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Wirtschaft: „Die Gewerkschaften pflegen ihren Egoismus“

VW-Betriebsratschef Klaus Volkert über Dienstwagenbesteuerung, Hartz-Kommission und das Beschäftigungsmodell 5000 mal 5000

Herr Volkert, VWChef Bernd Pischetsrieder hat kürzlich gesagt, wir bräuchten Vertrauen in die Führung des Landes, um die Krise zu überwinden. Haben Sie noch Vertrauen in Ihren Duzfreund Gerhard Schröder?

Vertrauen muss man sich erarbeiten – und damit hat die Bundesregierung eine Menge zu tun. Ich wünschte mir, dass viele Dinge sorgfältiger überlegt werden, bevor sie durch die Gazetten gejagt werden. Fairerweise muss man aber auch sagen, dass der 22. September noch nicht so lange her ist.

Zu den umstrittenen Maßnahmen der Regierung gehört die Erhöhung der Dienstwagensteuer. Haben Sie Schröder auf die Gefahren für die Autoindustrie hingewiesen?

Ja, ich habe ihm einen Brief geschrieben.

Ohne Erfolg?

Warten wir es doch mal ab. Gerhard Schröder kennt jedenfalls die Problematik. Dass in der Bundesregierung unterschiedliche Positionen bestehen, zum Beispiel beim Finanzminister eine andere als beim Wirtschaftsminister, ist doch klar.

Wie schwer ist der Schaden für VW, wenn die Erhöhung kommt?

Das weiß ich nicht. Aber bis jetzt hat noch immer jede Seite einen Ausweg aus neuen, schwierigen Situationen gefunden. Bei den Belegschaften und der Bevölkerung kommt das natürlich gut an, dass endlich mal die Großkopferten zur Kasse gebeten werden: Die haben genug Geld, die können ruhig mehr für den Dienstwagen zahlen.

Der Autoverband befürchtet aber Umsatzeinbußen von drei Milliarden Euro.

Wir wissen, wie solche Zahlen zu stande kommen. Diejenigen, die mit solchen Zahlen arbeiten, sind die Interessenvertreter von denen, die Dienstwagen fahren. Der Eigennutz kommt dabei nicht zu kurz. Und eins habe ich gelernt: Je mehr die Leute verdienen, um so geiziger werden sie. Doch die, die es sich leisten können – und ich gehöre auch dazu – die können ein paar Mark mehr bezahlen.

Trotzdem haben Sie Schröder einen Brief in dieser Angelegenheit geschrieben.

Ja, ich habe darauf hingewiesen, dass das zu Ende gedacht werden muss – im Hinblick auf die Folgen, möglicherweise auch auf Arbeitsplätze. Aber alles in allem haben wir wichtigere Probleme als die Dienstwagenbesteuerung.

Welche?

Wenn sie in dieser Wohlstandsgesellschaft – und wir gehören ja nicht zu den ärmsten Ländern – etwas verändern wollen, treffen sie sofort auf die hartnäckigsten Lobbyisten. Bei jedem Thema. Wir müssen den Leuten aber klar machen, wenn sie weiter in das Schwimmbad gehen wollen, dann kostet das künftig nicht mehr fünf sondern zehn Euro, weil der Badebetrieb nicht mehr subventioniert werden kann. Doch diese Courage haben die Politiker nicht. Und was sind Schwimmbäder gegen Rente und Gesundheit? Hier kommt ein Riesenproblem auf uns zu – da muss man kein Mathematiker oder Philosoph sein, das sind Fakten – vor denen sich die Politik nicht wegducken kann.

Politiker denken an die nächste Wahl.

Das ist das Problem. Da wir ständig Wahlen haben, können wir eigentlich nur an 20 von 365 Tagen effektiv arbeiten.

Effektiv gearbeitet hat die Hartz-Kommission. Sind Sie zufrieden mit dem, was von Hartz übrig geblieben ist?

Dieses Konzept ist das Vernünftigste, was wir jemals hatten. Noch nie hat sich ein so qualifizierter Kreis aus unterschiedlichen Interessengruppen so intensiv mit dem Thema Arbeitslosigkeit beschäftigt. Es gibt also Potenzial in der Republik, das ernsthaft auf ein Ziel hin arbeiten will. Das macht Mut. Zur Umsetzung Eins-zu-Eins ist es schließlich nicht gekommen, weil die Regierung den Einflüsterungen aller möglichen Leute und Lobbyisten ausgesetzt war.

Nicht zuletzt die Gewerkschaften haben sich am Zerfleddern der Vorschläge beteiligt.

Ich weiß das. Die Aktivitäten der Gewerkschaften zum Abbau der Arbeitslosigkeit haben sich aus meiner Sicht mit der 35-Stunden-Woche erschöpft. Danach war nichts mehr. Und ich ärgere mich, dass viele nur ihre Egoismen pflegen. Als wir hier die 28,8-Stunden-Woche eingesetzt haben, da gab es auch mächtig Widerstände gegen eine Arbeitszeitverkürzung ohne vollen Lohnausgleich. Oder nehmen Sie das Modell 5000 mal 5000, mit dem wir den Beweis antreten, dass man sehr wohl Arbeitslose einstellen kann – auch wenn sie keinen akademischen Titel tragen. Wir beweisen: Mit 5000 Mark im Monat beschäftigen wir 5000 Arbeitslose und sind damit effektiv. Das ist ein deutliches Signal für den Standort Deutschland.

Und 5000 mal 5000 ging nur gegen den Widerstand der IG Metall?

Ja. Wir müssen hier in Wolfsburg aber die Courage haben, die Nase weiter rauszustrecken, als es andere können. Das hängt auch damit zusammen, dass auf der Kapitalseite von VW das Land Niedersachsen stark vertreten ist. Wir haben deshalb bessere Möglichkeiten und die Verpflichtung, für die Gesellschaft etwas zu tun.

5000 mal 5000 macht den Arbeitnehmer zum Mit-Unternehmer, der verantwortlich ist für ein bestimmtes Leistungspensum. Ist das gut oder schlecht für die Arbeitnehmer?

Wir garantieren dem Beschäftigten ein festes Einkommen; dafür muss er sein Pensum bringen, selbstbestimmt und eigenverantwortlich. Wer kann sich denn besser die Arbeit einteilen als derjenige, der sie auch macht? Bei uns ist ferner festgeschrieben: lebenslanges Lernen. Das haben wir sogar im Tarifvertrag geregelt. Der Lohnanteil in der Automobilindustrie ist übrigens 14,7 Prozent. Wir tun immer so, wenn wir den Leuten Geld wegnehmen, dann retten wir die Republik. Die Kosten entstehen aber ganz woanders: In nicht schlüssigen Betriebsorganisationen, in schlechten Konzepten für die Arbeitsorganisation, in aufgeblähten Entscheidungsstrukturen und unnötigen administrativen Abläufen – da wird das Geld verbraten.

Wird 5000 mal 5000 ein Modell sein für den ganzen VW-Konzern?

Wenn es uns gelingt, eine Industriearbeit mit einem guten Arbeitseinkommen in Deutschland zu halten, die man auch locker in Billigländer verlagern könnte, dann ist das ein Modell. Das Thema Verlagerung ins Ausland wäre erledigt, wir hätten zufriedene Belegschaften mit einer ordentlichen Kaufkraft. Wenn wir mit einem 5000-Mark-Einkommen ein hochwertiges Produkt herstellen können, das auch eine Gewinnmarge abwirft, dann haben wir gewonnen.

In dem riesigen Wolfsburger Werk wird fast ausschließlich der Golf mit seinen Ablegern produziert. Da das Golf-Segment schrumpft und gleichzeitig immer mehr Wettbewerber angreifen, könnte es kritisch werden für den VW-Heimatstandort.

Wir entzerren künftig Produktanläufe, um im ständigen Fluss neue Modelle auf den Markt zu bringen. Vor allem auch Nischenmodelle wie Cabrios, Coupes, Minivans und Off-Roader. Da sind wir auf einem guten Weg. Aber das Ziel erreichen wir nicht heute und auch nicht morgen. Deshalb müssen wir für den Golf den Absatz stabil halten.

Wie viele Leute arbeiten in Wolfsburg in der Fertigung?

Wir haben noch knapp 20000 in der Produktion, mit denen bauen wir mehr und kompliziertere Autos als früher. Weitere 30 000 sind in anderen Bereichen tätig, vor allem in der Forschung und Entwicklung, wo wir Beschäftigungszuwächse haben. Wichtig ist, auch für die Nicht-Akademiker Arbeit zu schaffen, und dazu trägt 5000 mal 5000 bei.

Sie befürworten ein Einstiegsauto, also einen Kleinwagen für wenig Geld. Wird der kommen?

Ja. So ein Auto muss jedoch nicht zwingend in Deutschland gebaut werden, dass geht auch in Brasilien. Das würde den Standort in Südamerika sicherer machen und uns hier nicht unbedingt schaden.

Sind Sie zufrieden mit dem Erfolg des Phaeton, mit dem VW in der Oberklasse antritt?

Dieses Fahrzeug wird seinen Platz finden. Auch der Audi A 8 hat lange gebraucht, um sich durchzusetzen. Der Phaeton wird sich etablieren, aber zur Zeit noch nicht mit den Stückzahlen, die man sich gewünscht hat.

VW ist Europas größter Autohersteller. Ist der Konzern auf den wichtigsten Weltmärkten gut aufgestellt, insbesondere in Asien?

Wir haben in China ein Wachstum von 73 Prozent. Aber natürlich darf man sich darauf nicht ausruhen. Die Märkte in Westeuropa und in den USA sind weitgehend gesättigt. Also müssen neue Märkte her. Indien zum Beispiel, da redet kein Mensch darüber. Aber dort leben 300 Millionen potenzielle VW-Kunden. Es wird allerhöchste Zeit für VW, sich dort umzugucken. Natürlich gibt es Risiken. Aber die gibt es in China auch. Nach China fließt momentan unwahrscheinlich viel Geld. Aber ähnlich wie bei der New Economy wird dort so manchen die Wirklichkeit einholen. Nicht jeder wird überleben, der in China auftaucht.

Das Gespräch führte Alfons Frese.

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