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Wirtschaft: Die Macht der Bürgermeister

Die Regierung will die Gewerbesteuer reformieren – ihre Chancen sind gering

Von Antje Sirleschtov

Die große Koalition bereitet eine Unternehmensteuerreform vor. In diesem Herbst werden dafür die Weichen gestellt. Ab 2008 sollen die Unternehmen niedrigere Steuern bezahlen, trotzdem sollen keine Milliardenlöcher in den Staatshaushalt gerissen werden. Worüber streiten SPD und Union und welche Auswirkungen hat die Reform auf Unternehmen? Der Tagesspiegel erklärt in einer Serie Hintergründe und Fakten im deutschen und im internationalen Steuerdschungel.

Die Unternehmen bezeichnen die Gewerbesteuer gerne als „Sonderlast“ Deutschlands, die besser sofort abgeschafft werden sollte. Kommunalpolitiker weisen hingegen daraufhin, dass nur diese Steuer dafür sorgen kann, dass die Kommunen die für die Wirtschaft notwendige Infrastruktur vorhalten können. Ein jahrzehntelanger Streit, der sich quer durch alle Parteien zieht, und der letztlich jeden Versuch, die Gewerbesteuer abzuschaffen, zunichte gemacht hat. Die große Koalition hat sich deshalb einen solchen Schritt erst gar nicht vorgenommen. Die Berliner Politiker wissen nur zu gut, wie groß die Macht der Bürgermeister in ihren Parteien ist.

Die Reformer in SPD und Union haben sich deshalb das Ziel gesetzt, die Bemessungsgrundlage von Körperschaft- und Gewerbesteuer zu „vereinheitlichen“. Das heißt, sie wollen dafür sorgen, dass beide Steuerarten in Zukunft auf der gleichen Grundlage errechnet werden. Doch nach den ersten Verhandlungsmonaten sieht es so aus, als ob auch dieser Versuch scheitern wird. Die Kommunen wachen mit Argusaugen über ihre Gewerbesteuer, jeder Versuch, eine Änderung herbeizuführen, die möglicherweise zum kommunalen Nachteil geraten könnte, wird von den kommunalen Spitzenverbänden sofort torpediert.

Körperschaft- und Gewerbesteuer werden grundlegend anders berechnet. Während die Körperschaftsteuer (bis auf Ausnahmen) vom Gewinn des Unternehmens abhängt, legt die Gewerbesteuer den Ertrag fest und besteuert ihn. Sie ist in Teilen also eine Substanzbesteuerung. Wesentlich dafür sind die sogenannten Dauerschuldzinsen, also Zinsen, die für langfristige Kredite bezahlt werden. Wenn beispielsweise das Bauunternehmen Müller & Sohn im Jahr einen Gewinn von 200 Euro macht und Dauerschuldzinsen von 100 Euro bezahlt, dann beträgt der zur Berechnung der Körperschaftsteuer maßgebliche Betrag 100 Euro. Bei der Gewerbesteuerberechnung indes darf das Unternehmen nur die Hälfte der Schuldzinsen zu seinen Gunsten ansetzen, der Gewerbeertrag beträgt somit 150 Euro. Diese hälftige Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen betrifft im Prinzip auch Finanzierungsanteile bei Mieten und Leasinggeschäften. Damit soll verhindert werden, dass insbesondere Konzerne überall in Deutschland ihre Zweigstellen über Darlehen und Vermietungen finanzieren und damit an den Orten des Gewerbes keine Gewerbesteuer zahlen.

Wollten die Steuerreformer der großen Koalition nun eine einheitliche Bemessungsgrundlage für Gewerbe- und Körperschaftsteuer einführen, müssten sie entweder die Zinsen und Leasinggebühren bei der Körperschaftsteuer – zumindest hälftig – zum Gewinn hinzurechnen, oder die bestehende hälftige Hinzurechnung bei der Gewerbesteuer abschaffen. Beides scheint derzeit völlig unmöglich – die jeweiligen Interessengruppen, Unternehmer und Kommunen, laufen seit dem Sommer dagegen Sturm. Deshalb wird im Bundesfinanzministerium noch ein dritter Weg untersucht: Die vollständige Hinzurechnung von Zinsen und Finanzierungsanteilen bei der Gewerbesteuer und das Verbot, die Steuerzahlung bei der Berechnung der Körperschaftsteuer als Betriebsausgabe abzuziehen. Die Kommunen würden damit ihre Ertragssteuer bestätigt finden, die Unternehmen müssten bei der Körperschaftsteuer keine Zinsbesteuerung mehr fürchten. Zwischen Bund und Kommunen allerdings würde ein solcher Schritt erneut zu komplizierten Steuerverrechnungen führen. Denn beide Seiten wollen auf ihre jeweiligen Einnahmen möglichst nicht verzichten.

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