zum Hauptinhalt
Zweifel an den Selbstheilungskräften des Marktes. Papst Franziskus fordert strengere Regulierung und harte Sanktionen bei Verstößen.

© REUTERS

Kapitalismuskritik: Der Papst knöpft sich die Spekulanten vor

Der Vatikan geißelt in einem Grundsatzpapier Unmoral und Bereicherung in der Finanzwelt – und appelliert an die Vernunft der Konsumenten.

Papst Franziskus geht mit der Finanzwelt und den Regierungen hart ins Gericht: Aus der Krise des globalen Geldsystems vor zehn Jahren hätten sie keine Lehren gezogen, heißt es in dem am Donnerstag vorgestellten vatikanischen Dokument mit dem Titel „Oeconomicae et pecuniariae questiones“ (Wirtschafts- und Finanzfragen). Statt eine gerechtere Wirtschaft aufzubauen, so Franziskus weiter, herrsche immer noch Unmoral.

Geschrieben wurde das Grundsatzpapier nicht vom Papst persönlich, sondern von der Glaubenskongregation und dem Amt (Dikasterium) für ganzheitliche Entwicklung – unter Mitwirkung externer Wirtschafts- und Finanzexperten. Das Schreiben richtet sich an Führungskräfte in Unternehmen, an die Akteure an den Finanzmärkten, aber auch an die Politik und an jeden Einzelnen. Im Zentrum jeder wirtschaftlichen Tätigkeit müssten der Mensch und das Gemeinwohl stehen, nicht einzig und allein der Profit, so lautet die Grundforderung.

Keine Lehren aus der Finanzkrise

Das Dokument liest sich wie eine Abrechnung mit den Auswüchsen einer außer Kontrolle geratenen Finanzwirtschaft. Credit Default Swaps, Fixings, Schattenbanken und Offshore-Geschäfte: Dies alles diene in erster Linie dem Profit weniger Personen auf Kosten der Allgemeinheit, lautet der Tenor. Die Finanzindustrie und die Banken seien aufgrund ihrer Macht zu einem Ort geworden, „wo Egoismen und Missbräuche ein für die Gemeinschaft zerstörerisches Potenzial entfalten, das seinesgleichen sucht“.

Die Finanzkrise hätte die Gelegenheit bieten können, eine neue Wirtschaft zu schaffen, die größeren Wert auf ethische Prinzipien legt und die Finanzgeschäfte neuen Regelungen unterwirft, um Ausbeutung und Spekulation zu unterbinden, schreiben die Autoren. Diese Chance sei verpasst worden: „Manchmal hat es sogar den Anschein, als wäre ein oberflächlicher, kurzsichtiger Egoismus zurückgekehrt, der das Gemeinwohl missachtet und nicht daran interessiert ist, Wohlstand zu schaffen und zu verbreiten oder ausgeprägte Ungerechtigkeiten zu beseitigen.“

Menschen würden wie "Abfall" behandelt

Während sich Finanzjongleure, Spekulanten und Steueroptimierer bereicherten, werde gleichzeitig der „Wohlstand eines Großteils der Männer und Frauen unseres Planeten aufs Spiel gesetzt“. Mehr und mehr Menschen würden an den Rand gedrängt, „ja sogar von Fortschritt und von wirklichem Wohlstand ausgeschlossen und wie ,Abfall’ behandelt“, heißt es.

Große Zweifel hat der Vatikan an der These, der Markt werde es schon richten. Weil spekulative und intransparente Finanzgeschäfte ganzen Ländern und Millionen von Familien großen Schaden zufügen könnten, müsse der Markt vielmehr streng reguliert werden. So fordert der Vatikan, das in einigen Ländern bestehende Verbot von Hochrisiko- und Offshore-Geschäften global auszuweiten und Verstöße „mit größter Schärfe bestraft werden“. Auch einzelne Unternehmen müssten verbindlich regeln, welche Geschäfte nicht nur rechtlich zulässig, sondern auch ethisch vertretbar seien. „Eine Frage, die etwa im Bereich der Steuerumgehung besonders akut ist“, glaubt der Vatikan.

Der kritische Konsument ist gefragt

In seinem Grundsatzpapier appelliert der Vatikan auch an jeden Einzelnen: Man könne persönlich mehr zu einer gerechteren und solidarischeren Wirtschaftsordnung beitragen, als mancher glaube. Wichtig sei ein „kritisches und verantwortungsvolles Konsum- und Sparverhalten“, schreiben die Autoren. „Unsere Wahl muss auf die Güter fallen, die auf ethisch würdige Weise hergestellt wurden.“ Durch das eigene Konsumverhalten könne man auch eine ethische Haltung zum Ausdruck bringen.

Papst Franziskus hat sich mehrfach zum Thema Wirtschaft und Markt geäußert. In seiner 2015 vorgestellten Umwelt-Enzyklika „Laudato si“ rechnete er nicht nur mit der herrschenden „Wegwerfkultur“ der Reichen ab, sondern auch mit dem „irrationalen Vertrauen auf den technischen Fortschritt“ und dem „Glauben an einen vergötterten Markt“. Ein Jahr später bezeichnete Franziskus Arbeitgeber, die ihren Reichtum durch die Ausbeutung ihrer Angestellten erzielen, als „Blutsauger“. Lohndumping sei moderne Sklaverei und eine „Todsünde“, hielt der Papst fest. Marktregulierung, Umweltschutz und soziale Gerechtigkeit seien keine „grünen“ oder gar „kommunistische Anliegen“, betonte der Papst. „Es sind christliche Anliegen.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false