bankaktien interessiert sei, solle jedoch besser auf einzelne Titel oder regionale Einschränkungen verzichten und einen passiven (ETF) oder aktiven Fonds mit breiter Aufstellung kaufen. Fast alle Fondsgesellschaften und auch die großen Anbieter von passiven Exchange Traded Funds, etwa Lyxor, iShares oder db x-trackers, haben spezielle Banktitel in ihren Portfolios.

Kurz- und mittelfristig überwiegt indes selbst bei Bank- Analysten oft die Skepsis. In einer Branchenstudie zu Europas Banken sah Jernej Omahen von Goldman Sachs jüngst weiter turbulente Zeiten voraus: Der Analyst befürchtet, dass manche Bank ohne Kapitalerhöhung und höhere Kernkapitalquote in Liquiditätsnöte geraten könnte. Dennoch macht Omahen Gewinne am Horizont aus: Er senkte das Kursziel für die Deutsche Bank zwar, doch mit 39 Euro winken bei einem aktuellen Kurs von knapp 27 Euro noch satte 44 Prozent Plus. Umgekehrt stufte die Deutsche Bank zwar gerade die größte französische Bank, die BNP Paribas, von „kaufen“ auf „halten“ zurück, doch das Kursziel steht bei 46 Euro. Aktuell notiert das Papier bei gut 31 Euro. Am Mittwoch gab eine Studie der Crédit Suisse den Aktien der Deutschen Bank und von Barclays Rückenwind. Die Schweizer setzten die beiden Institute auf ihre Favoritenliste, wobei die Deutsche Bank das Urteil „outperform“ mit einem Kursziel von 35 Euro erhielt (aktuell: 27,70 Euro).

Nach Meinung der Analysten des Platow Briefs werde die größte deutsche Bank kommende Woche zudem mit guten Nachrichten positiv überraschen: Der Jahresgewinn werde voraussichtlich bei acht Milliarden Euro liegen, also 400 Millionen höher als erwartet. Offensichtlich erleichtert kauften Anleger die Aktie, die um mehr als fünf Prozent stieg.

Gleichzeitig sind sich Banken, Bankenaufsicht und Bundesbank einig: Griechenland ist nicht das Problem. Selbst eine griechische Pleite beziehungsweise ein sehr hoher Schuldenschnitt von etwa 60 Prozent würde die deutsche Bankenlandschaft nicht zum Zittern bringen. Auch in Frankreich, wo einzelne Banken deutlich höhere Griechenland-Pakete halten, gilt dies: Nach Auskunft des französischen Notenbank-Chefs Christian Noyer stehen acht Milliarden Euro an griechischen Anleihen Bank-Gewinnen von elf Milliarden Euro allein im ersten Halbjahr gegenüber. Die Fakten in Deutschland: Alle deutschen Banken und ihre Auslandstöchter hielten, so die Bundesbank, Ende Juli insgesamt 22,8 Milliarden Euro Kredite an öffentliche griechische Schuldner in ihren Portfolios. Allein gut acht Milliarden davon sind Teil des europäischen Hilfspakets an Athen vom Mai 2010, das die öffentliche KfW-Bankengruppe hält, für das jedoch der Staat gebürgt hat.

Der Indexanbieter Stoxx scheint trotzdem davon auszugehen, dass in Zeiten von „Occupy Wall Street“ Bankaktien weiter Mauerblümchen bleiben könnten. Gerade hat das Unternehmen einen Aktienindex „ex banks“, also ohne Banken, aufgelegt. Dies wäre ohne entsprechende Nachfrage sicher nicht geschehen.

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