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Wirtschaft: "Die Marke Joop emanzipiert sich von ihrem Schöpfer"

TAGESSPIEGEL: Anfang des Jahres kündigten zwei deutsche Manager an, sie wollten ihre Gemischtwarenläden aufräumen und sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren.Einer hieß Jürgen Dormann.

TAGESSPIEGEL: Anfang des Jahres kündigten zwei deutsche Manager an, sie wollten ihre Gemischtwarenläden aufräumen und sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren.Einer hieß Jürgen Dormann.Dessen Unternehmen Hoechst hört demnächst auf zu und sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren.Einer hieß Jürgen Dormann.Dessen Unternehmen Hoechst hört demnächst auf zu existieren.Der andere hieß Peter Littmann.Was passiert mit der Wünsche AG?

LITTMANN: Mit der Wünsche AG ist schon vieles passiert.Wir haben uns von allen Geschäftsfeldern getrennt, die nicht zu unserer Kernkompetenz - Mode und Lifestyle - gehören.Unser zweites Ziel war es, mit gezielten Akquisitionen unseren Konzern zum Lifestyle-Konzern umzubauen.Anfang des Jahres haben wir Joop gekauft - das war sehr erfolgreich.Auch unsere zweite Neuerwerbung - Cinque - ist vielversprechend.Das dritte Ziel war der Aufbau eines professionellen Managements.Auch das ist gelungen.Wir haben jetzt ein hervorragendes Team, um das uns die Branche beneidet.Das ist ein Vertrauensbeweis.

TAGESSPIEGEL: Vertrauen in Sie oder in die Wünsche AG?

LITTMANN: Beides.Unser Konzept ist eine Herausforderung.Es ist ja nicht ganz einfach, einen Konzern komplett umzumodeln und einen deutschen internationalen Lifestyle-Konzern aufzubauen.So etwas gibt es bisher nicht.

TAGESSPIEGEL: Die Aktionäre haben den Kurswechsel bisher nicht honoriert.

LITTMANN: Am Anfang schon.Der Kurs ist explodiert.Dann kam der Börsencrash im Oktober 1997, und am selben Tag hatten wir eine Pressekonferenz, auf der wir die Gewinnerwartungen unserer Vorgänger nach unten korrigieren mußten.Das - und das ungünstige Klima an der Börse seit Juli - hat zu einer gewissen Ernüchterung geführt.In der letzten Zeit hat sich der Kurs aber wieder erholt.

TAGESSPIEGEL: Anders als Joop hat der Cinque-Kauf den Kurs aber nicht beflügelt.

LITTMANN: Das haben wir auch nicht erwartet.Die Börse reagiert auf bekannte Namen.In der Branche ist Cinque bekannt, dem großen Publikum aber nicht.Aber solche Kurs-Strohfeuer wollen wir auch gar nicht.Uns ist es lieber, der Kurs entwickelt sich stetig - nach oben.

TAGESSPIEGEL: Was kaufen Sie als nächstes: Jil Sander, Escada?

LITTMANN: Wir kaufen Firmen, die das Potential zu einer Wertsteigerung haben.Es macht keinen Sinn, ein heute schon arriviertes, erfolgreiches und damit auch teures Unternehmen zu übernehmen.

TAGESSPIEGEL: Und Joop?

LITTMANN: Joop war zwar national erfolgreich, aber noch nicht international.Das Unternehmen hat ein riesiges Potential im Ausland.Aber wir können uns auch vorstellen, eine nicht-deutsche Firma zu kaufen, die in ihrem Heimatmarkt stark ist.Oder wir kaufen ein Unternehmen, das schlecht gemanaged ist und unter seinen Möglichkeiten bleibt.Oder das - wie Cinque - noch relativ klein ist, und das wir größer machen können.

TAGESSPIEGEL: Also keine spektakulären Übernahmen mehr?

LITTMANN: Wir sind natürlich auf der Suche.Vielleicht finden wir ja ein Unternehmen, das beides vereint: einen bekannten Namen und Potential.Das gibt es auch.Wir führen derzeit viele Gespräche.Wir bemühen uns darum, das Vertrauen der Inhaber zu gewinnen.Wir möchten, daß die Leute nicht einfach verkaufen und Kasse machen, sondern bei uns im Boot bleiben.

TAGESSPIEGEL: Sind Ihnen Familienunternehmen lieber als Kapitalgesellschaften?

LITTMANN: Ich mag Familienunternehmen.Unser Staat, unsere Gesellschaft sind anonym.Das ist für die Menschen nur schwer zu ertragen.Großunternehmen sind auch anonym.Bei Familienunternehmen sind die Entscheidungswege kürzer, die Entscheidungen sind persönlicher, und die Mitarbeiter haben die Chance, sich mit der Führung zu identifizieren.Wir versuchen mit unserer Mode, Anonymität zu brechen und Vertrautheit mit den Dingen, die uns umgeben, herzustellen.Das ist mir auch bei den Beziehungen im Unternehmen sehr wichtig - auch der gute und vertrauensvolle Kontakt zu Wolfgang Joop gehört dazu.

TAGESSPIEGEL: Was wird aus Joop, wenn Wolfgang Joop einmal aufhört?

LITTMANN: Das ist eines der schwierigsten Probleme, die Unternehmen bewältigen müssen, die auf eine Person und eine Marke zugeschnitten sind.Eine Designermarke durchbricht die Anonymität der Gesellschaft.Die Menschen sehen eine Person.Damit können sie sich identifizieren.Wenn die Marke keine anderen Inhalte hat als die Person des Designers, dann wäre sie in ihrer Existenz bedroht, wenn der Macher aussteigt.Deshalb sorgt jeder, der eine solche Marke hat, dafür, daß sich die Marke langsam von ihrem Schöpfer emanzipiert.Das Problem ist uns bewußt, aber wir haben Zeit.Wolfgang Joop ist sehr motiviert und involviert und alles andere als auf dem Weg, die Brocken hinzuschmeißen.Im Gegenteil: Durch die Verbindung mit uns hat er einen zweiten Atem bekommen.

TAGESSPIEGEL: Und wie lösen Sie das Problem?

LITTMANN: Wir haben das Problem nicht.Weil wir gemeinsam mit Wolfgang Joop der Marke Inhalte geben, für die sie auch dann noch steht, wenn ihr Schöpfer eines Tages für das Unternehmen nicht mehr da ist.Die Marke Joop steht für Modernität, für Zeitgeist, und sie hat eine erotische Ausstrahlung auf beide Geschlechter.

TAGESSPIEGEL: Wollen Sie behaupten, daß das unabhängig von der Person Wolfgang Joop ist?

LITTMANN: Natürlich nicht.Aber langfristig gehört das auch zu den Inhalten der Marke.Wie auch die Widersprüchlichkeit und die Brüchigkeit der Person Joop: Die Welt ist nicht in Ordnung, die Menschen leben in Konflikten.Eine Marke, die glaubwürdig sein will, darf den Menschen keine heile Welt vorgaukeln.Viele Marken tun aber genau das.

TAGESSPIEGEL: Versteht man diese Brüchigkeit auch außerhalb Deutschland?

LITTMANN: In Europa schon.Ich denke, wenn wir es richtig erklären, auch außerhalb.

TAGESSPIEGEL: Aber man kauft Joop nicht, weil man das Leben als widersprüchlich oder brüchig empfindet! Die Werbekampagne, in deren Mittelpunkt das Porträt des Fotographen Mapplethorpe von Wolfgang Joop stand, ist doch nicht die Marke Joop, das ist Wolfgang Joop.

LITTMANN: Das Porträt stammt aus dem Jahre 1982.Mapplethorpe war ein sehr kontroverser Kultfotograph, der an Aids gestorben ist.Das Foto zeigt Wolfgang nicht "schön", sondern verletzlich, es ist ein sehr intimes Foto.Wir haben nach dem Kauf von Joop beschlossen, aus diesem Foto eine Kampagne zu machen, um zu zeigen, daß hier eine neue Welt eröffnet wird, daß wir einen neuen Weg gehen und daß wir die Marke in dieser Richtung positionieren wollen.Wir wollten die Meinungsführer ansprechen.

TAGESSPIEGEL: Wer ist das?

LITTMANN: Prominente, Künstler, Modeleute, Journalisten, Studenten, Architekten, Ärzte.Leute, die für Neues aufgeschlossen sind.Die prägen das Image einer Marke und übertragen es dann auf eine breitere Schicht.

TAGESSPIEGEL: Und dann laufen die Bierbäuche vom "Ballermann 6" mit Joop-T-Shirts durch die Gegend.

LITTMANN: Ich habe einmal den Pop-Art-Künstler Roy Liechtenstein gefragt: "Roy, du machst dir viele Gedanken über jedes Bild.Und dann kauft jemand dieses wunderbare Bild und hängt es über ein scheußlich grünes Sofa.Wie kommst du damit zurecht?" Und er hat gesagt: "Blendend".Man kann sich seine Sammler oder Käufer nicht aussuchen.Wolfgang Joop kann nur dafür sorgen, daß das Produkt in Ordnung ist.Ob der Bauch unter dem T-Shirt klein oder groß ist, das können wir nicht beeinflussen.Und ich bin auch nicht der liebe Gott, zu sagen, der dicke Bauch ist weniger schön als der dünne.

TAGESSPIEGEL: Was ist Lifestyle?

LITTMANN: Für uns ist Lifestyle im Kern Mode und darum herum modeähnliche Aktivitäten.Mode allein ist zu wenig.Joop macht ja auch Brillen und eines Tages Teller.Lifestyle ist das, womit sich Menschen umgeben, wie sie ihr Lebensumfeld gestalten und womit sie sich identifizieren.

TAGESSPIEGEL: Ist Lifestyle nur Form oder auch Inhalt?

LITTMANN: Lifestyle ist Form und Inhalt.Mode ist Kommunikation.Durch die Auswahl dessen, was ich anziehe, signalisiere ich, so bin ich oder so will ich sein.Und deshalb entscheide ich mich für Joop oder für eine andere Marke.Aber das betrifft nicht nur die reine Mode, sondern auch die Wahl des Autos, der Stereoanlage oder der Möbel.Bezogen auf unsere Firmen, kann ich sagen: Der Cinque-Käufer ist kein Joop-Käufer und umgekehrt.

TAGESSPIEGEL: Kann man ein Lifestyle-Unternehmen betreiben, das Wünsche AG heißt?

LITTMANN: Ja.Wünsche ist ein schöner Name - der vieles offen läßt.Abgesehen davon begegnen unsere Kunden aber ohnehin nicht der Wünsche-Holding sondern unseren Marken Joop, Cinque oder Jean Pascale.Wünsche kennen Sie doch nur als Aktionär.

TAGESSPIEGEL: Auf was achten Sie, wenn Sie einen Menschen kennenlernen - die Klamotten?

LITTMANN: Nicht nur.Ich höre natürlich genau zu, was er sagt.Ich betrachte den Menschen in seiner Gesamtheit.Aber dazu gehört natürlich auch, was er trägt.Heute hat jeder die freie Wahl, zumindest die Mittelschicht.Was ich anziehe, vermittelt eine Botschaft.

TAGESSPIEGEL: Gucken Sie, ob jemand Joop trägt?

LITTMANN: Natürlich.

TAGESSPIEGEL: Was kommt für Sie nach Wünsche?

LITTMANN: Ich habe einen guten Kompromiß gefunden.Ich kann in dem Konzern etwas Größeres bewegen, und ich bin Mitunternehmer.Ich habe eine Option auf 10 Prozent der Wünsche-Aktien und die werde ich planmäßig bis zum nächsten Jahr ausgeübt haben.So etwas habe ich immer gesucht und vorher nie gefunden.Ich werde nicht so bald von hier weggehen.Aber wenn das hier beendet ist, kann ich mir für mich kein weiteres Engagement in der Wirtschaft vorstellen.Dann mach ich was ganz anderes.

TAGESSPIEGEL: Eine Galerie?

LITTMANN: Kann schon sein.

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