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Wirtschaft: Die EU muss sich an den Besten messen

Europa braucht schnellere Reformen – sonst funktioniert der Euro nicht Von Michael Heise

Europa ist in Bewegung: Italien stimmt an diesem Wochenende über die Richtung seiner Reformen ab, Frankreich demonstriert gegen Reformen, Deutschland diskutiert über neue Reformen. All das geschieht nicht ohne Grund: Die EU-Regierungschefs haben vor kurzem bekräftigt, die Union konkurrenzfähiger machen zu wollen und Wachstum und Beschäftigung zu fördern. Sie wollen den so genannten Lissabon-Prozess fortsetzen – ihre Ziele sind: zwei Millionen neue Jobs pro Jahr, bessere Ausbildung und Beschäftigung von Schulabgängern, Erhöhung der Ausgaben für Forschung und Entwicklung auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Man mag diese Ziele kritisieren, weil sie planwirtschaftlich wirken und wenig darüber gesagt wird, wie sie umgesetzt werden sollen. Aber die Idee, dass sich die Staaten selbst verpflichten, ihre Volkswirtschaften leistungsfähiger zu machen, ist durchaus zu begrüßen. Denn Brüssel kann ihnen diese Arbeit nicht abnehmen. Und nur wenn alle Länder an einem Strang ziehen und ihre jeweiligen Hausaufgaben erledigen, wird die Lage in der EU insgesamt besser werden.

Allerdings ist dringend mehr Transparenz nötig, wenn es um die Erreichung der verschiedenen, ehrgeizigen Ziele geht. Die Öffentlichkeit muss wissen, wo die einzelnen Länder stehen, und sie muss darüber diskutieren. Das würde es erleichtern, von den Besten in der EU zu lernen. Zugleich würde klar werden, dass sich die Regierungen in zu vielen Bereichen zu sehr zurückgehalten haben – etwa bei der Liberalisierung der Arbeits- oder der Dienstleistungsmärkte. Der jüngste Kompromiss zur Dienstleistungsrichtlinie etwa kann nur ein erster Schritt sein.

Für die Länder der Eurozone haben wirtschaftspolitische Reformen ohnehin eine besondere Bedeutung. Sie können dazu beitragen, das Zusammenwachsen der Märkte zu verstärken und Preisunterschiede auszugleichen. Dann würden sich auch die Inflationsraten in den Euro-Ländern einander angleichen. Der Euro funktioniert zwar trotzdem – aber unterschiedliche Preisentwicklungen können auf Dauer zu gesamtwirtschaftlichen Spannungen führen. So stellen wir seit Beginn der Währungsunion fest, dass Länder mit anfangs niedrigen Inflationsraten über die gesamte Zeit weiterhin unter dem Durchschnitt geblieben sind, während Länder mit einer anfangs höheren Inflationsrate diese beibehalten haben.

Das hat nicht zu unterschätzende wirtschaftliche Folgen: Länder mit etwas höherer Inflation zeichnen sich oft durch eine kräftig steigende Binnennachfrage aus, insbesondere bei Konsum und Bauinvestitionen. Auf der anderen Seite führen dauerhafte Inflationsunterschiede dazu, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit einzelner Staaten über die Zeit verändert. Länder mit geringer Inflation gewinnen im intensiven Preiswettbewerb weltweit Marktanteile – Deutschland ist dafür ein Beispiel. Länder mit höherer Inflation dagegen verlieren. Wenn solche Verschiebungen länger anhalten, kann die Akzeptanz des Euro leiden. Dass Deutschland sich immer wieder über das zu hohe Zinsniveau beklagt, ist dafür ebenso ein Beispiel wie die Forderung italienischer Politiker, den Euro zu verlassen.

Offenbar funktioniert die gemeinsame Währung noch nicht gut genug – die Bedingungen dafür müssen also verbessert werden. Das heißt vor allem, Waren-, Dienstleistungs- und auch Arbeitsmärkte stärker zu integrieren und zu liberalisieren, damit sich Preise und Löhne in der Eurozone nicht auseinander entwickeln. Die Lissabon-Reformen sind der richtige Weg – sie müssen nur schneller vorankommen.

Michael Heise ist Chefökonom von Allianz und Dresdner Bank.

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