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Wirtschaftslage: Die Regierung wird skeptisch

Der Aufschwung am Arbeitsmarkt soll 2009 an Schwung verlieren. Die weltweite Finanzkrise und der hohe Eurokurs belastet das Wirtschafswachstum. Die Stimmung der Firmen kippt, sie sehen ihre Zukunft skeptischer als noch vor einem Monat.

Berlin - Die Aussichten für die deutsche Wirtschaft trüben sich merklich ein. Angesichts der Belastungen durch die weltweite Finanzkrise und den hohen Eurokurs erwartet die Bundesregierung für das kommende Jahr nur noch ein Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent. Auch die Unternehmen sind skeptischer geworden. Der Geschäftsklimaindex des Münchner Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) sank im April unerwartet stark auf 102,4 Punkte, nach 104,8 Punkten im März.

Zuvor war der Ifo-Index drei Monate in Folge gestiegen. „Nach dem Zwischenhoch zu Jahresanfang 2008 sprechen die neuen Umfrageergebnisse für eine langsamere Gangart der Konjunktur“, sagte Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in München. Der Umfrage zufolge beurteilten die Unternehmen sowohl ihre aktuelle Geschäftslage als auch ihre Aussichten für die Zukunft skeptischer als noch vor einem Monat.

„Wir sehen die deutsche Wirtschaft immer noch im Aufwind“, sagte Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) am Donnerstag in Berlin. „Aber wir sehen natürlich auch den Gegenwind, der aus anderen Teilen der Welt kommt.“ Gemeint waren damit vor allem die USA, deren Wirtschaft durch die Immobilienkrise stark getroffen wurde und sich nach Ansicht vieler Experten bereits in der Rezession befindet. Es sei „eine Illusion“ zu glauben, dies würde keine Auswirkungen auf Deutschland haben, sagte Glos. „Wir sind keine Insel der Seligen.“ Auch die hohen Energiepreise belasteten die deutsche Wirtschaft und entzögen ihr Kaufkraft, sagte Glos. Dennoch bleibt die Bundesregierung für die meisten Indikatoren vorsichtig optimistisch.

WACHSTUM

Für das laufende Jahr hält die Regierung an ihrer Wachstumsprognose von 1,7 Prozent fest und liegt damit nur leicht unter der Vorhersage der von ihr beauftragten Wirtschaftsforschungsinstitute, die in der vergangenen Woche 1,8 Prozent vorhergesagt hatten. 2007 war die Wirtschaft noch um 2,5 Prozent gewachsen. Deutschland komme die starke Stellung der Industrie zugute, sagte Glos am Donnerstag. Die Auftragseingänge seien dort nach wie vor sehr gut – vor allem im Maschinenbau. Auch der Export ins Ausland trage zum Wachstum bei. „Es ist möglich, dass Deutschland in diesem Jahr Exportweltmeister bleibt“, sagte Glos.

Für das kommende Jahr gehen die Vorhersagen allerdings deutlich auseinander. Die Bundesregierung rechnet nur noch mit 1,2 Prozent Wachstum und ist damit so pessimistisch wie sonst kaum jemand (siehe Grafik). Auch die Wirtschaftsforschungsinstitute liegen mit 1,4 Prozent deutlich über der Erwartung der Regierung. „Wir sind etwas vorsichtiger“, sagte Glos.

Optimistisch sind dagegen die Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin. „Die Finanzkrise trifft Deutschland bei weitem nicht so stark, wie einige das mal gedacht haben, sagte DIW-Konjunkturchef Christian Dreger dem Tagesspiegel. Er rechnet im laufenden Jahr mit einem Wachstum von zwei Prozent – auch 2009 sollen noch 1,6 Prozent übrig bleiben.

ARBEITSMARKT

Auch auf dem Arbeitsmarkt soll es im kommenden Jahr nicht mehr so positiv laufen wie bisher. Anders als die Wirtschaftsforschungsinstitute rechnet die Regierung nicht damit, dass die Zahl der Arbeitslosen im Durchschnitt 2009 unter die Marke von drei Millionen fallen wird. Im März lag sie bei gut 3,5 Millionen.

Im laufenden Jahr wird die Zahl nach Einschätzung der Regierung weiter kräftig sinken – im Jahresschnitt um rund eine halbe Million. „Wir haben den stärksten Beschäftigungsanstieg seit der deutschen Einheit“, sagte Glos. Das werde die Einkommen der Bürger erhöhen und damit auch den Konsum ankurbeln. Im Jahr 2009 wird die Entwicklung am Arbeitsmarkt aber voraussichtlich zum Erliegen kommen. Nur rund 40 000 Arbeitslose weniger im Jahresschnitt erwartet Glos.

INFLATION

Gute Nachrichten hatte Glos für die Verbraucher, die zuletzt unter stark steigenden Preisen für Energie und Lebensmittel zu leiden hatten. Die Teuerungsrate, die derzeit noch bei gut drei Prozent liegt, soll im Laufe des Jahres deutlich zurückgehen. Im Jahresschnitt werde sie bei 2,6 Prozent liegen, 2009 nur noch bei 1,8 Prozent. Damit liegt die Regierung im Konsens mit den meisten Wirtschaftsforschern. „Die Inflation wird sich im Laufe des Jahres zurückbilden“, erwartet auch DIW-Experte Dreger.

STEUERN

Wirtschaftsminister Glos will die Bürger von Steuern entlasten. Vor allem die so- genannte „kalte Progression“ solle gemindert werden. Sie sorgt dafür, dass die Bürger bei Lohnerhöhungen automatisch in einen höheren Steuertarif rutschen und so mehr Steuern zahlen müssen, ohne dass die Sätze erhöht wurden. Diese Progression bremse den Kaufkraftzuwachs der Verbraucher und müsse gemindert werden, sagte Glos.

Diese Maßnahme könnte ein Teil einer „Agenda 2020“ sein. Ein Reformpaket unter diesem Namen hatte vor einigen Wochen Bundespräsident Horst Köhler gefordert. Glos sagte, er wolle diese Agenda „gerne mit Leben erfüllen“ und habe seine Mitarbeiter mit der Ausarbeitung von Vorschlägen beauftragt. Konkrete Punkte nannte er nicht. Der Begriff „Agenda 2020“ lehnt sich an die Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Regierung an, die der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) unter dem Titel „Agenda 2010“ zusammengefasst hatte.

Stefan Kaiser

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