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Spontan und locker. „Ich bin Eva-Lotta“, hatte Sjöstedt zum Amtsantritt gesagt und in der Filiale an der Berliner Schloßstraße fröhlich die Kollektion durchprobiert.

© Thilo Rückeis

Der kurze Auftritt der Eva-Lotta Sjöstedt: Vorwürfe gegen Nicolas Berggruen

Sie sollte für einen Neuanfang bei Karstadt stehen. Nun wirft Eva-Lotta Sjöstedt nach nicht einmal fünf Monaten als Chefin hin. Die Schuld daran gibt sie Nicolas Berggruen.

Von Maris Hubschmid

Berlin - Es ist der Abgang einer Hoffnungsträgerin, ein Schock für die rund 17 000 Beschäftigten und vielleicht die Besiegelung dessen, was viele längst denken: dass nichts mehr zu retten ist in diesem Konzern.

Eva-Lotta Sjöstedt, seit Ende Februar im Amt der Karstadt-Geschäftsführerin, schmeißt nach nicht einmal fünf Monaten an der Spitze der Kaufhauskette hin. Der Mangel an Unterstützung lasse ihr keine Wahl, beklagt sie in einem Erklärungsschreiben sinngemäß.

Nicht verbiegen lassen wollte sich die 47-Jährige, das machte sie zu Beginn ihrer kurzen Karriere bei Karstadt deutlich. Das Unternehmen in schwedisch-lockerer Manier führen, für flache Hierarchien eintreten, die Mitarbeiter einbeziehen. Ihre „positive, offene Art“ habe die Beschäftigten motiviert, verlautet aus dem Betriebsrat. Sjöstedt war vom Möbelhauskonzern Ikea abgeworben worden, wo sie unter anderem das Onlinegeschäft verantwortete. Das wollte sie auch bei Karstadt ausbauen. Außerdem plante sie, die Standorte stärker regional auszurichten. Schon vor ihrem offiziellen Amtsantritt besuchte sie 47 der insgesamt 83 Filialen, nahm fast täglich Deutschunterricht. Sie wollte ihre Tochter aus Kopenhagen nachholen, sobald diese die Schule beendet hat. „Ich habe vor, lange zu bleiben“, hatte Sjöstedt gesagt.

Berggruens Versprechen währten nicht lange

Viel Kompetenz hatte ihr der Aufsichtsrat bei der Verkündung der Personalie attestiert. Kritische Stimmen warnten damals, sie überschätze ihre Möglichkeiten. Er bezweifle, dass die Investoren Nicolas Berggruen und René Benko bereit seien, „das notwendige Geld zu geben – deutlich über eine Milliarde Euro“, sagte etwa Gerrit Heinemann, Handelsexperte der Hochschule Niederrhein, dem Tagesspiegel.

Nach Mitarbeiterangaben steht Karstadt wirtschaftlich weiter mit dem Rücken zur Wand. Im April hatte Sjöstedt noch eine erste positive Meldung verkündet: In den ersten sechs Monaten des seit Oktober laufenden Geschäftsjahrs seien 28 Millionen Euro an „Einsparungen und Ertragsverbesserungen“ verzeichnet worden. Allerdings hatte Karstadt 2011/12 gut 158 Millionen Euro Verlust gemacht, auch im Folgejahr die Trendwende verfehlt.

Nicolas Berggruen nehme den Konzern aus, solange es geht – dieser Eindruck festigt sich bei vielen Branchenbeobachtern. „Berggruen hat Sjöstedt offensichtlich viel versprochen, aber wenig gehalten. Das wirft die Frage auf, mit welcher Ernsthaftigkeit er als Investor noch hinter Karstadt steht“, sagt Handelsfachmann Thomas Roeb von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Für einen symbolischen Euro hatte der Investor das marode Unternehmen 2010 nach der Insolvenz von Arcandor, ehemals Karstadt Quelle, übernommen. Die Luxuskaufhäuser KaDeWe, Oberpollinger in München und Alsterhaus in Hamburg und die Sportkaufhäuser veräußerte er später an den österreichischen Investor René Benko für 300 Millionen Euro. Die Marke Karstadt kaufte Berggruen gesondert zum Preis von fünf Millionen Euro. Und lässt sich das seither offenbar gut bezahlen: Zwölf Millionen Euro würden ihm jährlich für die Nutzung aus dem Unternehmen überwiesen, hieß es unlängst in einem Bericht der „Bild“.

Die Mitarbeiter erfuhren es per E-Mail

Die Mitarbeiter erreichte die Nachricht von Sjöstedts Rücktritt um kurz vor elf am Montag per Mail. Karstadts Gesamtbetriebsratsvorsitzender Hellmut Patzelt zeigte sich entsetzt. Das sei eine schlechte Entwicklung für die Beschäftigten und das Unternehmen. Er forderte von der Geschäftsführung „rasche Informationen über die Hintergründe“. „Die Eigentümer müssen endlich ihre Pläne für die Zukunft auf den Tisch legen“, sagte Stefanie Nutzberger aus dem Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi.

Die Angst im Unternehmen ist groß: Sjöstedts Versprechen, keine Kaufhäuser zu schließen, ist nun nichts mehr wert. Interimschef Kai-Uwe Weitz hatte in einem Tagesspiegel-Interview bereits Anfang des Jahres erklärt, es gebe „keine Standortgarantie“. Der Arbeitsdirektor und Personalchef soll nun gemeinsam mit Finanzchef Miguel Müllenbach erneut die Geschäfte leiten, bis ein Nachfolger für Sjöstedt gefunden ist. Schon ihr Vorgänger, der Brite Andrew Jennings, hatte seinen Vertrag im Sommer 2013 nicht verlängern wollen. „In der gegenwärtigen Situation dürfen wir uns durch personelle Veränderungen nicht bremsen lassen“, kommentierte der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Stephan Fanderl, am Montag.

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