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Grund zum Feiern hat DGB-Chef Michael Sommer selten. Beim 60. Geburtstag des Gewerkschaftsbundes im Oktober 2009 im Konzerthaus am Gendarmenmarkt war das anders. Der Bundespräsident gratulierte und betonte die Bedeutung der Mitbestimmung.

© ddp

DGB-Kongress: Michael Sommer geht in die Abschiedsrunde

Auf dem Bundeskongress will DGB-Chef Sommer dem Dachverband eine Reform verpassen. Womöglich ist er deshalb der letzte Vorsitzende des Gewerkschaftsbundes.

Am kommenden Montag wird der 58-Jährige Michael Sommer auf dem Bundeskongress des DGB wieder zum Vorsitzenden gewählt. Zum dritten und letzten Mal. 2014, nach dann zwölf Jahren im Amt, zieht sich der frühere Postgewerkschafter in den Ruhestand zurück. Seine Rente ist sicher. Die Zukunft des DGB nicht. Vermutlich beschließt das Parlament der Arbeit, wie der fünftägige Bundeskongress auch genannt wird, in den nächsten Tagen eine kleine Satzungsänderung. Doch nach dem Kongress beginnt der Umbau des Dachverbands und spätestens in vier Jahren steht eine Zäsur an.

Womöglich ist Sommer der letzte Vorsitzende des 60 Jahre alten Dachverbandes. Vielleicht wird der DGB künftig von einem Geschäftsführer oder ersten Sekretär geführt. So stellen sich das jedenfalls einige in den Industriegewerkschaften vor. Sie kämpfen seit Jahren gegen den Mitgliederschwund und verlieren dabei die Lust und das Geld, wie gewohnt den DGB zu tragen.

Sommer hat es nicht leicht gehabt. In seine erste Wahlperiode fiel die Auseinandersetzung um Gerhard Schröders Agenda-Politik. Die Gewerkschaften waren ebenso zerrissen wie die SPD, IG Metall-Chef Jürgen Peters und sein Kollege Hubertus Schmoldt von der Chemiegewerkschaft verblüfften die Szene mit einem schroffen Briefwechsel zu den Hartz-Gesetzen. Sommer saß dazwischen und hatte reichlich Mühe, unbeschadet davonzukommen. Eigentlich wurde es dann besser mit der großen Koalition und Angela Merkel.

Bis heute sind die Gewerkschaftsbosse angetan vom Stil der Bundeskanzlerin nach den Jahren mit Basta-Schröder. Merkel kann zuhören, das waren die Spitzenfunktionäre, die bis auf Verdi-Chef Frank Bsirske (Grüne) alle der SPD angehören, nicht mehr gewohnt. Und dass mit Franz Müntefering ein SPD-Minister den Gewerkschaften die Rente mit 67 einbrockte, hat dem guten Ruf der Kanzlerin auch nicht geschadet.

Doch dann kam Berthold Huber. Der Nachfolger von Peters an der Spitze der IG Metall baut die eigene Organisation um und konzentriert Ressourcen für die Mitgliederbetreuung und -werbung. Nach dem Motto „I want my money back“, brach der mächtigste deutsche Gewerkschafter eine Diskussion über den DGB vom Zaun. Zwölf Prozent ihrer Einnahmen reichen die acht Einzelgewerkschaften an den DGB weiter und tragen so dessen Budget von 130 Millionen Euro/Jahr. Aber wozu? Welches Geschäftsmodell hat der DGB, wollte Huber wissen. Brauchen wir den DGB, der aufgebaut ist wie eine neunte Einzelgewerkschaft?

38 Gespräche über insgesamt 40 Stunden habe er in den vergangenen Jahren mit den Chefs der Einzelgewerkschaften über die Reform des DGB geführt, erinnert sich Sommer. Das Ergebnis ist bescheiden und aus Sicht des DGB-Vorsitzenden dennoch großartig: „Es gibt den DGB noch.“ Als Bund der Gewerkschaften, trotz der „großen Unterschiede zwischen den Kulturen der einzelnen Gewerkschaften“ (Sommer). Die jetzt anstehenden Strukturänderungen lassen den großen Aufwand nicht vermuten: Die Ebene der Regionen wird abgeschafft, künftig besteht der DGB nur noch aus dem Vorstand und den Bezirken, entlassen wird selbstverständlich niemand. Auch nicht im Vorstand, der von heute fünf auf vier Mitglieder schrumpft – aber erst in der nächsten Wahlperiode, also nach 2014.

Mancher hatte sich mehr vorgestellt, unter anderem schon jetzt einen kleineren und anders zusammengesetzten Vorstand. Wenn die Bosse so konsequent gewesen wären wie vor vier Jahren, als der damals stellvertretenden DGB-Vorsitzenden Ursula Engelen-Kefer die Wiederwahl verwehrt wurde, da sie in der neuen Periode das 65. Lebensjahr erreicht hätte, dann kämen heute die Vorstandmitglieder Ingrid Sehrbrock und Claus Matecki auch nicht mehr infrage. Aber für Sehrbrock, das einzige CDU-Mitglied im DGB-Vorstand, fand sich kein Ersatz. Und so darf sie – und Matecki gleich mit – bis zum 65. Lebensjahr im Amt bleiben. Sofern sie am Montag gewählt werden.

400 Delegierte versammeln sich im Berliner Estrel-Hotel, um sich nach den Wahlen vor allem mit 158 Anträgen zu befassen. Im Kern geht es dabei um die Bewältigung der Finanzkrise und die Zukunft der Arbeit: Wer zahlt für die Krise und was muss die Politik leisten, um künftige Krisen zu vermeiden? Und wie entwickelt sich die Arbeitsgesellschaft, in der mithilfe von Leiharbeit und Minijobs der Niedriglohnbereich immer größer wurde? Zum Auftakt an diesem Sonntag spricht Angela Merkel. „Die Gewerkschaften wissen, was sie von der Kanzlerin zu halten haben“, sagt Sommer, und meint das wohlwollend. Kurz nach der Bundestagswahl trat Merkel im vergangenen Herbst beim Kongress der IG BCE auf und brachte damals als Gastgeschenk ein Versprechen mit, an das sie sich bis heute hält: Trotz FDP beschneidet diese Regierung keine Arbeitnehmerrechte.

Die Bundeskanzlerin hat manchen Gewerkschafter als verlässlichen Partner schätzen gelernt und zeigte sich selbst aufgeschlossen, als Berthold Huber im vergangenen Jahr die Abwrackprämie vorschlug und die Sozialpartner sich gemeinsam mit der Politik auf eine historisch einmalige Ausweitung der Kurzarbeit verständigten. Mit äußerst moderaten Tarifabschlüssen inklusive dem Primat der Beschäftigungssicherung revanchierten sich die Gewerkschaften in diesem Frühjahr. Trotz der dramatischen Krise hält der soziale Friede. Doch jetzt beginnt die Sparpolitik, und die Gewerkschaften werden mit Gebrüll auf die Banken zeigen, wenn die Regierung bei Arbeitnehmern und sozial Schwachen Geld einzutreiben versucht. Auch weil bislang die Beschäftigten die Hauptlast des Bankenversagens tragen; allein in der Industrie sind in den vergangenen anderthalb Jahren rund 400 000 Arbeitsplätze verloren gegangen.

„Wer immer die Konflikte mit den Gewerkschaften sucht, der wird sie bekommen“, übt sich DGB-Chef Sommer in der üblichen Rhetorik. Er selbst will sich mit seinem alten neuen Vorstand nach dem Kongress zu einer siebentägigen Klausur zurückziehen. 3,6 Millionen Euro müssen in den nächsten Jahren gespart werden, der Vorsitzende will „die ganze Organisation umkrempeln“. Um den DGB für die Zeit nach Sommer vorzubereiten.

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