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Wirtschaft: Das Tetris-Spiel als Blaupause

Der Architekt Hans Zwimpfer bringt in einem Baukörper Geschosswohnungen mit verschiedenen Raumhöhen unter – und hat sich das patentieren lassen

Markenbildung im Wohnungsbau? Die Frage ist neu gestellt. Kann das gehen und welchen Sinn und Zweck könnte das haben? Bei Fertighäusern scheint die Sache klar: In Serie produzierte Familienheime gibt es. Da ist ein Label hilfreich. Aber wie ist das mit individuell gebauten Häusern? Oder gar beim Geschosswohnungsbau? Der Basler Architekt Hans Zwimpfer war wohl einer der Ersten, die auf die Idee kamen und ihre Realisierung auch in Angriff nahmen. Er entwickelte ein Konzept für ein Wohnhaus mit gestaffelten Wohnungen, das er als Marke und als seine Erfindung mit einem Patent schützen ließ. Die von ihm mit gegründete Entwicklungs- und Bauträgergesellschaft Zapco LTD entwickelt und vermarktet das Konzept und vergibt Lizenzen.

Immobilien als Geldanlage, Lebensabschnittswohnen auf Zeit, Mobilität, häufigere berufsbedingte Wohnungswechsel – die sich verändernden Lebensentwürfe führen dazu, dass Wohneigentum nicht mehr für ein ganzes Leben erworben und möglichst noch vererbt wird. Wohnraum wird häufiger gewechselt, veräußert und wandelt sich in der Anschauung der Besitzer zum Gebrauchsgegenstand. Zwimpfer hat auch die Familienhausbesitzer im Auge, die nach dem Auszug der Kinder nicht mehr ein zu großes Haus im Grünen bewohnen wollen und Wohneigentum in der Stadt anstreben, ein zunehmender Markt, wie er findet.

Wenn die Wohnung jedoch zur Ware wird, ist der Schritt, diese Ware professionell als Handelsgut zu vermarkten, nur folgerichtig. Um die Produkte als Markenartikel zu positionieren, müssen einige Voraussetzungen erfüllt werden. Sie müssen wiedererkennbar sein, sie müssen signifikante Eigenschaften haben. Ein Image muss geschaffen werden und damit die Möglichkeit, dass sich der Markenname mit einer Vorstellung verbindet. Mit „Pile Up“ begannen die Architekten 2008 das Unterfangen Markeneinführung, 2011 kam „Stack Up“ hinzu, „Heap Up“ ist der jüngste Spross der bautypologischen Familie. Die englischen Begriffe bedeuten jeweils „stapeln“ und geben einen Hinweis auf das Produkt. Es geht den Architekten um das Wohnen in der Stadt, es geht um städtebauliche Verdichtung, um Stadtraum statt Flächenverbrauch. Es geht ihnen aber auch um den Raum innerhalb der Wohnung, und das ist das ungewöhnliche an „Stack Up“. Es werden nicht einfach Wohnflächen gestapelt wie im normalen Geschosswohnungsbau, sondern die einzelnen Räume der Wohnungen haben unterschiedliche Raumhöhen und sind nach einem geschickten System zu einem Hauskörper verschachtelt, was man sich wie ein Tetris-Spiel vorstellen kann.

Das Prinzip ist sicher nicht ganz neu und geht mindestens auf Le Corbusier zurück. Doch in dieser Konsequenz und Variabilität wird es selten eingesetzt. Immerhin gibt es Wohnungen mit vier verschiedenen Raumhöhen, von der lichtdurchfluteten Wohnhalle an der Südseite bis zum intimen Kämmerlein. Durch den zweigeschossigen Lichteinfall sind die Wohnungen bis in große Tiefe natürlich belichtet und so sind 22 Meter Gebäudetiefe möglich, auch dies ein gewichtiger Faktor räumlicher Verdichtung. Jeder Käufer kann den Zuschnitt der Wohnung selbst bestimmen, von der konventionellen Zimmerwohnung bis zum offenen Loft. Nur wenige Fixpunkte der Installation und des Tragwerks sind unverrückbar. 42 2 ½- bis 4 ½-Zimmerwohnungen von 82 bis 300 Quadratmeter plus 16 Quadratmeter Außenraum sind als „Stack Up“ realisiert worden. Manche Käufer haben gleich zwei Einheiten erworben und zusammengefasst. Vom System „Pile Up“ gibt es inzwischen 88 Einheiten, Wohnungen sind von 110 Quadratmetern an zu haben. Mit diesen Möglichkeiten und Standards schafft man es, Menschen in innerstädtische Lagen zu holen, die sonst ein Einfamilienhaus vorziehen würden.

Durch das „Tetris-Prinzip“ und weitere gestalterische Elemente hat sich auch ein ästhetischer Standard herausgebildet. „Pile Up“ & Co. werden wiedererkannt. Nur Stütze und Balken als schmale, gleich breite Wandstreifen gliedern die ansonsten voll verglaste Südseite und zeichnen ein grafisch eindrucksvolles Bild von zeitloser Attraktivität, das die Sehgewohnheiten von Geschosswohnungsbau aufhebt und sich wunderbar vermarkten lässt. Doch die Zapco-Architekten wollen die Marke zudem mit einem gehobenen Qualitätsstandard verknüpfen. Ähnlich wie beim Serienauto bringt die größere Stückzahl mit sich, dass das Produkt perfektioniert wird, dass die Bautechnik beherrscht wird und dass ein hoher Grad an Vorfertigung und Rationalisierungseffekte den Preis moderat halten. Mit 3200 bis 3400 Euro pro Quadratmeter erwiesen sich beispielsweise die 42 Wohnungen eines Projekts im Schweizer Teil Rheinfeldens bei Basel als marktgängig und waren ohne Marketinganstrengung sofort verkauft. Mittlerweile genügt die Mundpropaganda der zufriedenen Wohnungsinhaber, weitere Objekte zu vermarkten. Als „für Anleger besonders interessant“ beurteilt zum Beispiel das Schweizer Anlagemagazin „Stocks“ die Architektur angesichts der hohen Kosteneffizienz und erwartet mittelfristig eine hohe Wertsteigerung. Es ist allerdings ein Problem, im Dreiländereck geeignete Grundstücke zu finden. Projekte in anderen Städten zeigen, dass die Marke nicht ortsgebunden ist. Erste Bauvorhaben in Deutschland und im Tessin werden mit ortsansässigen Kontaktarchitekten betrieben. „Pile Up“ ist patentgeschützt und wird in einer Art Franchiseverfahren weitergegeben. Zapco steuert 20 Prozent der Planungsarbeit bei, erhebt eine Lizenzgebühr und achtet auf die Qualitätssicherung.

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