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Keine Rettung für Versicherungskunden: Verbraucherschützer hatten auf mehr Beistand gehofft.

© Ralf Hirschberger/dpa

18.550 Euro für die Restschuldversicherung: Die Versicherung, die Verbraucher arm macht

Verbraucherschützer hatten sich viel von der Reform des Versicherungsvertriebs erhofft. Jetzt sind sie enttäuscht.

Kreditnehmer kennen das: Wenn sie bei ihrer Bank ein Darlehen aufnehmen, dann legt ihnen diese gleich noch den Abschluss einer Restschuldversicherung ans Herz. Diese Police soll dafür sorgen, dass der Kredit auch dann weiterbedient wird, wenn man seinen Job verliert oder – schlimmer noch – wenn der Kreditnehmer stirbt. Das Problem: Die Versicherung kann die Kosten mächtig in die Höhe treiben. So wie im Fall eines Leipziger Ehepaares. Die Sachsen hatten einen Kredit über 38 400 Euro aufgenommen, Effektivzins 7,97 Prozent. Mit den Versicherungskosten von 18 550 Euro landeten die Eheleuten plötzlich bei einem effektiven Jahreszins von 21,78 Prozent – und am Rande des Nervenzusammenbruchs.

Das Vertriebsrecht wird reformiert

Verbraucherschützer wollen solche Missstände abgestellt sehen. Sie haben deshalb große Hoffnungen in die anstehende Reform des Versicherungsvertriebs gesetzt. Die entsprechende EU-Versicherungsrichtlinie (IDD) muss bis Februar 2018 in deutsches Recht umgesetzt werden. Angesichts der bevorstehenden Bundestagswahlen kann sich der Gesetzgeber aber nicht so viel Zeit lassen. Vor der Sommerpause muss alles erledigt sein, am nächsten Donnerstag ist der Gesetzentwurf erstmals im Bundestag.

Die Richtlinie soll die Beratung der Verbraucher durch die Versicherer verbessern. Doch von dem, was nun auf dem Tisch liegt, sind die Verbraucherschützer in vielen Punkten enttäuscht. So hatten sie gehofft, dass die Kopplung von Krediten und Restschuldversicherungen ein Ende haben wird. „Der politische Druck der Bankenlobby ist sehr hoch, die Intransparenz beizubehalten“, sagt Dorothea Mohn, Finanzexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV). „Die Restschuldversicherung ist eine Cash Cow.“ Denn an dem Produkt, das jedes Jahr 300 000 mal verkauft wird, verdient nicht nur die Versicherung, sondern auch die Bank. Sie tritt in vielen Fällen als Versicherungsnehmerin auf, der Schuldner ist nur die versicherte Person. Für die Vermittlung kassiert das Geldhaus dennoch eine saftige Provision. „Restschuldversicherungen sind teuer und nutzen vor allem der Bank“, kritisiert Andrea Heyer von der Verbraucherzentrale Sachsen. „Die Policen sind teuer, die Provisionen hoch.“ Beim Versicherungsverband GDV hält man die Kritik für unberechtigt. Es gebe auf dem Markt ausreichend Alternativen zu den Bündelangeboten, meint der Verband.

Der Versicherungsverband spricht von "wichtigen Klarstellungen"

Der GDV sieht den Entwurf ohnehin überwiegend positiv. Er bringe „wichtige Klarstellungen“, sagte Axel Wehling, Mitglied der GDV-Geschäftsführung, dem Tagesspiegel. Wehling lobt vor allem die „klare Trennung zwischen Honorar- und Provisionsvergütung für Vermittler.“ Positiv sei auch die „Festschreibung des Provisionsabgabeverbots.“

Auch diesen alten Zopf hätten die Verbraucherschützer aber gern abgeschnitten gesehen. Das Provisionsabgabeverbot untersagt Vertretern, ihre Provision ganz oder teilweise an den Kunden weiterzureichen. Die Regelung stammt aus dem Jahr 1923, als Versicherungsvertreter noch von Haus zu Haus zogen, um Versicherungen zu verkaufen. Das Provisionsabgabeverbot sollte einen ruinösen Preiswettbewerb verhindern. Heute sorgt es dafür, dass für Versicherungstarife Bruttopreise gelten, ein- und dasselbe Produkt kostet überall gleich viel, egal ob man es beim Makler, beim Außendienstler oder selbst per Telefon oder online kauft. Für Lars Gatschke, den Versicherungsexperten des VZBV, ist diese Regelung schon lange nicht mehr zeitgemäß. „Das ist reiner Protektionismus für den Vertrieb“, ärgert sich der Verbraucherschützer. „Die Regel ist überholt und gehört abgeschafft", fordert Gatschke. Auch die Grünen sehen bei der Reform noch Reformbedarf. „Die Bundesregierung ist gefordert, endlich für eine bessere Beratungsqualität und mehr Preistransparenz zu sorgen“, sagte die Verbraucherpolitikerin Nicole Maisch.

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