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Wirtschaft: Der Wohlfühlfaktor

Sofas, Ruhezonen und bunte Farben: Das klassische Großraumbüro hat ausgedient.

Die meisten deutschen Büros sind bloß große Räume mit einer Ansammlung von Tischen und tendenziell ungemütlich. Wie muss es aussehen, damit wir uns wohlfühlen und dort optimal arbeiten können? Denn seien wir mal ehrlich: Wir hätten gern einen Platz für den kurzen Mittagsschlaf, eine Rückzugsmöglichkeit für konzentriertes Arbeiten, Pflanzen die diesen Namen verdienen, viel Licht und eigentlich auch keine sturen Anwesenheitspflichten. Vielleicht sogar Duschen, damit man sich nach der Radfahrt zur Arbeit frisch machen kann. Einiges davon ist gar nicht so schwierig umzusetzen. Es braucht nur den Willen von Arbeitgebern.

OFFENE RÄUME

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung arbeiten 86 Prozent der Angestellten in Großraumbüros. Aber: Sitzen wir da gern? Die Kollegen telefonieren, hacken auf die Tastatur, besprechen ein Projekt oder erzählen vom Wochenendausflug. Und es gibt kein Entrinnen, wir lauschen zwangsläufig immer mal wieder hin. Obwohl wir natürlich versuchen, den Lärm der anderen auszublenden. Alle Elf Minuten werden wir im Schnitt unterbrochen. Bis wir wieder konzentriert weiter machen können, brauchen wir acht Minuten.

Schöner wäre es, wenn man sich aussuchen kann, ob man heute im Großraum oder lieber für sich im Rückzugsbereich arbeiten möchte. Stefan Rief vom Fraunhofer-Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation beschäftigt sich genau mit diesem Thema. Auch er empfiehlt, dass wir uns vom starren Sitzen am Schreibtisch verabschieden. Das Ideal: offene Büroräume, die Arbeitsplätze zur Zusammenarbeit bieten, aber auch Rückzugsräume, Platz für Besprechungen und Konferenzen. Zum Beispiel informelle Sitzecken, wo man sich ungestört – ohne andere zu stören – über neue Ideen und Konzepte austauschen kann.

Außerdem haben Forscher des MIT herausgefunden, dass solch offene Strukturen die Kreativität und den Austausch der Mitarbeiter fördern. Konkret: Mehr als vier Fünftel aller kreativen Ideen entstehen laut der MIT-Forscher nicht in Entwicklungsabteilungen oder Einzelbüros, sondern durch die ungeplante Kommunikation von Mitarbeitern.

Und wo wir schon einen Großteil unseres Lebens hier verbringen, möchten wir uns im Büro wohlfühlen. Viel Tageslicht, keine grelle Neonbeleuchtung, Fenster die sich öffnen lassen, vielleicht sogar eine Terrasse oder ein Lichthof tragen dazu bei. Außerdem steigert das auch die Leistungsbereitschaft. Zahlreiche Studien bestätigen das immer wieder.

INSPIRATION FÜR DIE SINNE

Wände weiß, Schreibtische weiß, die anderen Büromöbel: beige. Wirklich inspirierend ist das nicht. Auch der bso Verband Büro,- Sitz- und Objektmöbel e.V. hebt auf seiner Internetseite hervor: „Farben spielen bei der Gestaltung von Büroräumen eine zentrale Rolle: wie sympathisch ein Raum wirkt, ob er eine anregende oder eher beruhigende Wirkung hat, ob er einen sachlichen Eindruck macht oder eher Kreativität signalisiert“, heißt es dort. Das Unternehmen Google hat das schon längst verstanden, jedes Büro sieht anders aus. Im Berliner Büro gibt es bunte Teppiche, statt schnöder Raufaser bemalte Wände, etwa mit der Weltzeituhr oder dem Reichstag.

Hauptsache, es passt zum Unternehmen, macht die Räume individueller und steigert das Wohlbefinden. Auch der Schreibtisch spielt dabei eine große Rolle. Es ist unser kleines Reich. Den einen inspiriert es, wenn der Schreibtisch mit Bildern, Pflanzen und Familienfotos zugestellt ist, andere laufen zu Hochform auf, wenn sie an einem leeren Tisch sitzen. Eine Studie der Universität Gröningen hat übrigens gezeigt, dass Menschen in einer chaotischen Umgebung klarer denken.

MITTAGSSCHLAF?

Es könnte so schön sein: Wenn die Augenlider schwer werden und den Körper die Mittagsmüdigkeit überfällt, legt man sich einfach kurz hin. Auf das Sofa in der Ruhezone zum Beispiel. Oder in den Massagesessel. Viel besser, als die ganze Zeit gegen die Müdigkeit anzukämpfen und irgendwann doch für einige Sekunden am Schreibtisch wezudämmern. Und plötzlich fällt der Kugelschreiber aus der Hand – wie peinlich!

Leider ist es in vielen deutschen Büros noch immer verpönt, der Müdigkeit nachzugeben. Dabei fördert das sogenannte „Power-Napping“ die Konzentration und die Aufmerksamkeit ist anschließend erhöht. 20 bis 30 Minuten reichen schon. Andere Länder sind da schon viel weiter als wir: In China, Japan und den USA guckt niemand schief, wenn Kollegen ein kurzes Nickerchen im Büro halten. Sogar die amerikanische Raumfahrtbehörde Nasa hat herausgefunden, dass der Mittagsschlaf die Reaktionsschnelligkeit um rund 16 Prozent erhöht.

HOME-OFFICE

Es muss nicht immer Präsenzpflicht herrschen! Manchmal wäre man gerne allein bei der Arbeit, um völlig ungestört an einem Konzept zu feilen. Oder man will wenigstens einen Tag in der Woche zu Hause arbeiten, weil man normalerweise eine Stunde hin und eine Stunde zurück von der Arbeit pendelt. Unternehmensberater und Arbeitspsychologen sind sich inzwischen einig, das es von Vorteil sein kann, auch mal von zu Hause aus zu arbeiten. Bei Bosch wird das schon angewendet: Weltweit 500 Führungskräfte können flexible Arbeitszeitmodelle ausprobieren. Sie sollen Erfahrungen abseits der gewohnten Präsenz am Arbeitsplatz sammeln. Dazu arbeiten sie für mindestens drei Monate flexibel von zu Hause oder in Teilzeit. Mit diesem 2011 initiierten Projekt „More“ (Mindset Organisation Executives) sollen die Vorteile flexibler Arbeitszeitmodelle aufgezeigt werden.

Denn nur weil man mindestens acht Stunden im Büro sitzt, heißt das nicht, dass man die ganze Zeit Perlen produziert. Trotzdem heißt es in vielen Unternehmen noch: nur wer anwesend ist, ist produktiv. Dabei macht nicht die Präsenz kreativ, sondern Inspiration, Spaß und Motivation. Darum brauchen wir Büros, die zu uns passen.

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