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Jürgen Fitschen muss derzeit regelmäßig in München vor Gericht erscheinen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm Prozessbetrug vor. Verteidigt wird er von Haans Feigen (vorne links).

© dpa

Deutsche-Bank-Chef Jürgen Fitschen: Die Woche der Wahrheit

Es ist eine harte Woche für die Deutsche Bank: Am heutigen Montag muss sich Ko-Chef Fitschen vor Gericht zum Vorwurf des Prozessbetrugs äußern. Wenige Tage später folgt die Hauptversammlung des Instituts, auf der er mit Ko-Chef Jain die neue Strategie verteidigen muss.

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Anshu Jain und Jürgen Fitschen stehen vor einer entscheidenden Woche. Von der Frage, wie gut sie sie meistern werden, dürfte ihre Zukunft abhängen – und die ihres Hauses: der Deutschen Bank.

Am Donnerstag müssen sich die beiden Ko-Chefs auf der Hauptversammlung den Fragen der Investoren stellen. Und das dürfte nicht einfach werden. Denn die Kritik an der Vorstandsspitze und ihrer neuen Strategie reißt seit Wochen nicht ab. Der Verkauf der Postbank, die Schließung von Filialen, die Kürzungen im Investmentbanking – all das geht den professionellen Anlegern nicht weit genug. Ihre Kritik wiegt schwer: Ihnen gehört die Bank zum Großteil.

Wie unzufrieden die Investoren sind, zeigt der Aktienkurs: Er hat seit Ende April, also seit Präsentation der neuen Strategie, kräftig nachgegeben. Dass es so nicht weitergehen kann, ist auch Fitschen und Jain klar. „Es ist nicht akzeptabel für uns, dass der Börsenwert unter dem Buchwert liegt“, sagte Jain am Wochenende in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung (FAS)“. Er sei aber zuversichtlich, „dass wir die Mehrheit der Aktionäre hinter uns haben“.

Investoren wollen die Ko-Chefs auf der Hauptversammlung nicht entlasten

So überzeugt wie er sind allerdings viele Anteilseigner der Deutschen Bank nicht. Der US-Aktionärsberater ISS, hinter dem wichtige institutionelle Investoren wie Fondsgesellschaften stehen, soll den Anlegern bereits dazu geraten haben, den Vorstand auf der Hauptversammlung diesmal nicht zu entlasten. Denn der geplante Umbau des Hauses ist das eine. Die vielen Rechtsstreitigkeiten, in die das Institut verwickelt ist, sind das andere. Zuletzt hatte die Deutsche Bank im Streit um manipulierte Zinssätze 2,5 Milliarden Dollar gezahlt – die bislang höchste Strafzahlung im Libor-Skandal. So etwas sehen Investoren nicht gerne.

Ans Aufgeben denken Jain und Fitschen dennoch nicht. Beide lehnten einen Rücktritt im „FAS“-Interview ab. „Das Beste, was ich tun kann, ist, die Probleme der Bank zu lösen und ihre Leistung zu optimieren“, sagte Jain.

Noch steht der Aufsichtsrat hinter Jain und Fitschen

Immerhin: Noch wissen die beiden Chefs den Aufsichtsrat der Bank hinter sich. Die Frage ist nur, wie lange noch. Der „Wirtschaftswoche“ sagte Aufsichtsratschef Paul Achleitner, niemand sei unersetzbar – auch Jain und Fitschen nicht. Es gehe derzeit schließlich „um die Zukunft der Institution Deutsche Bank, nicht um die von Individuen“. Auch das laufende Gerichtsverfahren gegen Fitschen beobachte der Aufsichtsrat „ganz nüchtern, ohne Rücksicht auf persönliche Wünsche und Sympathien“.

Für Ko-Chef Fitschen ist es daher entscheidend, dass es ihm gelingt, in diesen Tagen vor Gericht seine Unschuld zu beweisen. Ihm und fünf weiteren Angeklagten wirft die Münchner Staatsanwaltschaft Prozessbetrug im Fall Kirch vor. Sie sollen im früheren Verfahren die Unwahrheit gesagt haben, um die Bank vor Schadenersatzzahlungen zu bewahren.

Fitschen beteuerte zuletzt immer wieder seine Unschuld. Sie zu belegen, ist nun Aufgabe von Hanns W. Feigen: Der Frankfurter Wirtschaftsanwalt vertritt Fitschen vor Gericht. Auch an diesem Montag wird er wieder an Fitschens Seite sein, wenn das Verfahren im Verhandlungssaal B 273 des Münchner Justizzentrums fortgesetzt wird.

Fitschens Anwalt ist in Justiz- und Wirtschaftskreisen bekannt

In Justizkreisen ist Fitschens Anwalt kein Unbekannter. Die „Wirtschaftswoche“ zählt Feigen zu den Top 25 der Wirtschaftsstrafanwälte. Er hat bereits Spitzenmanager der WestLB und IKB, von Siemens und Deutscher Post verteidigt. Auch der frühere Porsche-Chef Wendelin Wiedeking zählt zu seinen Mandanten. Erst im vergangenen Jahr hat Feigen den ehemaligen FC-Bayern-Präsidenten, Uli Hoeneß, verteidigt. Zusammengearbeitet hat er dabei übrigens mit Wirtschaftsanwalt Werner Leitnern. Ihn trifft er nun regelmäßig vor Gericht wieder. Leitner, der auch bereits ehemalige Chefs der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) verteidigt hat, vertritt in München die Deutsche Bank als Nebenbeteiligte.

Wirtschaftsanwälte wie Feigen und Leitner haben derzeit gut zu tun. Ihre Branche boomt. „Vor 15 Jahren gab es in diesem Bereich noch nicht viel zu tun“, meint ein Rechtsanwalt. Er sieht die großen Siemens-Korruptionsverfahren als „Zeitenwende“. Erstmals seien damals Konzerne richtig mit dem Wirtschaftsstrafrecht in Berührung gekommen. Und seitdem müssen sich immer mehr hochrangige Spitzenmanager vor Gericht rechtfertigen.

Ermittler gehen Wirtschaftskriminalität stärker nach als früher

Experten begründen das auch mit der zunehmenden Beachtung der White-Collar-Kriminalität, also Kriminalität in den höheren Schichten. Seit Jahren prüfen die Gerichte verstärkt, inwieweit Manager in ihrem Job nicht nur falsch oder gegen das Zivilrecht gehandelt haben, sondern ob dies auch strafrechtlich relevant ist. Dementsprechend würden auch die Ermittlungsbehörden „aufgerüstet“, sagt einer. Früher habe es dort „nur wenig Sachkunde gegeben“. Heute aber seien Staatsanwälte und Richter in diesen Bereichen Profis.

So sind die Verteidiger von Fitschen und Co. in München auch schon am zweiten Verhandlungstag äußerst konfrontativ aufgetreten und haben zum Beispiel die Absetzung der führenden Oberstaatsanwältin Christiane Serini beantragt. Die Strategie ist klar: Die Verteidiger wollen Freisprüche erster Klasse erreichen. Die Deutsche Bank möchte, dass an Fitschen und Co. auf keinen Fall etwas hängen bleibt.

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