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Klamme Kommunen: Sehen so 5,3 Milliarden Euro Überschüsse aus?

© dpa

Deutschlands Haushalt: Staat macht Milliarden-Überschüsse

Trotz Euro-Krise: Das Statistische Bundesamt weist für das erste Halbjahr ein Plus von 8,5 Milliarden Euro aus. Aber die Zahlen trügen.

Mitten in der Euro-Schuldenkrise steht Deutschland besser da denn je. Von Januar bis Juni dieses Jahres nahm der Staat 8,5 Milliarden Euro mehr ein, als er ausgab, teilte das Statistische Bundesamt am Freitag mit. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von derzeit 1,3 Billionen Euro erzielten Bund, Länder und Gemeinden insgesamt ein Plus von 0,6 Prozent – das ist der höchste Überschuss in einem Halbjahr seit 13 Jahren.

Als eine der wenigen großen Volkswirtschaften in Europa erfüllt Deutschland damit das Maastricht-Kriterium, nach dem das Haushaltsdefizit maximal drei Prozent betragen darf. Die Defizitvoraussagen für Großbritannien (minus 6,8 Prozent), Spanien (minus 6,5 Prozent), Frankreich (minus 3,9 Prozent) und Italien (minus 2,9 Prozent) sind für das laufende Jahr deutlich düsterer.

Den finanziellen Erfolg führt das Statistikamt in nüchternem Behördendeutsch auf „die insgesamt günstige Beschäftigungssituation und stabile Wirtschaftsentwicklung“ zurück. Die Arbeitslosenquote liegt bei 6,8 Prozent, und nach der Stagnation zum Jahresbeginn hat die Wirtschaft im Frühjahr an Fahrt gewonnen. Verglichen mit dem Vorquartal legte die Wirtschaftsleistung um 0,7 Prozent zu.

Trotz der guten Zahlen bleibt Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vorsichtig. Im aktuellen Stabilitätsprogramm Deutschlands für die EU erwartet Schäuble, dass Bund, Länder, Gemeinden und die Sozialversicherung in diesem Jahr zusammen ein Defizit von einem halben Prozent des BIP machen werden. Mit einem ausgeglichenen Etat rechnet der Finanzminister erst ab 2014, Überschüsse sieht er erstmals 2016. Eine Ministeriumssprecherin sagte am Freitag zwar, die jüngsten Zahlen bestätigten die gute Verfassung der öffentlichen Finanzen, neue Prognosen für die weitere Entwicklung wollte sie aber nicht aufstellen.

Tatsächlich rücken die neuen Defizitzahlen Deutschland in ein besseres Licht, als angemessen wäre. Sie berücksichtigen nämlich nicht den enormen Schuldenberg von mehr als zwei Billionen Euro, den der Staat vor sich herschiebt. Gemessen am BIP betragen die Schulden 81,2 Prozent und damit deutlich mehr als die in den Maastricht-Verträgen vereinbarten 60 Prozent. „Wir sollten nicht jeden Euro gleich wieder ausgeben, sondern uns freuen, dass wir auf dem Konsolidierungskurs etwas schneller vorankommen“, mahnte daher Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank.

Auch beim Deutschen Städtetag warnt man vor vorschneller Euphorie. Die neuen Zahlen stellen „leider keinen Grund zu übertriebenem Optimismus dar“, sagte Hauptgeschäftsführer Stephan Articus dem Tagesspiegel. Dabei stehen die Kommunen nach den neuen Zahlen sogar besonders gut da. Während der Bund immer noch ein – allerdings im Vergleich zum Vorjahr deutlich geringeres – Defizit von 2,2 Milliarden Euro hinnehmen musste und die Länder auf einen Überschuss von 1,2 Milliarden Euro kamen, kletterte der Finanzierungsüberschuss der Gemeinden nach den am Freitag veröffentlichten Zahlen auf rund 5,3 Milliarden Euro. Ein trügerisches Bild, wie Articus meint. Er spricht von „besorgniserregenden Problemen“. In vielen Kommunen würden die Nöte eher wachsen, warnt der Städtetagslobbyist und verweist auf steigende Soziallasten, niedrige Investitionen und den Anstieg der Kassenkredite – eine Art Dispo für die Kommunen, mit denen sie Finanzlöcher stopfen. Diese sind nach einer am Dienstag veröffentlichten Studie der Bertelsmann-Stiftung zwischen 2007 und 2011 von 29 Milliarden Euro auf 44 Milliarden gestiegen. Die Gesamtverschuldung der Kommunen hat in dieser Zeit um knapp 20 Milliarden auf 130 Milliarden Euro zugenommen.

Tatsächlich blendet die neue Statistik einen Großteil dieser Probleme aus. Sie macht keinen Kassensturz, sondern bucht Forderungen und Lasten strikt danach, wann sie entstehen – und nicht danach, wann und ob das Geld fließt. Die Kassenstatistik, die das Bundesfinanzministerium Anfang August veröffentlicht hat, kommt daher zu ganz anderen Ergebnissen. Danach hat Berlin zwar im ersten Halbjahr erfreulicherweise einen Überschuss von 730 Millionen Euro erzielt, insgesamt konnten die 16 Bundesländer aber nur ein Plus von 94 Millionen Euro erzielen. Nur sieben Länder schreiben schwarze Zahlen, allen voran Bayern, Sachsen und Berlin. Andere Länder wie Bremen und das Saarland sind noch weit von ausgeglichenen Haushalten entfernt, warnt auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW), „es ist nicht abzusehen, dass ihnen die schwarze Null bis 2020 gelingen wird“. mit dpa

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