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Wirtschaft: Deutsche Börse versucht es mit Charme

Vorstandschef Seifert wirbt öffentlich um den Finanzplatz London – doch der ist unbeeindruckt

Berlin - Die Deutsche Börse wirbt im Übernahmepoker um die London Stock Exchange (LSE) jetzt auch öffentlich um die Gunst von Anteilseignern, Investoren und Kunden. Börsenchef Werner Seifert kündigte am Donnerstag in einer Pflichtmitteilung und einer Telefonkonferenz mit Analysten an, im Falle einer Übernahme der Londoner Börse würden die Preise im dortigen elektronischen Handel um zehn Prozent gesenkt.

Die Deutsche Börse werde zudem weiterhin ihren Sitz in Deutschland haben mit Frankfurt als ihrer weltweiten Zentrale. „Wir werden den erfolgreichen Markt in London intakt lassen, aber den Handel wesentlich billiger machen“, sagte Seifert. „Wir wollen keine leere Hülle in Frankfurt haben.“ Den Briten soll in Vorstand und Aufsichtsrat der Börse aber weitreichender Einfluss eingeräumt werden. Die Vorstände für die Wertpapierabwicklung sowie der Aktien- und Derivatehandel sollen in London angesiedelt werden. Laut Übernahmeplan werden die künftig von London aus gesteuerten Aktivitäten 45 Prozent des Umsatzes der neuen Börse ausmachen. Am Standort London sollen außerdem keine Arbeitsplätze abgebaut werden.

Das mögliche Angebot von 530 Pence je LSE-Aktie besserte Seifert nicht auf. Die Offerte, die noch nicht offiziell bei den britischen Behörden angemeldet ist, entspricht einem Kaufpreis von insgesamt 1,96 Millionen Euro. Der Börsenwert der LSE liegt zurzeit bei 1,34 Millionen Euro. In der Mitteilung der Deutschen Börse ist aber nun erstmals von „mindestens“ 530 Pence die Rede. Außerdem ist die Deutsche Börse bereit, auch ohne Zustimmung der LSE ein offizielles – und dann feindliches – Übernahmeangebot zu machen.

Die Wahrscheinlichkeit dafür ist groß, denn die LSE lehnte das Angebot am Donnerstag ab. Es spiegele nicht ihren Geschäftswert wider, hieß es. Zugleich erklärte die Londoner Börse, zu den richtigen Bedingungen sei die Verbindung mit einer großen Börse in ihrem besten Interesse. Sie empfehle ihren Aktionären aber, vorläufig nicht zu handeln. LSE-Kreisen zufolge will die Börse die Gespräche mit der Vierländerbörse Euronext, die ebenfalls einsteigen will, fortsetzen.

Analysten erwarten, dass Seifert nun nachlegen muss. „Für 530 Pence wird der Deal nicht abgeschlossen. Euronext wird sich nicht einfach zurückziehen“, sagte Martin Peter von Independent Research. Bei den Großaktionären der Deutschen Börse stößt eine Erhöhung des Angebotes auf wenig Gegenliebe: „Der Kauf der LSE muss mehr einbringen als er kostet“, warnte Rolf Drees von der Union Fonds-Holding, die rund vier Prozent an der Deutschen Börse hält. „Auf der Basis eines Angebots von 530 Pence wäre dies so – wenn Seifert mehr bietet, muss neu gerechnet werden“, sagte Drees dem Tagesspiegel. Nach Schätzungen der Deutschen Börse würde die Fusion den Gewinn vor Steuern ab 2008 um mindestens 100 Millionen Euro jährlich steigern. Davon entfielen drei Viertel auf Kosteneinsparungen und ein Viertel auf Synergieeffekte. Die Kosten eines Zusammenschlusses werden auf weniger als 100 Millionen Euro veranschlagt. Eine steigende Dividende sei ebenso geplant wie ein Aktienrückkaufprogramm zur Kurspflege ab Ende 2006, teilte Seifert mit. Bestritten werden soll die geplante Übernahme durch einen einjährigen Kredit, der später langfristig finanziert werden soll. Goldman Sachs und Deutsche Bank hätten sich zu einer Finanzierung verpflichtet, sagte Mathias Hlubek, Finanzvorstand der Deutschen Börse.

Die Börse glaubt, dass die Investition schon im ersten Geschäftsjahr nach Vollzug der Fusion einen Ertrag von acht Prozent – einschließlich der erzielbaren Synergien – abwirft. „Diese Kalkulation ist fragwürdig, weil sie Synergieeffekte einbezieht, die ambitioniert sind und die erst ab 2008 komplett wirksam werden“, sagte Analyst Peter. Die Börse zeigte sich am Donnerstag weniger kritisch: Der LSE-Kurs kletterte in London um 0,8 Prozent auf 579 Pence, die Aktie der Deutschen Börse gewann 0,2 Prozent auf 47,16 Euro. mit dpa

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