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Wirtschaft: Die Aktionäre fordern Konsequenzen - Neuee Vorwürfe gegenüber der Deutsche Bank

Rund 1000 der etwa 15 000 Aktionäre haben sich trotz des ungünstigen Termins angemeldet. Die außerordentliche Hauptversammlung von Philipp Holzmann an diesem Donnerstag im Congress Center der Frankfurter Messe wird so gut besucht sein wie keines der früheren Aktionärstreffen.

Rund 1000 der etwa 15 000 Aktionäre haben sich trotz des ungünstigen Termins angemeldet. Die außerordentliche Hauptversammlung von Philipp Holzmann an diesem Donnerstag im Congress Center der Frankfurter Messe wird so gut besucht sein wie keines der früheren Aktionärstreffen. Aber jetzt geht es um das blanke Überleben "ihres" Konzerns. Wenn Kapitalschnitt und die anschließende Kapitalerhöhung am Donnerstag oder möglicherweise erst am Freitag - Holzmann hat den Saal vorsorglich auch für den 31. reserviert - nicht durchgehen und damit der Verlust von rund 2,4 Milliarden Mark im laufenden Geschäftsjahr nicht abgefangen wird, ist der Baukonzern am Ende. Ob ein positives Votum zustande kommt, ist fraglich. Vor allem die Deutsche Bank muss sich neuer Vorwürfe erwehren. Der "Stern" berichtet in seiner neuesten Ausgabe, die Bank habe den Baukonzern zu Beginn der 90er Jahre bei einem millionenschweren Bauprojekt übervorteilt. Ein Sprecher der Deutschen Bank bezeichnete die Vorwürf am Dienstag als "völlig verfehlt".

Günther H. wird nicht zu den 1000 Aktionären gehören, die nach Frankfurt kommen. 60 Holzmann-Aktien liegen in seinem Depot. Mitte der neunziger Jahre waren sie einmal über 60 000 Mark wert. Mit einem Schlag wurden daraus vor sechs Wochen rund 1300 Mark, dank jüngster Spekulationen sind es jetzt 3900 Mark. Nach der Hauptversammlung könnte der Wert durch den Kapitalschnitt auf ein 26stel schrumpfen. Dann bleiben Günther H. noch gut 150 Mark. Verkaufen will er trotzdem nicht. "Das lohnt jetzt nicht mehr, die Aktien lasse ich liegen", sagt er und schüttelt den Kopf darüber, wie Holzmann im 150. Jahr seines Bestehens in den Abgrund rasen konnte.

Die Banken würden am liebsten das Vergangene übergehen. Der Kapitalschnitt im Verhältnis 26:1 und die Kapitalerhöhung ist für sie entscheidend. Wegen der Mitte November angeblich plötzlich aufgetauchten Verluste in Höhe von 2,4 Milliarden Mark ist das Eigenkapital des Baukonzerns aufgezehrt. Mehr noch: Holzmann ist mit 1,3 Milliarden Mark überschuldet. Die ersten Schritte zur Rettung haben die Banken - durch Druck des Bundeskanzlers und gnädiger Finanzhilfe aus Berlin - getan, ihre Forderungen an Holzmann zurückgestellt und mit eine Milliarde frisches Geld zur Verfügung gestellt. Der dritte Schritt - Kapitalschnitt und Kapitalerhöhung - soll Holzmann weitere 1,265 Milliarden Mark bringen. Allein entscheiden können die Banken aber nicht. Mit 30,4 Prozent hält die belgische Gevaert AG seit einem Jahr das größte Aktienpaket. Sie kann alle Beschlüsse blockieren. Ob Gevaert-Chef André Leysen, der in gutem Vertrauen auf die Angaben von Holzmann und der Banken rund 400 Millionen Mark investierte, dies tun wird, ist zumindest offen.

Daneben sollen die Aktionäre auch der Berufung eines zusätzlichen Wirtschaftsprüfers für das Geschäftsjahr 1999 zustimmen. Ernst & Young soll der KPMG zur Seite gestellt werden. Letztere war für das Desaster mitverantwortlich - behauptet zumindest Aufsichtsratschef Carl von Boehm-Bezing. Er vor allem wird sich vor den Aktionären rechtfertigen müssen. Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hat das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank längst zum eigentlich Verantwortlichen abgestempelt. Boehm-Bezing, der seit 1997 den Aufsichtsrat leitet, soll seinen Sessel räumen. Die Rücktritte von Vorstandschef Binder und Finanzchef Klee betrachtet die DSW als Bauernopfer. Boehm-Bezing und Binder haben zwar 1997 Verlustlöcher von über drei Milliarden Mark gestopft, aber weitere Verluste von 2,4 Milliarden Mark bis Mitte November "übersehen". Sagt die DSW. Wer im Fall Holzmann wann welchen Fehler begangen hat, lässt sich derzeit nur schwer sagen. Unklar ist, ob sich die Deutsche Bank durch dubiose Eingriffe bei Holzmann finanzielle Vorteile verschafft hat. Genauso offen ist, ob die Verluste nur aus Geschäften stammen, die Lothar Mayer, der bis 1997 amtierende Vorstandschef, schon Anfang der 90er Jahre eingefädelt hat, oder ob zumindest ein Teil auch aus dem laufenden Geschäft stammt, was Binder und Boehm-Bezing bestreiten. Offen ist auch, ob Vorstand, Banken und Aufsichtsrat von dem Desaster vor sechs Wochen wirklich total überrascht wurden. Fest steht allerdings, dass auch die Banken bei Holzmann Milliarden verloren haben.

Doch auch ein positives Votum der Aktionäre wird noch nicht der Schlusspunkt im Fall Holzmann sein. Gerettet ist der Bauriese noch lange nicht: Betriebsrat, Gewerkschaft und Arbeitgeber ringen immer noch um eine tarifkonforme Lösung für den Sanierungsbeitrag der Arbeitnehmer, und Brüssel muss seinen Segen für die Bundeshilfen geben. Sonst wollen auch die Banken Holzmann nicht halten. Selbst wenn: Ohne Partner wird Holzmann nicht überleben. Verkaufsverhandlungen laufen angeblich schon.

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