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Wirtschaft: Der Pfaffenhofener Hersteller von Babynahrung hat die Talsohle durchschritten

Vor exakt 100 Jahren hatte Joseph Hipp in Pfaffenhofen vor den Toren Münchens die rettende Idee. Weil seiner kinderreichen Familie Zwillinge geboren worden waren und die Milch der Mutter für beide nicht ausreichte, musste Ersatzkost her.

Vor exakt 100 Jahren hatte Joseph Hipp in Pfaffenhofen vor den Toren Münchens die rettende Idee. Weil seiner kinderreichen Familie Zwillinge geboren worden waren und die Milch der Mutter für beide nicht ausreichte, musste Ersatzkost her. Der Lebkuchen- und Kerzenfabrikant zerrieb kurzerhand Zwieback und mischte die Brösel mit Milch sowie Wasser zu einem Brei, den die Zwillinge mit großem Appetit verspeisten. Im September 1899 habe sein Großvater diese Mischung dann erstmals in seinem Laden verkauft: der Anfang der heutigen Hipp GmbH und Co. KG.

Seit mittlerweile 32 Jahren führt Claus Hipp nun das Familienunternehmen. Lebkuchen und Kerzen bietet der Mittelständler schon lange nicht mehr an. Dafür ist der Jubilar bei Baby- und Kindernahrung heute mit 35 Prozent Marktanteil nach eigenen Angaben in Deutschland die Nummer eins. Dabei behaupten sich die Pfaffenhofener hartnäckig gegen einen Großkonzern wie Nestlé mit der Marke Alete oder Nutricia mit der Marke Milupa.

Mit einem Stamm von rund 1200 Biobauern und anderen Lieferanten sieht sich Hipp als der weltweit größte Verarbeiter organisch-biologisch erzeugter Nahrungsmittel. Etwa 80 Prozent aller Rohstoffe, die auch vom familieneigenen Gut stammen, gehorchen diesem Kriterium. Die penible Kontrolle der Lebensmittelerzeugung und Verarbeitung mache die eigenen Produkte um 15 bis 20 Prozent teurer als die der Mitbewerber, räumt der Pionier des biologischen Landbaus ein. Da Eltern wohl die qualitätsbewusstesten Kunden überhaupt seien, werde dieser Aufpreis akzeptiert.

Der bekennende Katholik und Ökomanager des Jahres 1997, der sein Unternehmen nach den zehn Geboten führen will, strahlt innere Kraft und Überzeugung aus, wenn er behauptet, trotz Preisdruck und schon lange stagnierender Geburtenzahlen auch für die Zukunft keine Angst um den Bestand des Gläschenkonzerns zu verspüren. "Wir müssen wachsen," stellt der 61-jährige Jurist allerdings ruhig und bestimmt klar. Möglich sei das nur durch Export oder eine Ausweitung der Produktpalette. In beide Richtungen werde expandiert. Derzeit kommen weniger als zehn Prozent der Hipp-Umsätze aus dem Ausland. Nur 14 von 166 Artikeln sind nicht speziell auf ein- bis zweijährige Kunden zugeschnitten. Beides soll sich ändern, aber langsam und aus eigener Kraft. Eine Sortimentsausweitung mit biologisch erzeugtem Obst und Gemüse erfolgte vor einem Jahr.

Dieses Jahr sollen die Umsätze um fünf Prozent auf rund 350 Millionen Mark steigen und für "bescheidene Gewinne" sorgen. Konkrete Angaben zu den Profiten machen die Gläschenfabrikanten nicht. Momentan sind die Zeiten allerdings vergleichsweise gut. Vor etwa sieben Jahren sei das Geschäft "hart" gewesen und habe zum Abbau von 1300 auf heute 800 Mitarbeiter gezwungen, erinnert sich Hipp. Das sei die schwerste Entscheidung in seinem bisherigen Unternehmerleben gewesen, sagt er. Mehr Freude bereite ihm der moderate Aufbau von 30 Stellen in diesem Jahr.

Den Eindruck, bald das Ruder aus der Hand geben zu wollen, erweckt der 61-jährige nicht. Zwar seien neben seinen beiden Brüdern mittlerweile auch beide Söhne Mitgesellschafter, wobei der 31-jährige Stefan Hipp im Betrieb für die Beschaffung von Rohstoffen zuständig ist. Einen Zeitplan zur Übergabe der Geschäfte gebe es aber noch nicht. Nur einen Börsengang oder das Hereinholen außenstehender Gesellschafter schließt der Firmenchef generell aus. Bei einer börsennotierten Hipp AG könnten fremde Anteilseigner den Betriebsfrieden gefährden, weil das übliche Profitdenken von Anlegern nicht zur traditionellen Firmenphilosophie passe. Seinen Wahlspruch "lieber klein aber allein" habe die gesamte Familie verinnerlicht, ist sich Hipp sicher. Streit "kommt nicht in Frage", postuliert er gesetzesgleich. Das Unternehmen sei ein Baum, von dem sich jedes Familienmitglied so viele Früchte nehmen kann, wie es essen will. Den Baum fällen und Kasse machen dürfe aber niemand.

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