zum Hauptinhalt
Unaufhaltsam schreitet er voran, der demografische Wandel. Die Politik appelliert an die älteren Generationen, das Leben nach 60 nicht nur als Ruhestand zu begreifen.

© dpa

Demografischer Wandel: Schröder betont Verantwortung der Älteren

Beim Berliner Demografieforum vergleicht Allianz-Chef Diekmann die alternde Gesellschaft mit dem Klimawandel. Familienministerin Schröder wirbt für die Idee der Großelternzeit.

Die Jungen sollen liefern. Mehr Kinder sollen das Schrumpfen der Bevölkerung verlangsamen und langfristig stoppen. Gleichzeitig sollen in Familien möglichst beide Elternteile arbeiten, um den Facharbeitermangel in der Wirtschaft zu mildern. Doch damit allein werden alternde Gesellschaften wie die deutsche ihr Demografieproblem nicht in den Griff bekommen, glaubt Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU). „Gesellschaftlicher Fortschritt braucht beides: das Erfahrungswissen der Älteren und den Pioniergeist der Jüngeren“, sagte sie am Mittwoch auf dem zweiten Berliner Demografieforum.

In den kommenden Jahrzehnten wird die Bevölkerung hierzulande massiv schrumpfen. Von derzeit knapp 82 Millionen sinkt sie nach unterschiedlichen Szenarien des Statistischen Bundesamtes bis zum Jahr 2060 auf 65 bis 70 Millionen. Selbst bei einer steigenden Geburtenrate und hoher Zuwanderung rechnen die Statistiker mit maximal 77 Millionen Menschen, die in 50 Jahren in Deutschland leben. Gleichzeitig nimmt der Anteil Älterer an der Gesamtbevölkerung zu. So müssen immer weniger junge Menschen die Renten von immer mehr älteren Menschen finanzieren.

„Das Thema Demografie muss genauso wie der Klimawandel dauerhaft in der Diskussion der internationalen und der nationalen Politik verankert werden“, forderte Allianz-Chef Michael Diekmann. Der Finanzkonzern ist Mitveranstalter des Demografieforums. Als Anbieter privater Altersvorsorge liegt dem Unternehmen das Thema verständlicherweise am Herzen. So bereiten den Versicherungen die dauerhaften Niedrigzinsen große Probleme, weil sie die Garantieverzinsungen der vielen Millionen privaten Altersvorsorgeverträge beeinträchtigen könnten. Diekmann betonte jedoch ausdrücklich die gesamtgesellschaftliche Bedeutung. „Wir müssen jetzt handeln. Denn wie beim Klimawandel wird es schmerzhafter, je länger wir warten.“ In den vergangenen zwölf Monaten habe das Thema bereits „Fahrt aufgenommen“. Das zeigten die politischen Debatten über Altersarmut, Eltern- und Betreuungsgeld.

Ministerin Schröder appellierte an die älteren Generationen, das Leben nach 60 nicht nur als Ruhestand zu begreifen. Dies sei gesellschaftlich und wirtschaftlich kontraproduktiv. Sie verwies auf den Erfolg des Bundesfreiwilligendienstes, der an die Stelle des ausgesetzten Wehr- und Zivildienstes getreten ist. Inzwischen gebe es sogar Wartezeiten, weil sich so viele freiwillig zum Beispiel in Altenheimen engagieren wollten. Jeder fünfte „Bufdi“ sei älter als 50. Zudem werde das Potenzial von Großeltern in der Betreuung ihrer Enkel „chronisch unterschätzt“. Jede zweite Oma oder Opa beteilige sich bereits regelmäßig, um die Eltern zu entlasten. In diesem Zusammenhang verwies sie auf ihre Initiative zur „Großelternzeit“, mit der berufstätige Omas und Opas einen Teil der Elternzeitansprüche ihrer Kinder auch finanziell in Anspruch nehmen könnten. Mehr als eine Theorie ist das bislang nicht – und dürfte es im Wahljahr auch nicht werden.

Lob bekam die Ministerin dennoch. Die Idee sei gut, sagte Yves Leterme, stellvertretender Generalsekretär der OECD. Eine deutsche Erfindung ist sie jedoch keineswegs. In Russland und Tschechien könnten Großeltern bereits staatliche Hilfen in Anspruch nehmen, die eigentlich für Eltern gedacht gewesen seien, sagte Leterme. Und in Australien gebe es bereits eine Großelternzeit, die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stärke. Ohnehin könne Deutschland von Australien lernen. Dort gebe es seit zehn Jahren einen Regierungsbericht zum Zusammenleben der Generationen, sagte der Vertreter der Wirtschaftsorganisation. Deutschland altere von den führenden Industriestaaten der Welt mit am schnellsten. Eine politische Strategie reiche also nicht aus – sie müsse auch umgesetzt werden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false