zum Hauptinhalt
Nach dem Brexit-Referendum sucht Deutsche-Börse-Chef Carsten Kengeter nach neuen Wegen zur Fusion. Foto: Frank Rumpenhorst/dpa

© dpa

Deutsche Börse: Angst um die Fusion mit der LSE

Die Deutsche Börse senkt die Mindestschwelle für das Ja zum Zusammenschluss mit London - und verlängert die Annahmefrist.

Die Zustimmung der Aktionäre der Deutschen Börse zur geplanten Fusion mit der Londoner Börse (LSE) steht offensichtlich auf wackeligen Beinen. Am Montag beschloss die Deutsche Börse AG überraschend, nicht nur die notwendige Schwelle für die Zustimmung von 75 auf 60 Prozent zu senken. Sie verlängerte zudem die Frist für die Annahme des Angebots zum Tausch der Deutsche-Börse-Aktien in Papiere der neuen Obergesellschaft um zwei Wochen bis 26. Juli, 24 Uhr.

Eigentlich hatten sich die Aktionäre bis zum heutigen Dienstag bis Mitternacht entscheiden sollen. Bis zum Wochenende hatten nicht einmal 25 Prozent der Deutsche-Börse-Aktionäre das Tauschangebot angenommen. Schon am Sonntagabend hatte die Börse mitgeteilt, dass sie eine Herabsetzung der Zustimmungsquote erwäge. Dabei verwies sie auf Indexfonds, die sich erst ganz zum Schluss der Frist entscheiden könnten. Sie halten aktuell 15 Prozent der Deutsche- Börse-Aktien.

Das Vorhaben verzögert sich weiter

Deutschlands größter Börsenbetreiber will in jedem Fall sicherstellen, dass auch Indexfonds von Firmen wie etwa Blackrock die von ihnen gehaltenen Aktien tauschen. Sie können die Papiere bei einem solchen öffentlichen Übernahmeangebot nur verkaufen, wenn mindestens 50 Prozent der Aktionäre mit einem Tausch dem Fusionsvorhaben zustimmen. Allerdings war den Verantwortlichen der Deutschen Börse dieser Umstand schon zuvor bewusst.

Mit den jüngsten Entscheidungen verzögert sich das Fusionsvorhaben weiter – wenn es die Aktionäre überhaupt noch absegnen. Doch selbst wenn sie zustimmen, ist der Zusammenschluss längst nicht unter Dach und Fach. „Die Landesregierung als Aufsichtsbehörde kann erst entscheiden, wenn ein Fusionsantrag vorliegt. Den gibt es aber noch nicht“, sagte der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Montag in Frankfurt nach einem Treffen mit Bundesbank-Präsident Jens Weidmann, Bankern und Wissenschaftlern.

Neben der EU-Kommission muss auch das hessische Wirtschaftsministerium als Aufsicht über die Börse in Frankfurt das Vorhaben absegnen. Entscheidend ist dabei nach Angaben von Bouffier, dass auch künftig der ordnungsgemäße Börsenhandel in Frankfurt sichergestellt ist und dass es weitere Entwicklungsmöglichkeiten für die Börse gibt. „Dafür ist die Struktur eines Unternehmens von immenser Bedeutung.“

Bouffier und der hessische Wirtschaftsminister Tarik Al-Wazir (Grüne) stellten aber auch klar, dass der Sitz der neuen Börsen-Holding nach der Brexit-Entscheidung nicht allein in London sein könne. Das werde, so Bouffier, „allergrößten Einfluss“ auf ihre Entscheidung haben.

Frankfurt könnte von Brexit profitieren

In den Fusionsplänen, denen die Aktionäre der LSE im Juni mit 99 Prozent zugestimmt hatten, ist als alleiniger Sitz der neuen Obergesellschaft London festgelegt. Zudem soll sie als Firma britischen Rechts aufgezogen werden.

Unabhängig von der geplanten Fusion, über die letztlich erst in einigen Monaten entschieden wird, hoffen Bouffier und Al-Wazir – obwohl sie das Brexit-Votum für schlecht halten –, dass der Finanzplatz Frankfurt von einem möglichen Austritt des Königreichs aus der EU profitiert. „Es wäre unverantwortlich, wenn wir diese Chance nicht wahrnehmen würden“, sagte Bouffier. Für den Börsenstandort Frankfurt eröffne der Brexit große Möglichkeiten. Man werde in Brüssel und London in den nächsten Monaten intensiv für den deutschen Finanzplatz werben. Und auch dafür, dass die Finanzaufsicht EBA und die europäische Arzneimittelaufsicht, die beide ihren Sitz in einem EU-Land haben müssen, nach Frankfurt kommen.

Viele Unternehmen und Banken wollten den Ausgang der wohl mindestens zwei Jahre dauernden Verhandlungen zwischen Brüssel und London über die Konditionen des Austritts nicht abwarten, ist Bouffier überzeugt. „Die werden vorher ihre neuen Schwerpunkte in der EU setzen.“ Deshalb müsse man frühzeitig um sie werben. Mit der Europäischen Zentralbank (EZB), der Bundesbank, der Finanzaufsicht, mit vielen Banken und einem sehr guten wissenschaftlichen Umfeld kann Frankfurt nach Ansicht von Bouffier viele Vorteile anführen. „Frankfurt ist jetzt der größte Finanzplatz in der EU.“ Die Stadt sei im Übrigen alles andere als unattraktiv und langweilig. „Frankfurt ist toll.“ Es sei aber, sagte Bouffier auch, „falsch zu glauben, dass jetzt Zehntausende von Bankern nach Frankfurt und in die Rhein-Main-Region kommen werden“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false