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Ein Rückgaberecht gibt es auch für Lebensmittel, die im Netz bestellt werden – doch die Anbieter gehen damit unterschiedlich um: Kunden von Rewe und Edeka müssen die Lieferung gleich an der Haustür kontrollieren. Bei Amazon können sie die Bestellung auch später reklamieren, zurückgeben müssen sie die Ware nicht. Das lädt zum Betrug ein.

© S. Prautsch/dpa

Die Alltagstricks der Betrüger: Wie man Amazon oder Zalando prellt

Betrüger bestellen Lebensmittel online und nutzen das kulante Rückgaberecht aus. Abendkleider werden dagegen selten zurückgeschickt.

Robert Grün hat Beute gemacht: Kiloweise Nudeln, gläserweise Pesto und Nutella, dazu mehrere Packungen Waschmittelpads. All das hat er bei Amazon Pantry bestellt, dem digitalen Supermarkt des Onlinehändlers. Die Bestellung hat einen Wert von 124 Euro – bezahlt hat er dafür: Nichts.

Der Student, der weder seinen Namen noch seinen Wohnort nennen will, hat den US-Konzern ausgetrickst. Seine Taktik: Er kauft bei Amazon Pantry ein und reklamiert die Bestellung, sobald sie bei ihm zu Hause eintrifft. Für das Paket zu bezahlen, hatte er von Anfang an nicht im Sinn. Der BWL-Student spekuliert darauf, dass Amazon die reklamierte Ware nicht zurückfordert, weil der Aufwand dafür zu hoch sei – das ist Betrug. Aber Grün hat mit dieser Strategie Erfolg. Und er ist nicht der Einzige, der damit durchkommt. Oder es zumindest versucht.

68 Prozent kaufen regelmäßig online

68 Prozent der Deutschen kaufen regelmäßig im Netz ein, wie eine Erhebung des Statistikportals Statista zeigt. Nicht nur Kleidung, sondern auch Lebensmittel und Haushaltswaren werden zunehmend online bestellt. Doch während es im stationären Handel oft klare Regeln für Rückgaben gibt, ist die Grauzone im Netz größer – und das versuchen Leute wie Grün auszunutzen.

Freunde hatten ihn auf die Idee gebracht. Geld sparen ohne Verzicht: Für dauerklamme Studenten eine verlockende Aussicht. Fünf bis sechs Mal durfte ein Freund von Grün die reklamierten Waren behalten, dabei hat er hat sich auch hochwertige Nahrungsergänzungsmittel wie Proteinpulver erschlichen. Zurückschicken musste er seinen Einkauf erst einmal, eine gute Quote.

Amazon reagiert kulant, das wird ausgenutzt

Um die bestellte Ware behalten zu können, ohne zu bezahlen, wendet sich Grün in einer Mail an das Kundencenter des Unternehmens. Darin gibt er an, von seinem Widerrufsrecht Gebrauch machen zu wollen. Der Kundendienst meldet sich schnell: „Aufgrund der Umstände und der Beschaffenheit des Artikels ist eine Rückgabe ausnahmsweise nicht erforderlich.“ 124 Euro wandern zurück auf Grüns Konto, den Einkauf darf er behalten. Aber warum überlässt Amazon Pantry Grün die reklamierte Ware?

Amazon-Unternehmenssprecherin Christine Maukel erklärt auf Anfrage des Tagesspiegels dazu nur knapp: „Die Rückgaberichtlinien von Lebensmitteln variieren je nach Art und Beschaffenheit des Produkts.“ Ob und wie sich der Versandhandel vor Betrügern schützt, die in dem Wissen bestellen, dass Amazon auf die Rücknahme verzichtet, erklärt Maukel nicht. Auch macht sie keine Angaben dazu, wie häufig solche Betrügereien vorkommen.

Bekannt ist, dass Amazon bei niedrigpreisigen Artikeln darauf verzichtet, reklamierte Waren zurückzufordern. Für den Händler rechnet es sich in diesen Fällen offensichtlich nicht, den Zustand der Lieferung zu überprüfen und die gebrauchte Ware erneut anzubieten. Weil „ein Weiterkauf von retournierten Lebensmitteln“ laut Amazon ohnehin nicht stattfindet, scheint sich die Rücknahme bei der Unternehmenssparte Pantry offenbar noch weniger zu lohnen. Zur Freude von Robert Grün und seinen Studienfreunden.

Betrug im Kleinen

Aber wie lange geht das gut? Sascha Berens vom Kölner Handelsinstitut EHI glaubt, dass der Missbrauch in der Regel vielleicht ein oder zwei Mal funktioniere. Amazon sei bei der Rücknahme von Artikeln zwar „sehr kulant“, von „Betrugsfällen im großen Stil“ hat der E-Commerce-Experte aber noch nichts gehört. Laut Berens sind Reklamationen von Lebensmitteln im Allgemeinen selten. Das läge daran, dass der Wert der einzelnen Produkte sehr niedrig sei: „Kunden reklamieren ihre Bestellung nicht wegen eines nicht mehr ganz frischen Salatkopfes.“

Fallen Amazon-Nutzer trotzdem durch häufige Reklamationen auf, könne sie der Händler für weitere Bestellungen blockieren, erklärt Berens. Dafür überprüft das Unternehmen das Kaufverhalten und schließt Kunden im Zweifel aus. In letzter Zeit wende Amazon diese Praxis vermehrt an, auch langjährige Kunden des Premiumdienstes Amazon Prime seien betroffen, berichtet der Experte. Das Bestellverbot könnte allerdings nicht die einzige Folge für Grün sein.

"Betrügerische Machenschaft"

Der Rechtsanwalt Arndt Kempgens bezeichnet das Verhalten als „betrügerische Machenschaft“. Weil Grün zu keinem Zeitpunkt eine echte Kaufabsicht habe und das Unternehmen somit täusche, verstoße er gegen das Gesetz. Kempgens sieht Parallelen zum sogenannten „Wardrobing“, bei dem Verbraucher teure Kleidung fürs einmalige Tragen bestellen und danach zurückschicken. Die strafrechtliche Verfolgung ist nach Einschätzung des Rechtsanwalts aber nicht besonders aussichtsreich. Die Absichten eines Käufers vor der Bestellung per Mausklick ließen sich nur schwer ergründen.

Bei Rewe und Edeka funktioniert der Betrug nicht

Bei den deutschen Lebensmittellieferdiensten sind solche Falschbestellungen jedoch schwerer möglich: Edekas Bringmeister.de und der Rewe-Lieferservice schicken ihre Boten direkt vor die Haustür. Produkte, die beschädigt sind oder dem Kunden schlichtweg nicht gefallen, nehmen die Boten dann gleich wieder mit. Reklamationen kämen daher nur in „absoluten Ausnahmefällen“ vor, heißt es bei Edeka.

Auch Amazon verkauft online nicht nur haltbare Lebensmittel. Seit vergangenem Jahr gibt es mit „Amazon Fresh“ einen Dienst, der Obst und Gemüse, Fleisch- oder Milchprodukte in Großstädten wie Berlin anbietet. Boten liefern die Bestellung noch am selben Tag aus und übernehmen die Retour. Fallen Kunden Beschädigungen erst später auf, können sie sich ihr Geld innerhalb von 30 Tagen von Amazon erstatten lassen. Die abgelaufenen Lebensmittel zurückgeben müssen Kunden dann nicht mehr.

Mehr bestellen, ohne zu bezahlen, will Grün im Moment aber auch gar nicht. Zurzeit sei der Vorratsschrank gut gefüllt – und eine Sperrung seines Bestellkontos will er auch nicht riskieren.

Auch ein Trick: Abendkleid online bestellen, einmal tragen und dann zurückschicken.
Auch ein Trick: Abendkleid online bestellen, einmal tragen und dann zurückschicken.

© Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa

Abiballkleid kaufen und zurückschicken?

Was ist aber nun mit dem "Wardrobing"? Sie kursieren immer wieder, die Geschichten von jungen Mädchen, die sich ihr Abendkleid für den Abiball bei Zalando oder Otto bestellen und nach dem Ball zurückschicken. Oder die Story vom vermeintlich nicht passenden Smoking, in dem die Versender nach der Rücksendung aber die Theaterkarte in der Jackentasche finden. Plausibel wäre das schon, immerhin kosten Festtagskleider eine Stange Geld und werden nur höchst selten getragen. Häufen sich solche Vorfälle vor den Abibällen oder vor Silvester?

Was zurückgeht

Nein, sagen die Unternehmen. Bei Zalando stellt man „keine besonderen Auffälligkeiten“ zu bestimmten Terminen fest. Auch bei Otto gibt es keine Häufung vor bestimmten Anlässen. Hinzu kommt: Abendkleider oder Smokings werden erheblich seltener zurückgeschickt als Jeans, T-Shirts oder Blusen. „Man macht sich die Kaufentscheidung hier nicht leicht“, sagt Otto-Sprecher Frank Surholt. Dagegen bestellen Kunden Jeans oder andere Alltagsklamotten gern mal in mehreren Größen und Schnitten und schicken das, was nicht gefällt oder passt, zurück.

Wie es geht

Bei Zalando und Otto sind Retouren kostenlos. Allerdings schreibt Zalando in seinen Geschäftsbedingungen ausdrücklich, dass nur ungetragene Ware zurückgenommen wird. In aller Regel senden die Kunden die Artikel in einem einwandfreien Zustand zurück, betont Zalando-Sprecherin Linda Hübner. Die Ware wird dann ganz normal weiterverkauft. Bei kleineren Mängeln bietet Zalando die Kleidung billiger an, etwa in einem der Outlets. Stellt Otto fest, dass Kleider getragen sind und der Kunde sie dreckig oder kaputt retournieren will, muss der Käufer die Ware behalten und die Transportkosten übernehmen.

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