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Wirtschaft: Die letzte Chance

An diesem Montag beginnen in Genf die neuen Welthandelsgespräche

Berlin - Die Hoffnung auf eine Einigung ist groß, wenn die Minister der Welthandelsorganisation WTO an diesem Montag zu ihrer entscheidenden Runde in Genf zusammenkommen. „Wir wünschen uns ein klares freihändlerisches Signal“, sagte Anton Börner, Präsident des Deutschen Groß- und Außenhandelsverbandes, dem Tagesspiegel. Auch EU- Handelskommissar Peter Mandelson appellierte an die WTO-Länder, angesichts der hohen Energie- und Lebensmittelpreise, steigender Inflation und der Schwäche der Immobilienmärkte ein deutliches Zeichen zu setzen. „Die schwächelnde Wirtschaft braucht ein Signal, um wieder Vertrauen zu fassen“, sagte er. Sollten die Minister der 30 wichtigsten Handelsnationen bis Freitag keine Einigung erzielen, dann könnte für mehrere Jahre das Fenster für einen Abschluss der Welthandelsgespräche verschlossen sein, fürchten Experten.

Die sogenannte Doha-Runde der Welthandelsorganisation (WTO) läuft bereits seit sieben Jahren. Ihr Ziel ist es, Handelshemmnisse wie Zölle zu senken, um den internationalen Warenhandel zu erleichtern. Hauptstreitpunkte sind die Agrarsubventionen und die Zölle für Industriegüter. Von der Liberalisierung sollen vor allem die armen Länder profitieren. Ob das funktioniert oder die Öffnung der Märkte nicht vor allem den Industrieländern zugutekommt, ist umstritten.

Kurz nach den Terroranschlägen in den USA und dem Platzen der New-Economy-Blase hatten sich die WTO-Länder im November 2001 in Doha, der Hauptstadt des Golfstaates Katar, auf die neue Verhandlungsrunde geeinigt. Eigentlich sollte sie schon 2004 beendet sein. Doch Nachfolgetreffen führten zu nichts. Seit Februar sind sich die 153 WTO-Länder unter Moderation von WTO-Chef Pascal Lamy in den Kernfragen aber wieder näher gekommen, heißt es. „Vieles spricht dafür, dass die Chancen auf eine Einigung diesmal größer sind als 50 Prozent“, sagte Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Bank of America, dem Tagesspiegel. „Ein Deal ist möglich.“

Das hängt auch mit der bevorstehenden Wahl in den USA zusammen. „US- Präsident Georg W. Bush dürfte großes Interesse daran haben, dass zum Ende seiner Amtszeit noch eine Einigung zustande kommt, um sich einen Platz in den Geschichtsbüchern zu sichern“, sagte Schmieding. Die komplizierte, langwierige Umsetzung wäre dann aber nicht mehr seine Sache. Vor allem die Entwicklungsländer drängen darauf, dass die USA ihre hohen Agrarsubventionen zurückschrauben, um besseren Zugang zu den Märkten zu bekommen. Auch die EU-Staaten wollen einen Abschluss, der die Entwicklungs- und Schwellenländer stärker in den Welthandel einbezieht. Ein „Abschluss der Doha-Runde um jeden Preis“, warnte der deutsche Wirtschaftsstaatssekretär Bernd Pfaffenbach im Vorfeld, komme aber nicht infrage.

Wie groß der Wohlstandszuwachs tatsächlich wäre, wenn eine Einigung in Genf zustande käme, ist schwer zu schätzen. Die WTO selbst geht davon aus, dass Verbraucher und Firmen rund 125 Milliarden Dollar weniger Zölle zahlen müssten. Andere Berechnungen gehen von einem globalen Einkommenszuwachs aus, der zwischen 50 und 200 Milliarden Dollar liegen würde. „Gemessen am Weltsozialprodukt ist das eine vernachlässigenswerte Größe“, sagte Georg Koopmann vom Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) dieser Zeitung. Problematischer sei im Fall eines Scheiterns die dann zu erwartende Zunahme des Protektionismus. Um die eigenen Märkte zu schützen, könnten neue Zölle und andere Handelsschranken errichtet werden. „Das würde zu steigenden Preisen und einer neuen Preisspirale führen“, meint Koopmann.

Eine neue Welle des Protektionismus befürchtet auch die Wirtschaft. Die Doha-Runde sei die letzte große Chance für ein multilaterales Welthandelsabkommen, sagte Christoph Wolf, Außenwirtschaftsexperte des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), dem Tagesspiegel. „Es wäre fatal, wenn diese Chance ungenutzt bliebe und der Protektionismus weltweit die Oberhand behielte.“ Maren Peters

Maren Peters

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