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Wirtschaft: Die starke Hand des Staates

Der Bundespräsident besucht China. Dort trifft er auf eine Planwirtschaft, die besser durch die Krise kam als westliche Industrieländer

Wenn der deutsche Bundespräsident Horst Köhler in dieser Woche durch China reist, kann er sich sicher sein, dass er ein gern gesehener Gast ist. Das deutsche Oberhaupt ist bei Chinas Führung durchaus beliebt. Der chinesische Präsident Hu Jintao schätzt den ehemaligen Direktor des Internationalen Währungsfonds vor allem wegen dessen Kompetenz in Wirtschafts- und Finanzfragen. Köhler bringt der chinesischen Führung seinerseits einigen Respekt entgegen, er nimmt sich viel Zeit für China. Zu Beginn der Woche wird er in Peking mit Hu Jintao und Ministerpräsident Wen Jiabao zu politischen Gesprächen zusammenkommen. Danach reist der Bundespräsident weiter nach Schanghai, wo er am Mittwoch am Deutschlandtag der Weltausstellung teilnimmt.

Bei seinen bisherigen Besuchen hat Horst Köhler meist den richtigen Ton getroffen, er schafft den Spagat zwischen den wirtschaftlichen Interessen Deutschlands und der Mahnung an die chinesische Führung, die Menschenrechte einzuhalten. Der Bundespräsident wirkt wie ein Ruhepol in den wechselhaften Beziehungen beider Länder. Er hat einen konstanten Draht zu Chinas Führung entwickelt, der Bundeskanzlerin Angela Merkel zu fehlen scheint. Während ihr Vorgänger Gerhard Schröder den Wirtschaftsbeziehungen Vorrang gab, rückte Merkel die Menschenrechte deutlicher in den Mittelpunkt. Ihr Treffen mit dem geistlichen Oberhaupt der Tibeter sorgte Ende 2007 für eine Abkühlung der Beziehungen der Länder – gilt der Dalai Lama doch als Chinas Staatsfeind Nummer eins.

Der Bundespräsident wird bei seiner Chinareise von einer größeren Wirtschaftsdelegation begleitet. Auch ein Gespräch mit dem chinesischen Zentralbank-Chef Zhou Xiaochuan ist geplant. Das eher unübliche Treffen zeigt, dass der deutsche Bundespräsident in China als Finanzexperte wahrgenommen wird. Doch Horst Köhler und die mitgereisten Wirtschaftsvertreter werden nicht nur Antworten liefern. Sie werden auch Fragen stellen.

Ob China, das bislang beinahe problemlos durch die globale Finanzkrise gekommen ist, ein Vorbild für die deutsche Wirtschaft sein kann, könnte eine der zentralen Fragen sein. Das konstante chinesische Wachstum beeindruckt Deutschlands Politiker und die Wirtschaftselite. Erst vor kurzem konnte das chinesische Statistikamt im ersten Quartal dieses Jahres ein Wirtschaftswachstum von 11,9 Prozent vermelden. „Länder wie China überspringen gerade mehrere Entwicklungsstufen, für die Europa Jahrzehnte gebraucht hat“, sagte BASF-Chef Jürgen Hambrecht, Vorsitzender des Asien-Pazifik-Ausschusses der deutschen Wirtschaft, dem „Handelsblatt“. Hambrecht und weitere Vertreter der deutschen Wirtschaft trafen am Freitag mit Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) zur Asien-Pazifik-Konferenz in Singapur zusammen. Im Blickpunkt stand Chinas boomender Markt. „50 Prozent des globalen Wirtschaftswachstums finden derzeit in Asien statt“, sagte Brüderle in Singapur.

Es ist die starke Hand des chinesischen Staates, die das riesige Land durch die globale Finanzkrise führt. Was in China unter dem Mantel der Planwirtschaft geschieht, hat schon lange nichts mehr mit kommunistischem Denken zu tun. Ein Wirtschaftswachstum um acht Prozent, das die wirtschaftliche und vor allem gesellschaftliche Stabilität gewährleistet und so den Führungsanspruch der kommunistischen Partei sichert – das ist der Plan der chinesischen Machthaber. Und dafür stehen dem autoritären Regime nun einmal effektivere Mittel zur Verfügung als in westlichen Demokratien.

Chinas Banken verdienen ihr Geld vor allem mit der Kreditvergabe, anstatt mit hochspekulativen Finanzprodukten zu handeln – weil das Regime in Peking es so vorschreibt. In Krisenzeiten kann die Regierung das Vertrauen der Bevölkerung in die Wirtschaft beeinflussen, ganz einfach, weil sie die Medien kontrolliert. Mit einem riesigen Konjunkturpaket in Höhe von 400 Milliarden Euro hat man das Land durch die Wirtschaftskrise befördert, Ausfälle beim Export durch Inlandsinvestitionen ausgeglichen. Mögliche Nebenwirkungen wie eine Überhitzung des Immobilienmarktes scheint Peking in den Griff zu bekommen. Das Regime legt einfach fest, wie viele Kredite die Banken vergeben dürfen.

Die Politik hat die Kontrolle über die Wirtschaft, ein Modell, das im Moment gut zu funktionieren scheint. Doch so viel Bewunderung China auch für seine wirtschaftliche Ausnahmestellung entgegenschlägt – auch die Volksrepublik hat die globale Wirtschaftskrise noch nicht überstanden. „Wir sollten niemals die Ernsthaftigkeit und die Schwierigkeiten der Finanzkrise und ihren Einfluss auf die internationale Politik und Wirtschaft unterschätzen“, erklärte Ministerpräsident Wen Jiabao erst vor kurzem. Man wirft einen sorgenvollen Blick auf den Handelspartner Europa – und fürchtet den Einfluss der europäischen Währungskrise auf das eigene Land.

Europas finanzpolitische Notlage wird voraussichtlich auch Thema in den Gesprächen des Bundespräsidenten in Peking sein, bevor dieser weiter zur Expo reist. In Schanghai wird von der Krise kaum mehr die Rede sein. Der schwierigen Wirtschaftslage zum Trotz haben die europäischen Länder für ihren Expo-Auftritt tief in die Tasche gegriffen. Rund 50 Millionen Euro kostete allein der deutsche Pavillon, der unter dem Motto „Balancity – Die Stadt im Gleichgewicht“ steht. Es ist der bisher größte Expo-Auftritt Deutschlands, passend zu der wohl größten Weltausstellung aller Zeiten. Doch nicht nur das gigantische Ausmaß der Expo in Schanghai dürfte Horst Köhler und die mitgereiste Wirtschaftsdelegation beeindrucken. Auch Schanghais rasanter Aufstieg könnte die deutschen Besucher ins Staunen bringen.

Konsequent hat Chinas Führung in den 90er Jahren begonnen, Schanghai als Wirtschaftsstandort aufzubauen. Innerhalb weniger Jahre hat man den Finanzdistrikt Pudong fast aus dem Nichts errichtet und zur Sonderwirtschaftszone erklärt, die maßgeblich für die Entwicklung der Stadt ist. Über allem steht der ehrgeizige Plan der Zentralregierung, Schanghai bis 2020 in ein internationales Finanz- und Logistikzentrum zu verwandeln. Die Expo ist Teil dieses Plans. In Vorbereitung für die Megaveranstaltung hat die Stadt nach Schätzungen etwa 400 Milliarden Yuan in die Infrastruktur investiert. Allein das U-Bahn-Netz wurde um hunderte Kilometer erweitert, der alte Flughafen Hongqiao wurde zum zweiten internationalen Drehkreuz der Stadt ausgebaut. „Schanghai hat mittlerweile eine Infrastruktur auf Weltklasseniveau“, sagt Holger Morneweg von der deutschen Außenhandelskammer in Schanghai. So lockt man ausländische Investoren in die Stadt.

Das Beispiel Schanghai zeigt, was Deutschlands Wirtschaftselite an dem chinesischen Modell fasziniert. Zielgerichtet und konsequent hat Chinas Führung die Stadt zum Handelszentrum ausgebaut. Doch nur allzu gerne wird übersehen, dass diese Konsequenz auch Härte gegenüber der eigenen Bevölkerung bedeutet. Mehr als 18 000 Haushalte wurden geräumt, um Platz für das Expo-Gelände zu schaffen. Viele Familien wurden gegen ihren Willen umgesiedelt. Zwangsumsiedlungen sind in China keine Seltenheit, wer sich beschwert, muss mit Bestrafung rechnen. Auch das ist Teil des chinesischen Wirtschaftswunders.

Köhler wird das Thema Menschenrechte auf seiner Chinareise ansprechen. Zu sehr ins Detail dürften die Gespräche aber nicht gehen. Wie schon bei vorherigen Besuchen wird der Bundespräsident zumindest vortragen, wie wichtig das Bekenntnis zur Einhaltung von Menschenrechten für Deutschland ist. Dass er deswegen in China an Beliebtheit einbüßt, ist nicht zu erwarten.

Peer Junker[Peking]

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